Anmerkung: Es handelt sich hierbei um die Meinung eines einzelnen Redakteurs, die nicht zwangsläufig den Standpunkt der gesamten Festivalisten-Redaktion widerspiegelt.
Ihr kennt das: die Band dort auf der Bühne spielt ihre größten Hits, eingänige Gitarrenriffs treten dem Publikum in den Hintern. Die Stimmung ist am Siedepunkt, Schweiß tropft von den Wänden. Klar, dass in solchen Momenten kein Fuß dauerhaft am Boden bleibt. Problematisch wird es allerdings dann, wenn Füße dauerhaft den Untergrund verlassen. Wenn sich Konzertbesucher anschicken, auf der Welle der Euphorie über das Publikum zu surfen. Ein Kommentar zum Crowdsurfing – vor dem Hintergrund aktueller Ereignisse.
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Nun, man mag argumentieren, dass dem Bad auf der Menge anno 2014 immer weniger Bedeutung beizumessen ist. In Zeiten von eng gestaffelten Wellenbrechern und Armadas von Smartphones, die das Geschehen auf der Bühne aufzeichnen, hat die gesellschaftliche Akzeptanz des Crowdsurfings vielleicht einen historischen Tiefpunkt erreicht – zumindest wenn man die marktdominierenden Majorfestivals sowie mittelgroße bis riesige Konzertevents betrachtet. Doch insbesondere bei Clubkonzerten oder kleineren Open-Air-Events (meist mit einem signifikanten Anteil an Punk Rock) spielt Crowdsurfing noch immer eine nicht zu unterschätzende Rolle.
Rock ‚N‘ Roll?
Klar, gerade weil Crowdsurfing mittlerweile auf vielen Festivals verboten ist, erscheint es für die entsprechende Klientel reizvoll und als eine Art rebellischen Akts. Ein kleiner Mittelfinger im Antlitz des Establishments, ein kleines bisschen Rock ‚N‘ Roll als Abwechslung zum Alltagstrott.
Doch auch Rock ‚N‘ Roll hat Grenzen. Und die sind spätestens dann erreicht, wenn sich Personen mit dreistelligen Körpergewichten (no offense, ich gehöre in die gleiche Kategorie) ohne jegliche Körperspannung wie nasse Säcke auf Konzertpublikum fallen lassen, von dem sie jedoch erwarten, im wahrsten Sinne des Wortes, auf Händen getragen zu werden. Wenn ich ein Konzert besuche, dann möchte ich in der Musik versinken. Dann möchte ich tanzen. Oder ich möchte im Moshpit Staub fressen. Was ich aber in keinem Fall will, sind Schuhe, Ellenbogen oder Nietengürtel ohne Vorwarnung im Gesicht. Denn genau das ist einer der beiden großen Unterschiede zwischen einem (geregelten) Moshpit und dem Crowdsurfen: ein Moshpit ist vergleichsweise berechenbar.
Das andere große Unterscheidungsmerkmal ist der Grad der Freiwilligkeit. Betrete ich einen Moshpit, weiß ich in der Regel ganz genau, worauf ich mich einlasse und suche bewusst den harten Körperkontakt. Darüberhinaus habe ich durch die vergleichsweise lockere Anordnung der Zuschauer jederzeit die Möglichkeit, den Moshpit zu verlassen. Beim Crowdsurfen ist die Situation grundlegend anders gelagert. Um einen Crowdsurfer tragen zu können, ist das Publikum naturgemäß dichter gedrängt. Ein Ausweichen ist nahezu unmöglich. Auch Personen, die dem Crowdsurfen ablehnend gegenüber stehen, werden gezwungen, Teil dieser Aktion werden. Crowdsurfing ist also im Kern höchst asozial und ein von mangelnder Empathie zeugendes Verhalten.
Fakten, Fakten, Fakten
Anhänger dieser umstrittenen Praxis mögen mir nun vorwerfen, ich läge typisch deutsche Spießigkeit an den Tag. Klar, kann man so sehen. Allerdings gibt es handfeste Fakten, deren Bedeutung auch Befürworter des Crowdsurfings kaum ignorieren können. Denn Fakt ist: Crowdsurfing ist gefährlich. Crowdsurfen stellt eine Gefahr für die Gesundheit aller Beteiligten dar und kann im Extremfall sogar zum Tod führen. Glaubt man nicht? Sollte man aber. Denn Ende Januar diesen Jahres verstarb ein 28-jähriger Schweizer an den Folgen eines Sturzes beim Crowdsurfing. Bei der Schweizer Station der Persistence Tour traten unter anderem Suicidal Tendencies auf.
