Brandheiss, Reviews

Festival-Rückblick: Southside 2015

Southside 2015 Flux Kompensator, Foto: Thomas Peter
Thomas Peter

Festivalfficionado, Fotodude

Neurobiologe, Festivalliebhaber. Verdient seine Brötchen mit Webseitenkonsulting (Strategische Planung, Erstellung, Pflege) bei 70six.de.

Diesmal zeigte sich das Southside mal wieder von seiner anderen Seite. Cool war’s. Im wahrsten Sinne des Wortes. Sogar das Duschgel stellte sich auf stur und verweigert morgens den flüssigen Ritt aus der Tube.
Ansonsten bleibt das Fazit: Wir kommen wieder, wenn man uns lässt. Denn trotz der 60000 Besucher geht es im Take Off Park vergleichsweise relaxt zu.

Vorweg: Aktuell arbeite ich noch die 45 (!) Bands auf, die mir am Southside vor die Linse liefen. Das dürfte wegen angekratzer Gesundheit noch ein paar Tage in Anspruch nehmen. Vorläufig daher der Verweis auf unseren Twitterfeed für eine 4-Bilder-Vorschau der meisten Acts.

Finale Alben mit 10-15 Bildern findet ihr dann hübsch verlinkt auf der Southside 2015 Themenseite. Dort haben sich im Moment schon Galerien von Marteria, Jan Delay, Farin Urlaub Racing Team und K.I.Z. breit gemacht. Täglich werden 6-10 weiter folgen. Bis zum bitteren Ende.

Über junge Hüpfer und satte Altrocker

Im Vorfeld meistdiskutiert, die Frage nach den Headlinern und deren “Würdigkeit”. FKP Scorpio hat ja zugegeben, dieses Jahr durchaus Probleme gehabt zu haben sich in der Spitze aufzustellen. Letztlich muss man allerdings den Headlinerjungfrauen Marteria und Florence And The Machine zugestehen, ihre Sache gut gemacht zu haben.

Marteria ging das Projekt Festivalabschluss am Sonntag mit einer Mischung aus überschäumender Freude und nervöser Lockerheit, verquirlt mit einer Spur Demut an. Nicht die schlechteste Mischung, wie sich zeigen sollte. Die (jungen) Zuschauer vor der Green waren zahlreich und die Stimmung kurz unterhalb von bombastisch anzusiedeln.

Florence And The Machine machten einfach da weiter, wo sie vor drei Jahren am frühen Abend aufgehört hatten: Florence Welch begeisterte die Zuschauer mit ihrer feengleichen, entrückten und daher bezaubernden Darbietung. Wie eine Gazelle auf Speed tobte sie von links nach rechts über die Bühne – und zurück. Fussverletzung? Schnee von gestern. Nichts mehr deutete auf eine Beeinträchtigung hin.

Leider konnten die alten Hasen mit den Emporkömmlingen nicht mithalten. Placebo spulten ihr Set relativ emotionslos ab. Man ist geneigt zu sagen: Wieder einmal. Glänzen scheinen sie nur noch in Frankreich zu können. Placebo, so kommt es einem vor, versuchen gar nicht mehr mit der Crowd warm zu werden. Meiner Meinung nach haben die Mannen um Brian Molko dringend eine Denkpause nötig, in der ihnen klar werden muss, dass es ohne die da unten einfach nicht geht. Deshalb: Vorerst bitte nicht mehr buchen!

Das Mittelfeld war über fast jeden Zweifel erhaben – und so soll das laut FKP Scorpio auch bleiben. In der Spitze greift man gerne zu, so sich die Chance bietet. Basis aber soll auch in den Folgejahren ein vielfältiges, junges, wertiges Mittelfeld sein. Etwas weiter im Mainstream verankert, als es dem alten Indieverfechter recht sein mag, aber hey: FKP Scorpio ist eben mal ein gewinnorientiertes Unternehmen und nicht die Wohlfahrt.

