Festivalmarkt, Festivals

Festivalisten trifft Festivalmacher – Folkert Koopmans von FKP Scorpio

Hurricane 2014 - Foto: Steffen Neumeister
Steffen Neumeister

Festivalfficionado, Fotodude

Neurobiologe, Festivalliebhaber. Verdient seine Brötchen mit Webseitenkonsulting (Strategische Planung, Erstellung, Pflege) bei 70six.de.

Er ist der Mann, der hinter Festivals wie dem Hurricane, Southside, Highfield und vielen mehr steht. Folkert Koopmans ist Geschäftsführer von FKP Scorpio, dem größten Konzert- und Festivalveranstalter Europas. Für uns nahm er sich ein wenig Zeit. Wir sprachen über das knallharte Business, aber auch ein bisschen über die Person Folkert Koopmans.

Folkert Koopmans - Bild: FKP Scorpio
Folkert Koopmans – Bild: FKP Scorpio

Festivalisten: Wie stark spürt FKP Scorpio in Deutschland bereits dieses Jahr den Markteintritt der DEAG mit seinen Festivals Rockavaria und Der Ring?

Folkert Koopmans: Wir spüren das natürlich im Headline-Bereich. Vor allem, weil den Bands viel mehr Geld geboten wird und wir das kalkulatorisch nicht machen wollen. Letztendlich haben wir uns dagegen entschieden mitzubieten. Sonst müssten wir unsere Eintrittspreise um 30-50€ anheben. Wir sind jetzt bei 139€ und wollen immer unter der magischen 150€ Grenze bleiben, während die anderen Festivals schon an den 200€ kratzen.
Für uns ist es wichtig, den Eintrittspreis halten zu können. Das bedeutet natürlich, dass wir den einen oder anderen Headliner nicht bekommen.

Festivalisten: Zumal die DEAG, wie man hört, weit über dem üblichen Marktpreis bezahlt.

Folkert Koopmans: Ja, das stimmt. Wir haben schon das eine oder andere Angebot abgegeben, das nach unserer Meinung fair und vernünftig war und konnten damit bei weitem nicht mithalten. Wir wissen aber, dass  unsere Festivals und auch das Line-Up gut sind, auch wenn wir nicht den allergrößten Headliner haben.

Festivalisten: Werden sich Hurricane und Southside 2015 also zwangsläufig auf ihre Indie-Wurzeln besinnen?

Folkert Koopmans: Da sowohl die MLK als auch DEAG Festivals sehr rockbetont ausgerichtet sind, gehen wir natürlich auch ein bisschen mehr in die Indie/Electro Richtung. Natürlich werden wir auch Rock-Acts dazwischen haben, aber zwangsläufig nicht so stark vertreten, wie man es in vergangenen Jahren schon das eine oder andere Mal erlebte.

Festivalisten: Eine komplett andere Zielgruppe anzusprechen könnte sich im Endeffekt auszahlen…

Folkert Koopmans: Das muss man sehen. Wir vertrauen da auch auf unsere Marke. Wir glauben, dass Hurricane und Southside gute Festivals sind. Nicht nur, weil wir ein gutes Programm haben, sondern auch auf eine gute Atmosphäre setzen. Letztendlich werden wir im Eintrittspreis um die 50€ günstiger sein und ich glaube, das ist kein unwichtiger Faktor. Wir müssen den Eintrittspreis sehr sensibel behandeln.

Festivalisten: Derzeit dominieren 10-15 teilweise in die Jahre gekommene Acts die Kopfzeilen der Festivals. Wen könnest Du dir als zukünftige, neue Headliner vorstellen?