Auch die US-amerikanische Band Fishbone kann ein Lied zu den Folgen des Crowdsurfens singen. Immerhin verdonnerte ein Richter aus Pennsylvania die Band kürzlich zu einer Schadensersatzzahlung von rund 1,4 Millionen US-Dollar. Grund: Im Februar des Jahres 2010 stürzte eine Frau beim Versuch des Crowdsurfens und verletzte sich schwer.
Crowdsurfende Künstler?
Eine kopflose Gleichmacherei kann und soll allerdings nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Ein rigoroses und allumfassendes Verbot ist einfach nicht zielführend. Denn bei allen Nachteilen, die das Crowdsurfen mit sich bringt, gilt noch immer: Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe. Crowdsurfende Künstler sind also durchaus akzeptabel, werden so doch immerhin für einen kurzen Moment ein Gemeinschaftsgefühl sowie Nähe zu den Fans in den ersten Reihen geschaffen. Elementare Grundvoraussetzung ist jedoch, dass sich ein Künstler auch in dieser vermeintlich anarchischen Aktion der Gefahren und der Verantwortung gegenüber dem Publikum bewusst ist. Ist er das nicht, endet das vermeintliche Spektakel wohlmöglich in einer Tragödie wie der von Charles Haddon, dem Sänger und Frontmann der ehemaligen britischen Synthie-Pop-Band Ou est Le Swimming Pool. Dieser nahm sich auf dem Pukkelpop Festival 2010 das Leben nachdem er beim dortigen Auftritt mit den Beinen voran ins Publikum gesprungen war und eine Frau schwer verletzte.
Fazit
Bei aller Freude, die das Crowdsurfen für den auf Händen Getragenen bietet: Es handelt sich um eine höchst eigensinnige Aktion. Einen Mehrwert bietet das Crowdsurfing nur für eine einzige Person – auf Kosten des Vergnügens vieler anderer. Deshalb wäre es schön, wenn das nächste mal, wenn Riffs und Soli Bewegungsanreize setzen und der Schweiß von den heißen Wänden des Clubs tropft, alle Füße zeitnah wieder auf dem Boden der Tatsachen landen.
Und schon wieder ein Artikel von jemand, der den Unterschied zwischen Stagediving und Crowdsurfing nicht verstanden hat.
Stagediving: Sprung von der Bühne in die Menschenmenge
Crowdsurfing: Von der Menschenmasse tragen lassen.
Stagediving wird im Normalfall (also wenn der Springer aufgefangen wird) durch Crowdsurfing fortgesetzt.
Im Gegensatz dazu lassen sich die meisten Crowdsurfer jedoch mit Hilfe von Personen in der unmittelbaren Umgebung (ohne Sprung von einer Bühne oder ähnlichem) kontrolliert nach oben heben.
Der Unfalltod des 28jährigen in der Schweiz geschah beim Stagediving (er ist von der Bühne gesprungen und wurde dabei (leider) nicht aufgefangen) und NICHT beim Crowdsurfen.
Auch der Vorfall in den der Fishbone-Frontman Angelo Moore verwickelt war, welcher die 1.4Mio $ Schadensersatz zur Folge hatte, ereignete sich (wieder) NICHT beim Crowdsurfen, sondern beim Stagediven.
Genauer: Moore sprang während eines Auftritts selbst in die Menge, wobei er eine Frau traf welche daraufhin zu Boden fiel und sich uA einen Schädelbruch zuzog. Ein Großteil der Schadensersatzsumme muss Moore zudem „nur“ deswegen zahlen, weil er sich vor Gericht wohl sehr unkooperativ verhielt und weder ein Schuldeingeständnis noch Mitleid oä zeigte.
Auch der Unfall mit anschließendem Selbstmord des Frontmans von Ou est Le Swimming Pool beim Pukkelpop Festival 2010 ereignete sich (Zitat) „nachdem er beim dortigen Auftritt mit den Beinen voran ins Publikum gesprungen war und eine Frau schwer verletzte“.
