Live

Gurten 2011: Der Freitag

Thomas Peter

Festivalfficionado, Fotodude

Neurobiologe, Festivalliebhaber. Verdient seine Brötchen mit Webseitenkonsulting (Strategische Planung, Erstellung, Pflege) bei 70six.de.

Alle Fotos: Thomas Peter

Die Nacht war kurz und kalt. Meine französischen Nachbarn zur Rechten hatten Spass daran gefunden, jede Stunde einmal in voller Lautstärke etwas zu intonieren, was vom kurzen, abgehackten Stil her an Louis de Funès erinnerte. Auch ansonsten hatten sie den Sinn der Ruhezone genausowenig verstanden wie die Engländer links hinten. Irgendwann fielen mir dank Stöpseln in den Ohren die Augen zu. Muss gegen 4 Uhr gewesen sein. Nur  die Bässe der Tanzzelte kamen zu dieser Zeit noch über den Hügel herüber.

Gegen 8:30 Uhr stieg die Temperatur im Zelt rapide an. Sonne empfing einen beim Öffnen der Front und sollte auch den weiteren Vormittag vom Himmel lachen. Nach der Dusche gings zum Einkaufen und auf ein Bircher Müesli in die Stadt. Die an den Tag gelegte Hektik hätte es im Rückblick gar nicht gebraucht. Sehr zu meinem Erstaunen war bei der Rückkehr gegen 11 nämlich nämlich noch kein Rückstau an der Gurtenbahn vorhanden. 15 Minuten später wandelte ich deshalb schon wieder auf dem Berg und hatte den Security am Bühneneingang hinter mir gelassen.

Royal Republic war die erste Band, die am Freitag auf die Bühne trat. Eine undankbare Aufgabe dies auf der Hauptbühne zu tun. Im Zelt war nämlich später bei I Blame Coco wesentlich mehr los. Allein schon deshalb, weil dort Schutz vor der Sonne geboten wurde. Adam Grahn nahms gelassen und haute wie gewohnt einen lockeren Spruch nach dem anderen heraus. Beispiele? Wenn die Crowd jetzt bei Full Steam Space Machine nicht springen würde, käme er nach unten, würde die Hose runterlassen und mit seinem besten Stück um sich schlagen. Später im Konzert zeigte er sich verwundert: Man hätte ihnen eigentlich gesagt, das sei ein Festival voller Jungfrauen..
Mit einer Extended-Version von Tommy-Gun verabschiedete sich Royal Republic knapp 10 Minuten vor der veranschlagten Spielzeit – mit nur einem Album unterwegs zu sein und eine Stunde zu füllen ist halt nicht ganz einfach.

Kontrastprogramm zum mitreissenden Rock folgte auf dem Fuss im schattenspendenden Zelt. I Blame Coco absolvierten dort ihr 75 Minuten-Set. Ihre Spielart des Synthie-Pop ist nicht jedermanns Sache und wartet auch kommerziell noch auf den echten Durchbruch. Im Gurtenzelt aber war die Stimmung gut und die ersten Reihen durchweg mit weiblichen Anhängern bestückt. Ob einige davon beim Anblick von Eliot Paulina „Coco“ Sumners Outfit vom Glauben abgefallen sind, ist nicht überliefert. Das Potential dazu hatte das zur Schau getragene Hemd zweifellos.
Bei der Autogrammstunde präsentierte sich die Tochter eines bekannten Musikers wesentlich aufgeräumter.

Glasvegas – was soll man zu dem Auftritt sagen ohne sich den Zorn der Fangemeinde zuzuziehen? Er wurde routiniert runtergespielt? Mir fehlt im Tun der Band irgendwie das Feuer. Aber vielleicht soll das ja genauso sein. Einmal wurde während eines Songs abrupt unterbrochen. Was zunächst einen Verspieler vermuten lies, endete in einer länglichen Ansage ans Publikum. Deren genauer Inhalt konnte ich nicht verstehen, aber mir wurde zugetragen James Allan habe mehr Publikumsbeteiligung eingefodert. Dagt sich so leicht. Er hat ja nicht schon den dreiviertel Tag in der Sonne verbracht.

