Das Schicksal nüchtern bleiben zu müssen hat heute Schlagzeuger Max erwischt. Er steuert den weißen Mercedes Sprinter, der seine besten Tage auch schon ein wenig hinter sich gelassen hat, durch die Wälder am Rande des Ruhrgebiets.
Grade noch spielten Montreal auf der kleinen Nebenbühne des Ruhrpott Rodeo Festivals. Geplant war das nicht. Eine Solokünstlerin sagte ihren Auftritt kurzfristig ab. Hilfsbereit wie Montreal nunmal sind, ersetzen sie eben diese.
Alles geht schnell. 15 Minuten hat die Band nur Zeit bis auf der Hauptbühne die nächste Band ihren Krach loslässt. Vor der kleinen Bühne ist es gut gefüllt. In den letzten Tagen sprach es sich auf dem Festivalgelände rum, dass dort heute die drei Flitzpiepen aus Hamburg, die eigentlich gar nicht mehr aus Hamburg, sondern aus Berlin (verdammte Hipster!) kommen, ein kurzes Überraschungsset spielen.
„Wir sind die falschen Pferde – a tribute to Montreal“. Das Spiel ist trotzdem schnell durchschaut. Hit an Hit, nackter Punkoberkörper an nackten Punkoberkörper. Highspeed auf der Bühne, Moshpit davor. Montreal wissen ihre Zeit zu nutzen.
Schließlich hatten sie bisher bereits über zehn Jahre Zeit zu lernen, wie man mit einem Publikum umzugehen hat. Vier Alben, davon das aktuelle auf dem eigenen Label Amigo Records erschienen, Touren quer durch Europa mit Bands wie der Bloodhound Gang, Samiam, oder auch mit den alten Freunden der Sondaschule, Rotation auf Viva und MTV – die Band sollte eigentlich auf das Rockstarleben vorbereitet sein. Doch gefehlt: Die drei Typen hier sind wohl das absolute Gegenteil des Rockstarprototypen. Und grade das scheint ihr Geheimnis zu sein.
Weezer, Maffay, NOFX
Die 15 Minuten Spielzeit sind rum. Merchandiser Mo verkauft im Bühnengraben CD’s während die Band ihr Equipment, unter Einwirkung knallender Sonne und noch knallenderen Kaltgetränken (bis auf Max, der muss ja schließlich fahren) in den Bandbulli räumt. Viel Zeit ist nicht. Wenige Kilometer weiter, in Wesel nämlich, wartet eine weitere Show auf Montreal. Die Band ist Co-Headliner des Eselrock Festivals. Einer umsonst + draußen Veranstaltung in einem wunderschönen Parkgelände.
Die Reisegruppe Montreal sammelt sich. Mit dabei: Die Band, Tonmann, Mercher, Partner, Freunde und ich, der zu dick ist für die hintere Bullireihe. Ich sitze also mittendrin. Genau im Geschehen und bekomme alles mit. Mit der obligatorischen Kiste Bier unter den Füßen natürlich. Ist ja immernoch Punkrock (oder so) und keine Butterfahrt. Bequem ist anders, aber sind ja nur 40km. Schlagzeuger Max steuert also das – wohl völlig überladene – Vehikel durch die Gegend. Wesel ist das Ziel. Aus dem Radio schallt Weezer, Peter Maffay, NOFX. Montreal sind quasi das deutsche, uneheliche Kind aus einer wilden Orgie dieser dreien. Ich merke, wie sich der Kreis schließt. Oder ist es mein Kopf, der sich mittlerweile im Kreis dreht? Irgendwie sowas.
“Sind doch ein paar mehr geworden.”
Am Backstageeingang werden Montreal schon erwartet. Der Bulli wird auf das Gelände durchgewunken. Doch während auf einmal neun Menschen dort herauskrabbeln und sich der Mercedes gefühlt wieder einen Halben Meter vom Untergrund erhebt, staunt der Veranstalter nicht schlecht. „Äh ja, sind doch ein paar mehr geworden.“ stammelt Bassist Hirsch vor sich hin. Der Veranstalter schluckt kurz und holt ein paar weitere Backstagepässe. Alles gut. In der Zwischenzeit hat sich Hirsch bereits über das Catering gestürzt und kommt mit einem selbstgebasteltem Burger in der Hand zurück um uns mit vollem Mund zu erklären, wo wir denn alle an etwas zu Kauen kommen.
Essen fassen. Im Cateringzelt sitzen ein paar weitere Bands, die sich mit Kickern oder Playstation bei Laune halten. Die stören sich gar nicht an der hungrig einfallenden Meute.
