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Festivalisten trifft Festivalmacher: Bernd Kurtzke von den Beatsteaks

Beatsteaks Pressefoto - ©Birte Filmer
Steffen Neumeister

Festivalfficionado, Fotodude

Neurobiologe, Festivalliebhaber. Verdient seine Brötchen mit Webseitenkonsulting (Strategische Planung, Erstellung, Pflege) bei 70six.de.

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Er ist “der wahre Punkrocker” bei den Beatsteaks. So sagt es zumindest Frontmann Arnim. Bernd Kurtzke, Gitarrist und Mann für die harten Songs im Repertoire. Doch auch, wenn er auf der Bühne sehr bedrohlich wirkt, wenn er Beatsteaksknaller wie Frieda und die Bomben ins Mikrofon schmettert, für unser Interview gab er sich sehr handzahm.

Bernd von den BeatsteaksFestivalisten: Ihr wart im Festivalsommer 2012 zum ersten mal mit zwei Drummern unterwegs, jetzt zur neuen Tour ist Dennis wieder mit dabei. Dienen die Festivals als Versuchslabor um solche dinge auszuprobieren?

Bernd Kurtzke: Nein, das war wirklich eine spontane Entscheidung. Es war so, dass Thomas und Dennis zusammen im Proberaum saßen und aus Spaß zusammen trommelten. Dann kam Arnim dazu und fand das so gut, dass er vorschlug, das ganze mal auf die Bühne zu bringen. Dann haben wir das für einen Sommer so gemacht. Jetzt ist Dennis ja nicht als zweiter Trommler sondern als additional musician auf der Bühne. Er spielt also auch einige Samples ab oder sitzt am Klavier, das hat mit Schlagzeug jetzt nicht mehr so viel zu tun. Das ist jetzt so für die Tour und dann sehen wir mal wie das nächsten Sommer ist, wenn wir auf Festivals gehen, was wir uns da einfallen lassen.

F: Es ist ja bekannt, dass ihr grade zum Highfield Festival ein besonderes Verhältnis habt. Gibt es unter den anderen auch Favoriten oder sind dieses Shows wie jede andere?

B: Es gibt halt die Klassiker. Rock am Ring/Rock im Park, Hurricane/Southside, Highfield, dann gab’s das Area4, das gibt’s ja nun nicht mehr. Aber da kommt man schon irgendwie nach Hause, weil man die alle auch über die Jahre mehrmals gespielt hat und irgendwie auch kennt. Es macht also alles Spaß.

F: Euer neues Album kam am 1. August raus, Glückwunsch zur Nummer 1 in den Charts übrigens, kurz darauf ging es schon auf die ganz dicken Brecherfestivals. Habt ihr keine Angst, dass die Menschen noch überhaupt nicht vertraut und warm mit dem neuen Material sind?

B: Nein, nicht direkt. Zum einen, weil wir im Set ja auch ältere Songs haben. Bei uns ist das immer eine bunte Mischung aus allen Platten und das ist jetzt Platte Nummer sieben, also hatten wir auf jeden Fall genug Songs dabei, die die Leute kannten. Das ist immer so, dass man erst mal gucken muss, wie die Songs angenommen werden wenn eine neue Platte draußen ist. Aber irgendwie war ziemlich schnell klar, dass die Leute die neuen Songs auch hören wollen. Ich glaube die Platte war zu dem Zeitpunkt eine Woche draußen und es lief super.

F: Ihr wart zum Release des neuen Albums auf jedem Fernsehsender, in jedem Radiosender, in jeder Zeitung, auf jedem Youtubechannel zu Gast. Habt ihr überhaupt noch Lust über das Album zu reden oder wollt ihr nicht einfach spielen?

B: Kein Bock kann ich nicht sagen. Ich rede gerne über die neue Platte, aber ich würde jetzt ungern in die Tiefe gehen. Wenn mich jemand fragt, was ich mir bei bestimmten Texten gedacht hätte, da weiß ich einfach nicht viel zu erzählen. Das geht glaube ich jedem in der Band genauso. Je tiefer man da in Details abtauchen möchte, desto weniger haben wir zu erzählen. Aber im großen und ganzen, zum Entstehungsprozess der Platte, da reden wir immer noch gerne drüber. Jederzeit und vermutlich auch noch in zehn Jahren.

F: Hatte Thomas schwerer Unfall eigentlich musikalischen Einfluss auf das neue Album? Würde es anders klingen, wäre das alles nichts passiert?

B: Wahrscheinlich. Auf jeden Fall hatte der Unfall zur Folge, dass wir uns alle mal kurz überlegt haben, wie es wäre, wenn alles nicht mehr ist, denn es stand kurz auf der Kippe. Das hat einen dann am Ende aber auch befreit, weil man die Zeit die man hat mehr zu schätzen weiß und sie nutzt. Jeder Tag kann der letzte sein und das kam in dem Album auch durch. Jeder hat jeden machen lassen und wir sind mit den Ideen und Songs ganz schnell zum Punkt gekommen. Wir haben das Album dann schließlich in 20 Tagen aufgenommen.

