Hurricane: YouChip RFID Cashless System mit Anlaufproblemen beim Download Festival

Geprüft und bewährt soll es sein, das bargeldlose RFID-Zahlungssystem vom deutschen Anbieter YouChip. Beim Hurricane wird es als alleiniges Zahlungsmittel zum Einsatz kommen. Die Performance beim ähnlich stark besuchten Download in England vergangenes Wochenende liefert allerdings Wasser auf die Mühlen der Systemskeptiker.

[Edit 16.06., 23:00 Uhr: 3 Stunden nach der Erinnerung des Hurricane an die auslaufende Onlineregistrierungsfrist am morgigen Mittwoch, 18 Uhr, ist die Registrierungsseite down. Auf Facebook häufen sich die Beschwerden.]

Gleiche Argumente

Parallelen zum Hurricane sind offensichtlich. Auch beim Download wurden die Kartenhalter spät -Anfang Mai 2015- mit der Neuigkeit konfrontiert, dass das Major Festival komplett und ausnahmslos auf bargeldloses Bezahlen umgestellt wird.
Geworben wurde für diese Massnahme genau wie bei FKP Scorpios Steckenpferd mit kürzen Transaktions- und Wartezeiten an den Ständen und einem Plus an Sicherheit durch die Ausgrenzung von Bargeld.
Die in Anspielung an das Maskottchen “Dog Tags” getauften RFID-Chips am Wristband des Download hätte man im Vorfeld zuhause mit Geld aufladen können – was allerdings eine Registrierung erfordert hätte. Genau wie beim Hurricane.

Sei es pure Faulheit oder die vorgeschaltete Registrierung, eine Menge der geschätzt 50000 Dauergäste und 20000 Tagesbesuchern des Download Festivals scheinen jedenfalls auf eine Aufladung vorab verzichtet zu haben. Konsequenz: Das Aufladesystem vor Ort war überlastet und kam in den ersten 24 Stunden fast komplett zum Erliegen.

Zudem beschweren sich Besucher, ihre Bänder seien nicht mit ihren Ticketbarcodes verlinkbar gewesen und aufgeladenes Guthaben hätte bis zu 24 Stunden gebraucht, bis es verfügbar gewesen wäre.
Lange Schlangen bildeten sich an den völlig überlasteten RFID-Infopoints. Und einige Downloader mussten dort nach eigenen Angaben sogar mehrfach antreten, weil die Probleme blieben bzw. erst am nächsten Tag gelöst werden konnten.

Lautstarke Kritik in Sozialen Medien

Massive Kritik verständnisloser Betroffener war die Folge. Von “nutzlos” bis “totaler Witz” wurde in den Social Media Kanälen alles geboten. Beispiele bei Twitter:

https://twitter.com/_beatazienko/status/610367496986718208

Debbie Chapman machte ihrem Ärger auf Facebook Luft: “Absolute joke. Cashless? More like clueless. Staff are ill equip to deal with this. Not enough support of the cashless info staff. Spent 2 hours in a queue to pretty much be told come back in the morning. No bed. No food. No good download absolute amateurs.”

Sinnbild für diese Phase ist folgender amüsanter Tweet. Er zeigt einen Cashless Aufladeautomaten, auf den provisorisch ein Hinweis “Nur Bargeld” geklebt wurde. Es ist wahrscheinlich nicht gemeint, wie wir es verstehen wollen. Dennoch entbehrt es nicht einer gewissen Komik.

Von Seite des Download Veranstalters stellt man sich vor das System. Es habe nur vereinzelt Probleme bei 1% der Armbänder gegeben. Auf die “kleinen technischen Probleme” hätte man mit der raschen Öffnung weiterer Helpdesks reagiert und die Schlangen seien so verschwunden. Dennoch entschuldige man sich bei den Betroffenen und werde weiterhin mit Hingabe an der Verbesserung des Systems arbeiten.

Fakt ist aber: Selbst wenn die Probleme tatsächlich nur 1% der Besucher betrafen: das wären 1200 Leute, die bis zu 24 Stunden lang mit dem Chip zu kämpfen hatten. Schlimmer noch: In dieser Zeit auch nichts auf dem Gelände kaufen konnten! Wenn so ein System zur Anwendung kommt, dann muss es einwandfrei und verlässlich für alle funktionieren. Vom ersten Tag an. Und vor allem muss sich die Technik subtil im Hintergrund halten und darf keinesfalls den Tagesablauf bestimmen.

… aber auch Lob für die Innovation

Und tatsächlich gibt es nicht nur Kritik. Auf Twitter halten sich Lob und Tadel in etwa die Waage.

Technische Gedankenspiele

Der britische IT-Dienstleister Chameloen Webservices hat sich so seine Gedanken über die Gründe für die Pleite am Eröffnungstag gemacht. Man sieht die Akzeptanz und das Vertrauen in eines solchen Zahlungssystem angekratzt. Vier denkbare Fehlerquellen werden aufgeführt.

  1. die API könnte nicht auf so viele Menschen in so kurzer Zeit ausgelegt gewesen sein; Tests in so grossem Masstab liessen sich im Vorfeld nur schwer realisieren
  2. man verliess sich auf eine funktionierende Telefonetzabdeckung, damit Besucher per App ihr Guthaben hätten aufladen können; WLAN und Telefonnetz waren aber gänzlich überlastet – wie eben an einem Festival üblich
  3. das System ist möglicherweise nicht auf “Offline”-Nutzung ausgelegt, speichert eventuell keine Daten temporär, die bei Wiederherstellung einer Verbindung mit der bestehenden Datenbank abgeglichen werden können
  4. die Server des System waren vielleicht einfach nicht auf die Lastspitzen vorbereitet

Glück auf, Hurricane

Dem Hurricane und seinen Festivalisten bleibt eine ähnliche Geduldsprobe am kommenden Wochenende hoffentlich erspart.
Als entschiedener Kritiker des Anlegens eines Accounts zum Zwecke das bargeldlose Bezahlens -Stichwort: gläserner Besucher- muss ich eucht trotzdem raten, genau das zu tun und vorab Geld auf den vor Ort augehändigten Chip zu laden. So minimiert ihr die Wahrscheinlichkeit Probleme auf dem Platz zu bekommen, seid dabei aber weniger anonym unterwegs. Bloss: Sobald man sich am Ende des Festivals nicht in die Schlange einreihen möchte, an der die Restbeträge des Armbands ausgezahlt werden, kommt man um eine Registrierung sowieso nicht herum. Letzlich muss jeder selber entscheiden, was ihm wichtiger ist. Der aus den RFID-Bändern resultierende Komfort oder die Preisgabe schön vernetzbarer, persönlicher Daten.

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Thomas Peter

ein diplomierter Biologe mit starkem Hang zu Fotokamera und der besonderen Festivalatmosphäre.