Folkert Koopmans: Bei uns werden das dann eher Acts sein, die momentan 3-7000 Leute ziehen. Bands, die vielleicht auch erst ihr zweites Album veröffentlicht haben. Ich kann da leider noch keine konkreten Namen nennen, aber wir versuchen schon neuere Acts zu buchen, die bei uns noch nicht gespielt haben und momentan größer werden. Und das auch eher in der Indie Richtung. Zumindest in diesem Jahr.
Wir werden sicherlich auch den einen oder anderen größeren Headliner präsentieren, aber es gibt Bands wie zum Beispiel Muse, die hätten wir sehr gerne gehabt, aber da haben wir schlichtweg aus finanziellen Gründen verzichten müssen. Und da war es nicht so, dass man da 50.000€ hätte mehr zahlen müssen, sondern da geht es in Dimensionen, die nach unserer Meinung nicht mehr reell sind.

Festivalisten: Spielt der Festivalboom in den USA denn auch nochmal eine Rolle dabei?

Folkert Koopmans: Das tut er schon seit zwei-drei Jahren. Unser Problem ist konkret das Firefly Festival. Es findet parallel zu Hurricane und Southside statt. Dessen Veranstalter haben sich jetzt wiederum noch mit dem Coachella zusammengetan und ein zweites Festival gegründet. Dieses wird ebenfalls am gleichen Wochenende über die Bühne gehen.
Das heißt: es gibt eine Reihe Bands, die gar nicht mehr oder zumindest erst später nach Europa kommen. Im letzten Jahr sind als Beispiel hierfür etwa Vampire Weekend zu nennen.
Je weiter der Festivalmarkt in Amerika wächst, desto mehr wird uns das betreffen.

Festivalisten: MLK und DEAG haben jetzt schon seit einigen Wochen erste Bands für ihre Festivals bekanntgegeben. Von FKP Scorpio hörte man noch nichts. Lässt man sich von der Situation unter Druck setzen oder wartet man gelassen auf den Moment, an dem man die eigenen Karten auf den Tisch legen kann?

Folkert Koopmans: Da sind wir relativ entspannt. Man muss dazu sagen, dass frühe Bestätigungen Geld kosten. Je früher man einen Künstler veröffentlicht haben will, desto mehr kostet es. Das ist bares Geld, das man auf den Tisch legen muss.
Wir sind davon überzeugt, dass unser Festival gut ist, auch wenn wir erst Ende November ankündigen. Da machen wir uns eigentlich nicht so viele Gedanken. Wenn wir nervös geworden wären, dann hätten wir schon längst etwas bekanntgegeben. Aber es sind immerhin noch sechs Monate bis zu Hurricane und Southside.
Wir werden jedoch Ende November erste Acts bekanntgeben, gehen dabei aber unserer Linie nach und lassen uns nicht verrückt machen. Natürlich bekommen wir die Nachfragen auf Facebook oder im Forum mit, grundsätzlich aber ist der Tenor schon so, dass uns die Besucher vertrauen.
MLK und DEAG befinden sich da vergleichsweise in einer deutlich kritischeren Lage. Beide haben sich gegenseitig überboten, weil sie das räumliche Problem haben. Sprich: Sie liegen in der Eiffel nur 30 Kilometer entfernt voneinander. Auch im Süden (bei Rock im Park und Rockavaria) sind es nur 100km.

Festivalisten: Das A Summer’s Tale ist der letzte Neuzugang in FKP Scorpios Festivalportfolio. Versucht man sich damit vom Major-Festivalmarkt abzugrenzen?

Folkert Koopmans: Das A Summer’s Tale wird nochmal eine komplett andere Veranstaltung. Hurricane und Southside sind Musikfestivals. Bei A Summer’s Tale geht es nicht hauptsächlich um die Musik. Wenn ich jetzt einen Vergleich nehmen sollte, dann geht das ein bisschen in Richtung Latitude mit Theater und Lesungen. Man kann dort Kanu fahren, wir können Yoga anbieten, usw. In diese Richtung soll A Summer’s Tale auch gehen.
Wir möchten den Leuten einen kompletten Urlaub anbieten. Unsere bisherigen Festivals sind alleine auf Grund der ständigen Lautstärke und musikalischen Ausrichtung nicht unbedingt für Kinder geeignet. Doch hier wollen wir einen neuen Weg gehen, in dem wir auch gezielt Familien ansprechen.

Festivalisten: Wie sieht ein typischer Festivaltag für Dich aus? Gibt es den überhaupt?