Erneut handelte es sich hierbei um eine Verletzung beim Stagediving und nicht wegen Crowdsurfens.
Ich möchte das Crowdsurfen hier nicht als völlig unproblematisch verteidigen, aber man sollte, wenn man schon einen Artikel gegen das Crowdsurfen schreibt, zumindest den Unterschied zwischen Crowdsurfing von Stagediving kennen und dann erstrecht nicht mit „Horrormeldungen“ kommen, welch schlimme Konsequenzen dass Crowdsurfen haben kann, wenn diese in Wirklichkeit aber allesamt nicht beim Crowdsurfen entstanden sind.
Insbesondere, wenn dieser Abschnitt die Überschrift „Fakten, Fakten, Fakten“ trägt.
Ich stimme dir vollkommen zu, wenn du an die Vernunft der Crowdsurfer appelierst!
Wer bei einem Konzert/Festival/etc. crowdsurfen will, sollte sich zum einen über sein eigenes Körpergewicht im klaren sein und zum anderen auch darüber, wie sich die restlichen Zuschauer zusammensetzen (mit 80kg kann man einfach nicht crowdsurfen, wenn der Großteil der Zuschauer 14-16jährige Teenies sind). Insbesondere sollte man auch die von dir angesprochene Körperspannung beherschen und Füße und Ellenbogen in der Luft halten.
Nietengürtel und ähnliches sollten (zumindest auf Großveranstaltungen mit breitem Publikum) vernünftigerweise ebenfalls tabu sein.
Ich stimme ebenfalls mit Luke überein, dass es echt nervend sein kann, wenn man immer und immer wieder die selbe Person nach vorne tragen muss, und diese sich, kaum vorne angekommen, wieder hinten reindrängt, nur um sich erneut nach vorne tragen zu lassen.
Dennoch möchte ich das Crowdsurfen nicht verteufeln. Es gehört meines Erachtens zu einem vernünftigem Rockkonzert eben dazu, genauso wie der von dir angesprochene Moshpit. Auch hier findet man immer genügend Leute (insbesondere zu Beginn eines Konzertes, wenn sich der/die Moshpit/s erst noch bildet/bilden) die meckern, sie wären zuerst da gewesen und man sollte gefälligst woanderst pogen.
Um nocheinmal auf die angesprochene Körperspannung und die damit verbundene Problematik einzugehen, dass man als unbeteiligter plötzlich einen Stiefel im Gesicht hat.
Ich persönlich bin schon vor Jahren dazu Übergegangen, mich nicht von hinten nach vorne tragen zu lassen, sondern von vorne nach hinten (dennoch mit Blick zur Bühne). Ist genauso spaßig, und jeder hinter mir sieht früh genug, was auf ihn zukommt.
Hey…finde deinen Artikel sehr gut und sehe den ganzen Sachverhalt ähnlich…für mich gibt es jedoch eine Ausnahme, wann Crowdsurfing für mich absolut in Ordnung ist: und zwar wenn es auf Grund organisatorischer oder inkompententer Konzert-/Festivalbesucher, nicht möglich ist den Bereich vor der Bühne oder wo auch immer zu verlassen…(meistens bei dehydrierten mädels und großer hitze zu beobachten)…wäre für mich die einzige Ausnahme…was man ansonsten auf vielen Festivals und Konzerten sieht ist genau wie du sagst asozial. Teilweise schaffen es Leute gefühlte 10 mal vom Wellenbrecher wieder in die Bereiche vor der Bühne…und das ganze Procedere wiederholt sich…sowas finde ich extrem nervig und egoistisch…vor allem wenn man sich selbst dann auch noch so geil findet und meint „hey du arsch trag mich“…super war auch ein verschwitzter Kerl beim Rock´N´Heim Festival letztes Jahr…er wog mindestens 120kg war wie gesagt äußerst verschwitzt und lediglich mit einem Boxershort bekleidet….leider hatte er dieses als Mundschutz zweckentfremdet…
so lang sich einfach jeder so verhält dass er den anderen nicht mehr als nötig auf den sack geht können alle ihr vergnügen auf festivals und konzerten haben…