F: Wo du grade sagst, dass es so schnell ging, es gab mal die Aussage, dass der eigentliche Aufnahmeprozess eigentlich gar nicht für das Album, sondern nur für Demos gedacht war.

B: Genau, wir waren bei einem Freund in einem kleinen Studio und wollten eigentlich nur Demos aufnehmen. Eigentlich auch nur vier oder fünf Songs. Dann hatten wir aber plötzlich einen Lauf und am Ende standen wir bei elf Songs und dachten uns „Wir haben es doch jetzt. Was müssen wir jetzt noch groß machen? Da muss jetzt noch drauf gesungen werden und fertig.“ Das hat einfach bei jedem klick gemacht und dann war uns klar, dass wir das jetzt so machen. Und plötzlich war das Album fertig.

Beatsteaks beim Highfield 2014, Foto: Thomas Peter
Beatsteaks beim Highfield 2014, Foto: Thomas Peter

F: Das war dann vermutlich auch kostengünstiger als für ein paar Wochen so ein richtig dickes Studio anzumieten, oder?

B: Ja, wir haben schon wesentlich kostenintensiver produziert, was aber eigentlich gar nicht das Problem ist. Wir haben aber schon viel verkopfter produziert und das ist das eigentliche Problem. Über die Platten davor haben wir einfach zu viel nachgedacht was man da tut und warum man das tut und das war bei dieser Platte überhaupt nicht der Fall. Es war gut zu wissen, dass wir so was auch noch können.

F: Nehmt ihr einen Unterschied zwischen Festival- und Soloshowpublikum wahr?

B: Ja, da gibt es mehrere Unterschiede. Wenn du vor deinem eigenen Publikum spielst, hast du die volle Verantwortung für das Konzert. Auf einem Festival teilt man sich die Verantwortung mit mehreren Bands, spielt auch nicht so lang wie auf einem eigenem Konzert und auf Festivals sind die Leute wesentlich weiter weg als auf einem Clubkonzert, wo die Leute mir genau vor der Nase stehen und mir auf die Finger gucken können. Das ist schon sehr unterschiedlich. Aber wir machen beides sehr gerne. Es gibt zumindest nichts, was wir lieber täten.

F: Wo habt ihr denn mehr Luxus? Clubshows, Arenashows oder Festivals?

B: Also auf dem Festival ist der Luxus sowieso schon da. Da spielen die und die Bands und die bekommen vom Veranstalter das, was sie sich wünschen. Auf einer kleinen Clubtour musst du dir den Luxus auch leisten. Oder eben halt auch nicht leisten. Ich muss jetzt nicht jede Nacht im Hotel pennen, ich penne auch mal gerne im Bus. Wir haben jetzt auf der kleinen Tour auch unsere Mannschaft ein bisschen eingeschränkt. Wir haben keinen Monitormann mit, wir haben jetzt erst zum Ende einen Lichtmann mit um uns auf die großen Konzerte vorzubereiten und kamen eigentlich auch die ganze Zeit mit dem kleinen Gesteck klar, einfach um zu gucken, ob wir dahin auch wieder zurück können. Zu dem einfachen Prozedere. Das war auch mal wichtig und hatte mit Luxus nicht allzu viel zu tun. Aber es hat den Arbeitsablauf auf der Bühne extrem vereinfacht und das ist in gewisser weise auch wieder Luxus.

F: Mittlerweile headlined ihr alle deutschen Festivals. Nur bei Rock am Ring/Rock im Park reicht es noch nicht ganz für die oberste Zeile. Wurmt das?

B: Überhaupt nicht. Ehrlich gesagt ist mir das völlig egal an welcher Stelle ich spiele, solang wir nicht um 10Uhr auf der Parkplatzbühne spielen. Das ist auch ganz gut wenn man als vorletzter spielt. Da hat man ein wenig den Druck weg. Und die Leute sind noch nicht ganz so besoffen und kriegen noch was vom Konzert mit.

F: Habt ihr da denn auch schon mal schlechte Erfahrungen gemacht, dass die Fans auf den Headliner warten und euch nicht unbedingt sehen wollten?

B: Nein, absolut nicht. Nichtmal in den Anfangstagen. Wir hatten einfach großes Glück, dass die Leute uns scheinbar immer gemocht haben.

F: Wie ist als Headliner der Kontakt mit den Festivalmachern? Den Caterern, den Veranstaltern, den Fans, den Arbeitern. Vollkommen abgeschirmt oder doch vorhanden?