Dass die Sonne kein Hingerungsgrund darstellen muss zeigten Blumentopf im Zelt. Immer wieder schwappten Schreie einer euphorisierten Menge den Berg hinunter. Muss also auch gut gewesen sein, während ich hier die Bilder aussortierte.

Mein heimlicher Favorit heute waren die Beatsteaks. Fernab von riesigen Menschenmassen, quasi im kleinen Kreis erwartete ich ein intimes Konzert. Die Berliner präsentierten sich spielfreudig, reihten in schneller Folge Lied an Song. Publikumsansagen kamen zwar, wurden aber kurz gehalten. Die Momente des Konzerts für mich: Als in der Schweiz “Hey Du” angestimmt wurde und Arnim Teutoburg-Weiß zum Pogen aufrief. Man würde die dafür fällige Strafe auch zahlen, meinte er. Ob es diese Regelung wirklich gibt, ist unklar. Ob die Beatsteaks drumrum kommen wenn – auch. Üblich ist es jedenfalls nicht. Und bei vor der letzten Zugabe, die mit “Let Me In” endete, wandte sich Arnim an der Absperrung in den Fans stehend an einen solchen mit der Frage: “Was hast Du denn mit Deiner Nase gemacht?”

Krasser Kontrast im Zelt. Mit den letzten Tönen der Beatsteaks startete dort das Konzert der eidgenössischen Sophie Hunger. Während die Berliner vor Kraft strotzen, klingt der von der Singer/Songwriterin und ihrer Band im Halbdunkel ausgelebte Mix aus Jazz, Pop und Folk eher zerbrechlich anklagend. Ein bisschen auch wie aus einer anderen Welt.

Kasabian beendeten ihren stimmungsvollen Auftritt mit “Fire” und waren damit bis in den frühen Morgen hinein in aller Munde. Viele gut gelaunte Besucher intonierten das Lied immer wieder während sie sich auf dem Gelände bewegten.
Mit gefiel die Show diesmal wirklich gut, auch wenn ich immrnoch der Meinung bin sie bräuchte mal etwas frisches Blut in form von neuem Songmaterial.

Letztes Konzert des Abends sollte für mich The Streets werden. War nicht so geplant, aber bei einem kurzen Zwischenstopp im Zelt zog ich dauerhaft die Horizontale weiterem Umherwandern vor. Von Underworld, die ihren schon 2010 geplanten Auftritt nachholten, weiss ich also nichts zu berichten. Gleiches trifft auf Bloody Beetroots DC 77 zu.
Mike Skinner ist ein durchaus lustiger Zeitgenosse. Wenn er vom Publikum nicht damit beschäftigt wurde Aufblasebälle zurückzuschiessen sprang er von links nach rechts über die Bühne und rappte die Songs, die aus seinem Leben gegriffen wurden. Vielleicht war es eine der letzten Chancen im zu lauschen, will er doch mit dem Album “Computers und Blues” im wahrsten Sinne von der Bühne abtreten.

Wir bangen hier etwas um den morgigen Samstag. Plan B, vorgesehen im Zelt um 23:15 Uhr , haben ihren Auftritt wegen gesundheitlicher Probleme absagen müssen. Als Ersatz springen die Schweizer Kummerbuben im Zelt ein. Sie spielen allerdings bereits um 14 Uhr. Will heissen: Der Rest der Bands rückt nach oben nach.
Bei Headliner Jamiroquai geht man davon aus, dass er kommt – obwohl sich Frontmann Jay Kay Anfang der Woche einen Leistenbruch zugezogen hat. Dem fielen die Konzerte am 13. Juli in Straubing und am 14. Juli in Mainz zum Opfer. Vom Bandmanagment gibt es aber zumindest für den Sonntag in Ulm grünes Licht.

+1
0
+1
0
+1
0
+1
0
+1
0
+1
0