Den eingeschlagenen Kurs kann man gut finden, oder nicht. Immerhin ist es eine Ansage auf die man sich einstellen kann. Wem das nicht passt, der muss für die grossen, teuren Namen eben zur Junikonkurrenz ausweichen.
Dort wird man aber auch mehr als 125 Euro für die erste Ticketcharge hinblättern müssen.

Wetter – uncool

Den Donnerstag schwänzte ich heuer in einer Art altersweiser Voraussicht. Massiver Regen hatte am Nachmittag/Abend die Zeltplätze unter Wasser gesetzt. Und wie immer ging unter, wer am Equipment gespart bzw. die Sorgfalt bei der Platzauswahl vernachlässigt hatte.

Die übrigen Tage hielt sich der Niederschlag in überschaubaren Grenzen, so dass das Bühnengelände auch Dank einiger Massnahmen seitens der Veranstalter mit Sneakern begehbar blieb. Während der Konzerte regnete es kaum. Wenn doch, dann in den frühen Morgenstunden zu denen es uns kaum jemanden ernsthaft beeinträchtigte.

Leider aber blieb es durchgehend kalt, richtig kalt. So unangenehm, dass ich trotz 3 Hoodies und einer Jacke schon am späteren Nachmittag vor den Bühnen elendig vor mich hinfror, was die Lust auf Livemusik doch leicht verhagelte.

Der Schein trügt: Meistens wars selbst wenn die Sonne durchbrechen konnte schafskalt, Foto: Thomas Peter
Der Schein trügt: Meistens wars selbst wenn die Sonne durchbrechen konnte schafskalt, Foto: Thomas Peter

Doch sind wir nicht ungerecht: Es hätte schlimmer kommen können. Veteranen unter uns erinnern sich noch an Southsides, bei denen man im Schlamm versank und bei denen es ohne Unterlass durchregnete. Veglichen mit diesen Ausgaben, fanden wir auch heuer paradiesische Zustände vor.

Und wenn wir denn unbedingt auch eine positive Folge der Schafskälte nennen wollen: Die Zahl der hitzebedingten Erstversorgungen durch die Sanitäter vor Ort, seien es Kreislaufprobleme, Dehydrierung oder Sonnenbrände, war heuer so niedrig wie schon Jahre nicht mehr.

Im kommenden Sommer verschiebt sich das Southside um eine Woche nach hinten. Ob diese Entscheidungen auf Wetterüberlegungen fusst oder man für diesen späteren Termin bereits einen dicken Headliner an der Angel hat, man kann nur spekulieren.

Ohne RFID glücklich

Ob auch die übrigen FKP Scorpio Festival im kommenden Jahr ausgestattet werden, sei noch nicht entschieden, liess Benjamin Hetzer als Vertreter der Organisation wissen. Ich denke: Es ist unausweichlich und wahrscheinlich sehen wir die Chips schon diesem Sommer, spätestens im August, wieder.

Eines der Hauptargumente für die Einführung eines bargeldlosen Zahlungsystems löste sich bei der Southside-Pressekonferenz bereits in Luft auf. Diebstahldelikte, so Markus Walter von der Polizei, haben sich heuer von ca. 150-200 im Vorjahr auf etwa 20 Stück reduziert. Eine immense Schrumpfung. Bei solchen Zahlen wird die PRO-RFID-Argumentation “weniger Diebstahlanfällig als Bargeld” auf “Du kannst kein Bargeld mehr verlieren” beschnitten.

Auch das zweite Hauptargument der verkürzten Wartezeiten ist meiner Meinung nach nicht haltbar.
Die meisten Wartezeiten an den Ständen resultierten meiner Beobachtung nach nicht aus langwierigen Bezahlvorgängen, sondern vielmehr aus dem Umstand, dass die Helfer an den Ständen mit der Herstellung ihrer Produkte nicht nachkamen. Seien es Burritos, Döner, Pommes, Currywurst oder der schaumspuckende Bierzapfhahn. Überall das gleiche Bild. Bezahlungsvorgänge wurden eher dafür genutzt, um die Wartezeiten zu kaschieren.

Frösteln in Reihe 1, Foto: Thomas Peter
Frösteln in Reihe 1, Foto: Thomas Peter
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