Eine Frage der Grenzziehung: Welche Bands auf unseren Festivals?

Frei.Wild haben das With Full Force Festival nach breiter Kritik abgesagt. Fans der Band bedauern das, versuchen sich im Protest. Die Überzahl der Kritiker feiert dagegen den “Sieg”. Welche Bands im Festival-LineUp sind in Ordnung, welche nicht? Nicht immer wird die Grenze eindeutig gezogen. 

Frei.Wild

Bleiben wir zunächst beim Beispiel Frei.Wild: Die Bestätigung beim With Full Force 2010 war folgenlos. Als die Südtiroler 2010 und 2011 beim Wacken Open Air im Billing standen, beschwerten sich wenige über die Buchung. Vom letzten Wacken-Konzert der Band zeigte der NDR sogar einen Ausschnitt im TV.

Der Wacken Veranstalter ICS hat die Band im Booking Roster stehen. Mehr oder weniger regelmäßig flattern Ankündigungen von neuen Frei.Wild-Tourdaten in die Postfächer der Musikredaktionen, auch bei Festivalisten.

Die Distanzierung von “jeglichem Rechtsradikalismus” im Promotext ist obligatorisch. Genauso die Lobpreisungen über die Texte, die sich einer Sprache bedienen, “die lebt und viel zu tiefgründig und nah aus dem Leben ist, als dass sie jemals politisch sein könnte.” Man singe über das, “was tief in uns allen vorgeht, egal welcher Nationalität oder politischen Meinung wir angehören.”

Wir müssen an dieser Stelle nicht wiederkauen, dass wir (und viele andere) diese Konstruktion des Unpolitischen nicht teilen. Das ist an anderer Stelle ausführlichst diskutiert worden.

Kontroverse Bands auf Festivals
Der Punkt ist ein anderer: Frei.Wild ziehen Fanscharen an, auf Einzelkonzerten und auf Festivals, was bisher ohne großen Aufschrei blieb. Der “Shitstorm”, der nun zur Absage führte, ist eine Neuheit. Eine erfreuliche Neuheit für die meisten von uns. Eine Neuheit, die die Frage aufwirft, wo die Grenze liegt?

Was ist zum Beispiel mit der Band Unantastbar im WFF-LineUp, die in einer ähnlichen Ecke wie Frei.Wild steht, aber weit nicht so bekannt ist? Was ist mit Festivals, die Sponsoring  erhalten von Unternehmen wie EMP, die ihrerseits Bands wie Frei.Wild mit Merchandiseverkäufen zum großen Geschäft verhelfen? Wie sieht es aus mit Reggae-Festivals wie dem Chiemsee Reggae Summer, wo Debatten über gebuchte homophobe Künstler genauso dazugehören wie das schlechte Festival-Wetter. Das sind alles Fragen der Grenzziehung.

Buchungen kontroverser Bands und Künstler werden immer Kritik auslösen. Nicht immer wird sie so massiv ausfallen, wie jüngst bei der Frei.Wild-Bestätigung. Entfaltet sie aber – wie hier – eine derartige Eigendynamik, bleibt dem Veranstalter nur die Absage. Protest kann also funktionieren. Lasst uns die Frage diskutieren, welche Bands wir auf den Festivals sehen wollen.

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Manuel Hofmann

Festivalaffiner Politikwissenschaftler.