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Die Ärzte “auch”: Ein Best Of Soloalben

Steffen Neumeister

Festivalfficionado, Fotodude

Neurobiologe, Festivalliebhaber. Verdient seine Brötchen mit Webseitenkonsulting (Strategische Planung, Erstellung, Pflege) bei 70six.de.

Das erste was beim Hören von „auch“ auffällt, ist der knackige Sound. Solide produziert, nicht zu wenig, nicht zu viel, genau so muss eine Rockscheibe klingen. Wo bei „Geräusch“ viel zu viel und „Jazz Ist Anders“ viel zu wenig war, findet „auch“ den perfekten Mittelweg. Aber wer will sich schon mit Soundnerdereien befassen, wenn man doch grade das neue Die Ärzte Album im CD Spieler hat.

„Ist das noch Punkrock?“ fragt Farin Urlaub im gleichnamigen ersten Song. Eine Frage, die eigentlich als Überthema für das komplette Album stehen könnte. Ein lockerer, melodischer Start, der niemandem weh tut. Ein typischer Urlaub eben. „Wie die Persönlichkeit, so auch der Sound.“, scheint sich Schlagzeuger Bela B. auf diesem Album zu denken. Sein erster Song bleibt allerdings noch sehr human. „Bettmagnet“ bringt dem Hörer mit einem ohrwurmlastigen Refrain die Thematik der Bettschwere aufgrund von digitalen Unterhaltungsgeräten im Schlafzimmer näher. Dieser Song soll einer der besten Bela Songs der Platte bleiben.

Überhaupt klingt „auch“ weniger nach einem neuen Die Ärzte Album als nach einer Sammlung neuer Solosongs der drei Bandmitglieder. Oft erkennt man schon an den ersten Tönen – noch bevor überhaupt der Gesang einsetzt – welcher Protagonist für diesen Song verantwortlich ist. Einzig „TCR“ kann man wohl als lupenreine Ärztenummer identifizieren. Zu dickeirig für Farin und sein Racing Team, zu albern für Belas Soloplatten und zu massentauglich für eine von Rods Bands. Fans der älteren Garde könnten bei diesem Song die Tränen in den Augen stehen, würde er sich doch wunderbar auf der „13“ oder „Planet Punk“ einpassen.

Bevor man sich aber in besseren Zeiten wähnt, zeigt Bela, dass er mit seinem ersten Song schon das Qualitätspulver verschossen hat. „Das Darfst Du“ ist textlich so platt wie ein Hase, der schon seit drei Tagen auf der A1 liegt. „Komm setz dich zur Wehr / stell Dich einmal quer / der nette Typ nicht mehr / denn das darfst Du.“. Ein Refrain der jedem Deutschlehrer die Haare schneller ergrauen lassen würde als ein ADS-Kind ohne Ritalin.
„Tamagotchi“ ist eine zuckersüße Liebeserklärung an das Lieblingsspielzeug der 90er, gesungen, nein gequietscht von Rod Gonzales. Geht ins Ohr, bleibt drin, passt.

Farin Urlaub scheint in der Songwritingphase für dieses Album wohl sehr viel Musik der 70er Jahre gehört zu haben. Nicht selten taucht ein Diskobeat mit den zugehörigen Uhh’s und Ahh’s in seinen Songs auf. „M&F“ begibt sich genau in diese Richtung. Textlich eher auf Mario Barth Niveau, musikalisch jedoch vor allem im Refrain ein Kracher.
Auch der „Waldspaziergang Mit Folgen“ endet schnell in einer Disko voller Schnauzbärte und Schlaghosen. Leider bleibt es hier beim einzigen wirklich sozialkritischen oder politischen Statement. Aber wenn es auf die 50 zugeht, dann kann man auch mal nachvollziehen, dass sich die Herren lieber mit Identitätskrisen oder mangelnder Motivation auseinandersetzen. Weitere Bela-Songs sollten Hörer zum eigenen Schutze lieber weiterskippen. Wer will sich schon krampfhaften Country-Rock antun? Da kann man ja gleich zu The Bosshoss gehen.
Rod hingegen, ist auf diesem Album mal wieder der Mann für die interessanten Stücke. „Das Finde Ich Gut“ schunkelt sich durch eine interessante und fesselnde Stimmung die man schwer zuordnen kann. Auch „Angekumpelt“ sticht sehr aus dem bisher gehörtem raus. Ein Text den jeder nachvollziehen kann und eine Melodie die nicht unbedingt Bahnen bricht, aber auch nicht wirklich 0/8/15 klingt, verpackt in einem soliden Alternative-Rock Sound.
Mit „Cpt. Metal“ und „Die Hard“ geben sich Die Ärzte auch nochmal von der härteren Seite, sollten das aber lieber wirklich harten Bands überlassen. Ein netter Service, dass „ZeiDverschwÄndung“, die erste Single des Albums, der letzte Track ist. So kann man schon vorher ausschalten und muss sich das Elend nicht mehr antun.

„auch“ ist ein abwechslungsreiches Album – allerdings ohne wirklichen roten Faden. Textlich ist es auffallend schwach im Vergleich mit früheren Platten der Band. Man hat das Gefühl, dass jedes Bandmitglied sein eigenes Süppchen kocht und Die Ärzte keine wirkliche Band mehr sind. In Zukunft dann doch lieber mehr Soloalben; Da muss man dann nämlich auch keinen Bela B. ertragen wenn man es nicht unbedingt will. Was jetzt vielleicht im Fazit sehr negativ klingt, muss gar nicht so gemeint sein: Das Album hat seine Hits wie sie ein jedes Die Ärzte Album hat, nur sind die Tiefpunkte dieses Mal besonders tief.
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