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Cashless beim Nova Rock: Nein, es war nicht alles gut.

Nova Rock 2016 Cashless, Bildquelle: Nova Rock
Thomas Peter

Festivalfficionado, Fotodude

Neurobiologe, Festivalliebhaber. Verdient seine Brötchen mit Webseitenkonsulting (Strategische Planung, Erstellung, Pflege) bei 70six.de.

Eins vorweg: Ich bin nicht als übertriebener Nörgler bekannt und/oder auch kein Technikhasser. Doch wenn ein System für den Kunden nur bedingt Mehrwert bringt und idiotensichere Zuverlässigkeit und Transparenz vermissen lässt, hat es meiner Meinung nach bei einem Festival keine Existenzberechtigung. So lange vorhanden Defizite nicht abgestellt wurden, werde ich nicht aufhören den Finger in die Wunde zu legen, sprich: gegen die Cashless Technik zu argumentieren. Ganz ausgeklammert sollen im Moment datenschutzrechtlichen Bedenken sein.
Aus Veranstaltersicht war die kurzfristige Einführung der RFID-Scheckkarten als Lösung des Registrierkassenzwangs ein voller Erfolg. Doch auch beim Nova Rock mussten die Festivalisten wieder feststellen: Mit dem aktuellen Evolutionsstand der Technik und mangelnder Humanpower wird nicht zwangsläufig alles einfacher und komfortabler. Und schon gar nicht transparenter.

Im blumigen Marektingsprech klingt das so:

Auch das erstmals angewendete Cashless System hat seine Feuertaufe problemlosabsolviert und das trotz oder gerade wegen dem neuen Besucherrekord von über 180.000 feiernden Rockfans, die sämtliche Neuerungen (von Grill & Chill Area powered by Hofer, Highway To Hell, VIP Areas etc…) frenetisch aufnahmen.

Mit dieser Einschätzung scheint man haarscharf an der Realität vorbei zu schrammen.
Auf Facebook finden sich Duzende Postings, die sich kritisch mit dem neuen bargeldlosen System auseinandersetzen. Sie zeigen klar: Es gab nicht nur vor Ort Probleme, sondern auch im Nachlauf daheim.

Überhöhte Abbuchungen und fehlende Aufladungen

Beim Festival kam es zu unverständlich überhöhten Abbuchungen. Ein Hot Dog und eine Pizza brachten zum Beispiel Martinas Guthaben von 59 auf 11 Euro herunter. Das ist selbst bei gepfefferten Festivalpreisen unrealistisch. Martina moniert ausserdem, dass aufgeladenes Geld nicht als Guthaben auf der Karte erschien.
Harald hat für ein Wasser 16,50 Euro abgebucht bekommen, Ines 13 Euro für ein Getränk, das inklusive Pfand regulär 8,50 Euro kostete.

Möglich, dass der Service diese Probleme noch aufklärt und ausräumt. Doch mit dem unnötigen Ärger bleibt man letztlich alleine.

Kartenpfand nicht zurückerstattet bzw. lange Schlangen

Schon vor dem Festival wurde kommuniziert, dass jeder dem Festival 5 Euro spendet, der seine Zahlkarte nicht vor Ort eintauscht. Denn die Paycards gelten nur dieses Jahr. Das haben nur sehr wenige bewusst mitbekommen – was eigentlich absehbar, böswillig gesagt: kalkulierbar, war. Verschärfend wurde mantramässig davon gesprochen, man solle doch alles in Sachen RFID-Scheckkarte bequem online abwickeln.

Ebenfalls absehbar war der Ansturm auf die wenigen offenen Umtauschstände, an denen sich nach dem letzten Auftritt lange Schlangen bildeten. Einige (viele) liessen sich von den Menschenmassen abschrecken und spendeten die 5 Euro lieber unfreiwillig, statt sich am Ende des Festivals noch einmal in eine weitere Wartereihe einzusortieren.
Und selbst wenn man seine Karte dann vor Ort zurückgeben konnte, war nicht zwingend gewährleistet, dass man sein Pfand auch wieder bekam.

Wer die Karte behielt, fand es schade, dass sie nicht mal als Souvenir taugt. Sie enthält laut Facebook Beiträgen nämlich keinerlei Nova Rock Branding.

Online-Personalisierung hakt

Um seine Transaktionen online einsehen zu können und sich den Restaufladebetrag von der Karte zurücküberweisen zu lassen, muss man sie online registrieren. Haken: Da man die Paycard erst am Festival ausgehändigt bekam, musste man die Registrierung vor Ort vornehmen/abschliessen, um eigene Transaktionen nachverfolgen zu können. Diese Personalisierung scheint bei vielen nach der Rückkehr nicht funktioniert zu haben. Auch am Festival selbst soll der Prozess schwierig bis unmöglich gewesen sein. Zumindest sonntags ging anscheinend gar nichts.
Heisst letztlich auch: Eine Ausgabenkontrolle über Webseite oder App dürfte nur bei wenigen wirklich funktioniert haben.
Mit viel Restguthaben auf der Karte kann man schon mal nervös werden, denn am Ende des heutigen Tages endet offiziell die Möglichkeit zu personalisieren. Der Logik entsprechend müsste das Guthaben auf der Cashless Card danach also unzugänglich/verloren sein. Diplomatisch formuliert ist und wäre das extrem kundenunfreundlich.

(Zwischen)Fazit

Selbst war ich nicht vor Ort und der Aufschrei bei Facebook hält sich in überschaubaren Grenzen. Die meisten also scheinen mit dem System klar gekommen zu sein bzw. sich damit arrangiert zu haben.
Zumindest vereinzelt aber bleiben Probleme. Teils sind die hausgemacht (zu wenig und überfordertes Personal), teils Bugs der Technik geschuldet (Funktion Personalisierung eingeschränkt, ungewöhnliche Abbuchungen, fehlende Aufladungen).
Mit Schwierigkeiten wird man leider ziemlich alleine gelassen, da als Supportkanal nur Facebook zur Verfügung steht. Wenigstens eine eMailadresse für Hilfesuchende oder besser noch eine Hotline wäre wünschenswert gewesen.

Generell spalten sich die Geister über die Abkehr vom Bargeld. Beim Nova Rock hätte man nach einer Gesetzesnovelle an jedem Stand eine Registrierkasse deponieren müssen. Daher entschied man sich auf Chip umzustellen. Aus Veranstaltersicht ein logischer Schritt, zumal sich bei bargeldlosen Lösungen Umsatzzuwächse bis 30 Prozent erwirtschaften lassen.

Alles schön und gut, aber liebe Festivalmacher: Wenn man uns das Bargeld entzieht, dann MUSS das System funktionieren. Ohne Wenn und Aber. Und ohne verschleierte Komforteinbussen auf Seiten der Festivalisten.

 

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