Während die letzten ihre Nasen noch tief ins (äußerst leckere) Catering getaucht haben, machen sich Max und Hirsch über den Kickertisch her. Angekündigt wird das Duell des Jahrzehnts. Diese epische Schlacht wird jedoch nach kurzer Zeit von einem Crewmitglied des Festivals unterbrochen, welches die Band darauf hinweist, dass sie ihr Equipment nun aufbauen kann.
Unverrichteter Dinge schnappen sich die beiden den Gitarristen Yonas und schlurfen in Richtung Bühne. Der Rest der Reisegruppe Montreal baut nun entweder das Merchandise am vorgesehenen Verkaufsstand auf oder deckt sich an der benachbarten Tankstelle mit Schnaps ein. Im Catering gibt es nämlich nur Bier.
Ich erkunde in der Zwischenzeit das Festivalgelände des Eselrock Festivals. Eins steht schonmal fest. Gleich werden mehr Besucher vor der Bühne stehen als noch vor wenigen Stunden beim Ruhrpott Rodeo. Ich erblicke viele Menschen mit Montreal Shirts. Auf einer Nebenbühne spielt grade eine grauselige Metalcore Band die vermutlich hier aus der Gegend kommt und eine Reisebusladung Fans mitgebracht hat, die alles abfeiert, was diese Band da so grade fabriziert. Ich kann mir das Lachen teilweise nicht verkneifen, alleine aufgrund der Tatsache, dass sich die Band auf der Bühne grade so überernst nimmt.
Gut, dass irgendwann auch mal Montreal auf der anderen Bühne beginnen zu spielen. Ich darf dem ganzen vom Bühnenrand beiwohnen. Interessante Perspektive, bekommt man hier doch so einiges mit, was dem restlichen Publikum meist verborgen bleibt. Vor allem einfache Blicke, welche sich die drei Bandmitglieder zwischendurch immer wieder zuwerfen zeigen, dass sich Montreal nach über Zehn Jahren ohne Worte verstehen.
Vieles ist Routine, doch trotzdem merkt man in jeder Sekunde, sowohl auf als auch hinter der Bühne, dass Max, Hirsch und Yonas mit vollem Herzen bei der Sache sind.
Nah am Fan
Das zeigt sich auch nach der Show. Am Merchandisestand wird sich mit Fans und alten Weggefährten ausgetauscht. Andere Bands kündigen solche Dinge als mittelschwere Sensation an, im Montrealkosmos ist das völlig selbstverständlich.
Während grade Headliner Bakkushan auf der Bühne steht, packen Montreal so langsam zusammen. Das Equipment wird, wie heute Nachmittag schon, in den Bandbulli befördert und die Getränkevorräte vor der Abfahrt nochmals aufgefüllt. Und hier muss auch ich endlich mal meinen Tribut zollen. Den ganzen Tag werde ich hier durchgezerrt, kann die süßen Früchte des Rockstarlebens kosten, nur weil ich mich mit meiner Kamera an die Fersen der Band klemme. Hirsch gibt mir den Auftrag das Catering seines Bieres zu entledigen, während er die Formalitäten mit dem Veranstalter klärt.
Auftrag erfüllt, Abfahrt, zurück zum Ruhrpott Rodeo. Mit einer vollen Kiste Bier zwischen den Füßen. Hier gibt es schließlich noch ein paar gute Bands die gesehen werden wollen und Menschen mit denen gefeiert werden will. Was mit dem zuvor erbeutetem Bier passiert, muss hier wohl nicht weiter erklärt werden.
Ein schöner Tag mit einer sympathischen Band geht zu Ende. Ein Tag an dem ich gelernt hab, dass selbst solch alte Hasen im Geschäft immer noch mit einer unbändigen Freude bei der Sache sind. Und grade diese Erkenntnis lässt mich darauf hoffen, dass das neue Montreal Album, welches den Titel der Kölner Szenekneipe „Sonic Ballroom“ trägt und am 15. August diesen Jahres erscheint, ein ziemlich fantastisches Album wird.
Da das ja schonmal geklärt ist, kann sich auch direkt mit Karten für die Herbsttour eingedeckt werden. Die sieht wie folgt aus:
15.10.14 Stuttgart, Goldmarks
16.10.14 Konstanz, Kulturladen
17.10.14 Nürnberg, Lux
18.10.14 Kronach, Struwwelpeter
22.10.14 Berlin, Bi Nuu
23.10.14 Leipzig, Werk II
24.10.14 Magdeburg, Factory
25.10.14 München, Backstage
06.11.14 Bochum, Zeche
07.11.14 Köln, Luxor
08.11.14 Osnabrück, Kleine Freiheit
13.11.14 Wiesbaden, Schlachthof
14.11.14 Kassel, Arm
21.11.14 Bremen, Tower
22.11.14 Hannover, Chez Heinz
19.12.14 Gütersloh, Weberei
20.12.14 Hamburg, Fabrik