Folkert Koopmanns: Einen typischen Festivaltag gibt es natürlich nicht. Ich würde sagen, dass ich gefühlte 50 Kilometer zu Fuß unterwegs bin. Ich begrüße einige Künstler und Manager, schaue vielleicht zwei mal für fünfzehn Minuten irgendwelche Shows an. Generell fallen viele Notizen an und der Festivaltag ist durchschnittlich etwa 18-20 Stunden lang.

Festivalisten: Bist Du denn im Vorfeld sehr in die Festivals involviert oder bist Du eher der, der über alles wacht?

Folkert Koopmans: Ich schaue schon auf jedes Festival. Grade auf europäischer Ebene sind das natürlich ganz schön viele, aber ich achte schon sehr auf die Konzepte und bin auch durchaus beim Booking involviert. 90 Prozent in diesem Bereich erledigen aber Stephan Thanscheidt und sein Team.
Wenn es zum Beispiel, wie beim gerade angesprochenen A Summer’s Tale, darum geht eine Richtung vorzugeben, dann bin ich natürlich dabei und möchte auch, dass meine Ideen umgesetzt werden.

Festivalisten: Machst Du dir beim Gang über ein Festival Notizen für mögliche Verbesserungen oder wird sowas erst in der Nachlese verarbeitet?

Folkert Koopmans: Wenn ich etwas sehe, das sofort gemacht werden kann, dann wird das auch direkt während des Festivals umgesetzt. Ansonsten fliesst es mit in die Nachbesprechung ein und wird für das nächste Festival eingeplant.

Festivalisten: Rockstars sind oft von Skandalen umgeben. Die einen mehr, die anderen weniger. Bei einigen Bands erlebst du doch mit Sicherheit Geschichten, die besser aus der Öffentlichkeit gehalten werden sollten. Ist es da nicht manchmal schwer Diskretion zu bewahren?

Folkert Koopmans: Als Dienstleister sind wir genau dazu da, dass die Künstler ihre Ruhe haben. Dazu gehört, dass wir eventuelle Fehltritte für uns behalten was ich auch sehr gerne mache. Da habe ich jetzt leider auch keine Geschichte auf Lager.

Festivalisten: Aber es gibt solche Momente.

Folkert Koopmans: Ja, so was gibt es. Hier und dort kann ich auch mal was erzählen, aber da passe ich schon genau auf was und auch nur wenn dann schon 20 Jahre vergangen sind. Grundsätzlich finde ich es sehr wichtig auf die Privatsphäre der Künstler zu achten.

Festivalisten: Von den Fans der großen, konkurrierenden Festivals wird ja immer eine gewisse Rivalität erzeugt. Hurricane ist viel toller als Rock am Ring und umgekehrt. Lässt man sich da als Veranstalter anstecken oder sitzt du im Winter mit Marek Lieberberg zusammen, trinkst ein Bier mit ihm und lachst darüber?

Folkert Koopmans: Ich kann jetzt nicht für alle sprechen. Wenn man von Rivalität spricht, dann wird es mit Sicherheit zwischen Der Ring und Rock am Ring eine geben. Aber da müsstest du Marek Lieberberg oder Ossy Hoppe fragen.
Ansonsten gibt es einfach eine gesunde Konkurrenz. Man spricht schonmal hier und da miteinander. Aber schlapp lachen tun wir uns da nicht, ganz im Gegenteil. Wir nehmen das schon alles sehr ernst. Letztlich schaue ich auch nicht unbedingt was die anderen machen, sondern möchte, dass mein Festival sehr gut ist und bei den Leuten ankommt. Grade in diesem Jahr wird sich das dann auch nochmal besonders zeigen, weil wir jetzt noch extremer darauf achten müssen unseren bisherigen Weg weiter zu gehen, statt jetzt den noch größeren Act für noch mehr Geld einzukaufen.
So wie es zur Zeit auf dem Festivalmarkt läuft, ist es nicht gut für die Festivalwelt. Das gilt auch für die Ticketpreise. Ich glaube, dass es früher oder später nach hinten losgeht, wenn man da nicht entsprechend sensibel mit dem Festivalpublikum umgeht.