B: Bei allem was hinten raus passiert, da hat man natürlich Kontakt mit jedem der da arbeitet. Ich gehe jetzt aber auch nicht mehr wirklich raus in die Festivalmenge. Das würde irgendwie ein bisschen schief gehen. Aber ich bin ab und zu auch mal inkognito auf Festivals unterwegs. Ich war vor drei Jahren mit meiner Freundin auf dem Hurricane. Das lustige ist: Da wird man einfach nicht wahrgenommen, weil keiner davon ausgeht, dass man da rumläuft. Und das war sehr entspannt. Entspannter habe ich ein Festival von vorne noch nie erlebt. Manche gucken zwar schon mal ein wenig ungläubig. „Ist er das jetzt? Oder ist er es nicht? Ach, ist er nicht!“, weil keiner davon ausgeht, dass man da einfach so rum läuft. Das ist ganz lustig.

F: Könntet ihr euch vorstellen irgendwann, sollte es nicht mehr ganz so rund laufen, was euch natürlich niemand gönnt, wieder auf den Nachmittagsslots zu spielen?

B: Ich glaube nicht, dass wir damit ein Problem hätten. Das ist eben das wo wir herkommen. Wir spielen ja auch bewusst ab und zu in kleinen Clubs, weil wir das einfach gerne machen. Und wenn es in fünf Jahren heißt Nachmittagsslot auf Festivals, dann spielen wir das eben. Wenn es unsere Band dann noch gibt und wir noch Spaß am Spielen haben.

F: Als Band sammelt man über die Jahre ja auch Kontakte zu den Veranstaltern. Es entstehen freundschaftliche Beziehungen. Spielt das eine Rolle bei der Auswahl der Festivals die ihr spielt? Oder zählt am Ende nur, wer die meiste Kohle auf den Tisch legt?

B: Es geht auch ein bisschen darum, wie viele Leute man bei den Festivals erreicht. Sicherlich spielt Geld auch eine Rolle, gar keine Frage. Persönliche Freundschaften spielen da eher eine untergeordnete Rolle. Eigentlich geht es darum so viele Leute wie möglich zu erreichen. Deswegen spielt man große Festivals. Weil man auf einen Schlag vor 80.000 Menschen spielen kann wie bei Rock am Ring.

F: Also ist da ein Folkert Koopmanns nicht persönlich beleidigt wenn ihr lieber am Ring spielt als beim Hurricane.

B: Ob er beleidigt ist, das weiß ich nicht, aber das ist auch nicht mein Problem. Zumal wir das ja immer so machten, dass wir das eine Jahr Hurricane/Southside und das andere Jahr Ring/Park spielten. Letztendlich konnte keiner von beiden sauer sein, wenn wir mal bei dem einen oder bei dem anderen gespielt haben. Das war auch nie ein Problem für uns.

F: Die ersten Festivals für das kommende Jahr sind ja schon bestätigt. Gibt es eine größere Festivaltour oder bleibt es bei denen, die schon bestätigt sind?

B: Ich glaube, das wird eine größere Festivaltour. Wir werden noch ein paar kleinere Festivals spielen, aber so richtig durchgeplant ist das noch nicht.

F: Also sind die Verträge zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht unterschrieben.

B: Nein, da kommt jetzt alles erst. Das hat man eher bei den internationalen Bands, dass das alles ein Jahr im Voraus schon steht. Bei uns gibt es jetzt nicht so den großen Druck.

F: Ihr habt vor zwei Jahren das Area4 Festival beendet. Ihr wart die letzte Band die jemals dort spielte. Nimmt man als Band so was überhaupt wahr oder geht man nach Hause und denkt sich „Dann spielen wir nächstes Jahr eben woanders.“?

B: Ein bisschen von beidem. Natürlich weißt du, dass du nächstes Jahr dann auf einem anderen Festival spielen musst, das ist schon klar. Aber man bekommt es auch mit, wenn ein Festival begraben wird. Genauso kriegen wir es mit, wenn ein Festival umziehen muss weil es mit dem Standort oder dem Namen irgendwelche Reibereien gibt. Und irgendwie ist es immer schade, wenn ein Festival komplett verschwindet, andererseits wird es dann an irgendeiner anderen Stelle wieder ein neues Festival geben. Ich glaube es wird immer Festivals geben, denn es gibt einfach zu viele Leute die so was gut finden.

Es ist so wie mit allen gewohnten Sachen wo man gerne hingegangen ist. Ob es jetzt der Club um die Ecke ist der dicht machen muss weil da ein Einkaufszentrum hinkommt, oder das Festival was dicht macht weil keiner mehr hingeht. Es ist zwar immer schade, aber dafür wird es an anderer Stelle etwas neues geben.

Schöne Abschlussworte. Vielen Dank für das Gespräch.

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