Festivalisten: Und als wäre das nicht alles schon genug, mischt sich im September auch noch das Lollapalooza in Berlin ein.

Folkert Koopmans: Auch dort werden Künstler spielen, die wir sicherlich gerne gehabt hätten. Es ist für uns aber wahrscheinlich kein großes Problem, da wir terminlich und örtlich doch relativ weit weg vom Lollapalooza sind.
Das kann später schon eine Rolle spielen, aber auch die Veranstalter müssen sich erst einmal beweisen. Berlin hat in den letzten Jahren kein finanziell erfolgreiches Festival hervorgebracht. Ich habe mir das originale Lollapalooza in Chicago angeschaut und auch das sind letztendlich sechs Bühnen und eine Menge Fast Food Buden. Es ist natürlich in einem wunderschönen Park und man blickt auf die Skyline von Chicago, aber das ganze auf Berlin umzusetzen halte ich für nicht so leicht. Das Berlin Festival hat es jahrelang versucht und ist gescheitert. Wenn man bspw.  nach außen sagt, dass man 30.000 Besucher hat, dann mag das vielleicht schön klingen, aber wenn man 50.000 bräuchte, dann ist das finanziell nicht tragbar.
Berlin ist viel preissensibler als andere Gegenden in Deutschland. In der Stadt kann man nunmal alles haben. Da spielt jeder. Warum sollte man dann noch zu einem Festival in der Stadt gehen? Wenn in Norddeutschland das Hurricane stattfindet, dann ist das für die gesamte Gegend ein Highlight, denn ansonsten müsste man Minimum eine Stunde beispielsweise nach Hamburg fahren um Konzerte zu sehen.

Festivalisten: Wobei die Peripherie im Falle AREA 4 kein erfolgreiches Konzept war. Trotz ländlicher Lage musste man das Festival 2012 endgültig auf Eis legen.

Folkert Koopmans: Das AREA 4 hatte letztlich das Problem, dass es ein bisschen zwischen den Stühlen saß. Das Gelände war nicht groß genug um ein 40.000er Festival zu machen, was man eigentlich mit den entsprechenden Acts hätte machen müssen. Auf der anderen Seite gibt es sehr viele Festivals im 15.000er Bereich an denen das AREA 4 letztendlich gemessen wurde. Da gibt es dann Festivals wie das Serengeti, Open Flair oder Taubertal: kleinere Festivals, die sich zwischen 12.000 und 20.000 Zuschauern bewegen und von denen es einfach zu viele gibt. In diesem Pool konnte sich das AREA 4 nicht durchsetzen. Es war ein schönes Festival, wir haben es aber zu teuer produziert und hätten es größer produzieren müssen, was aber auf dem Gelände einfach nicht möglich war.
Es gab auch einen See direkt neben dem Gelände. Es bestand immer die Hoffnung, den irgendwann als Badelandschaft dazu zu bekommen. Leider aber wurde er nie freigegeben.
Wenn man mehrere Jahre hintereinander sechsstellige Summen verliert, dann muss man sich irgendwann auch eingestehen, dass es so nicht funktioniert.

Festivalisten: Gab es Momente, in denen Du es bereut hast diesen Beruf auszuüben?

Folkert Koopmans: Nein, eigentlich nie. Klar, es gibt immer mal Momente wie 2006 beim Hurricane, als ein unfassbares Unwetter runterkam. Da fragt man sich schon mal, was man da eigentlich macht. Oder 1999, als Marylin Manson nach 15 Minuten von der Bühne ging und verschwand. Das sind nicht die Momente, die man haben möchte. Aber es gehört dazu.
In solchen Situationen denkt man auch nicht daran, ob man die Berufswahl jetzt bereut. Man führt seine Profession aus und versucht die Situation zu lösen. Ich denke, dass wir einen Traumjob haben.

 

Vielen Dank für das offene Gespräch.

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