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Blick zurück auf Rock im Park 2025: Kurzweilig und regnerisch

12. Juni 2025

Das 30-jährige Jubiläum von Rock im Park lieferte exakt das ab, was laut der Prognosen im Vorfeld zu erwarten war: Kurzweilig, regnerisch und trotzdem unvergesslich. Vom 6. bis 8. Juni 2025 verwandelte sich das Nürnberger Zeppelinfeld in jenen authentischen Ort, wo eine Rekordzahl von 88.500 Menschen beweisen, dass echte Leidenschaft für Musik weder Regen noch organisatorische Pannen fürchtet.

Ganz persönlich kam ich wieder mit den Inhalten im Liveblog kaum hinterher. Es warten noch etwa die Hälfte der Bandfotos darauf, bearbeitet zu werden und online zu kommen. Ein Unterfangen, das möglicherweise erst nach dem Southside abgeschlossen wird.
Mein typischer Zusamenbruch am Sonntag blieb diesmal aus, was die Kollegen sehr verwunderte. Schliesslich war nichts sicherer, als dass ich sonntags im Park nur ein Schattendasein führte in den letzten Jahren. Komplett angeschaut hab ich die Sets von Korn, Falling in Reverse und Weezer. Ansonsten kam ich zumiest nicht über die ersten 3 Songs hinaus, die wir im Bühnengraben verbringen durften.
Was dieses Jahr massiv eingerissen ist, sind die “Verweigerungen” in Sachen Foto. Slipknot, Bring Me The Horizon, Powerwolf, The Prodigy bis hin zu Poppie verweigerten sich uns Fotografen oder ließen nur einen Bruchteil von uns zu. Es gab Zeiten, da nahm ich sowas persönlich. Aber die sind glücklicherweise schon lange vorbei.
Fest vorgenommen hatte ich mir, mindestens mal einen Blick auf die Atmos Stage zu werfen. Realisiert wurde das aber leider nicht. Wie viele andere ließ ich mich von dem Laufweg dorthin abschrecken. Es entsprach einfach nicht meinem Fotografierythmus Utopia-Mandora und zurück.

Mit die traurigsten Personen am Gelände waren definitiv die Eisverkäufer. Da ging wirklich wenig bis gar nichts – zumindest nicht an den mobilen Ständen. Und auch die Getränkestände waren wetterbedingt eher mau ausgelastet. Es dürfte also kein Einstand nach Maß für Anheuser-Busch InBev als Biersponsor und ihrem Produkt San Miguel gewesen sein.

Die spektakuläre Linkin Park-Ankündigung für 2026 setzte den emotionalen Höhepunkt: Während bei Rock am Ring ein koordiniertes Feuerwerk den Himmel erleuchtete, wurde die Nachricht bei Rock im Park mit deutlich weniger pyrotechnischem Aufwand verkündet – ein Unterschied, der die eigenständigen Charaktere der Schwesterfestivals unterstreicht. Mike Shinodas sechster Auftritt beim Festival, diesmal mit Emily Armstrong als Co-Lead-Sängerin, wurde dennoch mit entsprechender Euphorie aufgenommen. Der Vorverkauf begann vorgestern und pulverisierte bisherige Vorverkaufsrekorde.

Vier Bühnen, hundert Acts und die Realität des deutschen Wetters

Rock im Park 2025 war größer als je zuvor: 100 Acts verteilten sich erstmals auf vier Bühnen, die neue “Atmos Stage” gesellte sich zu den etablierten Utopia, Mandora und Orbit Stages. Das Line-up zeichnete sich durch seine bemerkenswerte Vielfalt aus – von Slipknots brachialer Intensität über Sleep Tokens atmosphärische Dichte bis hin zu K.I.Z’ intellektuellem Deutschrap.

Die Wetterbedingungen offenbarten eine geradezu poetische Präzision: Regen setzte immer exakt dann ein, wenn die nächste Band anfing zu spielen – als hätte Petrus persönlich den Timetable studiert. Der Höhepunkt dieser meteorologischen Dramaturgie ereignete sich am Sonntag vor Weezer und Bring Me The Horizon, als eine externe Dusche das Publikum in jenen Zustand kollektiver Resignation versetzte, der paradoxerweise die besten Festival-Momente hervorbringt.

Das Wetter erwies sich als nervig, aber nicht als Dealbreaker: Bei relativ warmen Temperaturen an allen drei Tagen und mit der entsprechenden Regenausrüstung des geübten Festivalisten blieb der Marsch zwischen den Bühnen auch mit Sneakern machbar. Die Mandora Stage erhielt eine Strohschicht zur Matschbewältigung, während die Utopia Stage seltsamerweise ohne diese Vorkehrung auskommen musste. Pfützen wurden versucht abzugpumpen, allerdings mit zeitlicher Verzögerung – so drastisch, dass am Samstag die Mandora Stage bis zwei Minuten vor Showbeginn aufgrund der Fahrzeuge gesperrt bleiben musste. Fit For An Autopsy dürftens sich beim Soundcheck ihrer Rock im Park-Premiere entsprechend über das leere Bühnenareal gewundert haben.

Absolut gelungene Innovation dieses Jahr: Die Relay Tower der Hauptbühne Utopia an allen vier Seiten mit Videowänden zu bestücken. Das brachte uns vier Videowände mehr und nicht nur generell einen tollen Effekt, sondern auch einen echten Mehrwert für Leute, die nicht vorne im Moshpit standen.

Anreise am Donnerstag: Camping-Chaos als Tradition

Die Anreise am Donnerstag entwickelte sich zum gewohnten Balanceakt zwischen Vorfreude und organisatorischer Realität. Trotz massiver Erweiterung der Camping-Möglichkeiten entstanden kilometerlange Schlangen, viele Besucher fanden trotz gültiger Tickets zunächst keinen Platz für ihr Zelt. Die Veranstalter schoben die Problem auf Nachfrage auf die unerwartet große Menge von Anreisen zu einem extrem frühen Zeitpunkt donnerstags. Ich finde: das kam jetzt nicht so überraschend.

Die ersten Festivalgäste nutzten den Donnerstag traditionell zum Aufbau ihrer temporären Zeltstadt und zur Akklimatisierung an jene spezielle Mischung aus Euphorie und organisiertem Chaos, die deutsche Großfestivals auszeichnet. Bargeldloses Bezahlen wurde flächendeckend eingeführt – eine Neuerung, die Effizienz verspricht, aber auch das letzte Relikt analoger Festival-Romantik eliminiert.

Headliner-Triumvirat: Drei Tage zwischen Tradition und Revolution

Freitag: Slipknot und Rise Against – Das Duell der Generationen

Der erste Festivaltag gehörte Slipknot und Rise Against auf der Utopia Stage – zwei Bands, die exemplarisch zeigen, wie unterschiedlich sich Metal-Veteranen ins Jahr 2025 retten. Slipknots Performance war technisch makellos: beeindruckende Lightshow, drückende Bässe und Corey Taylors unverwechselbare Stimme, die Klassiker wie “Wait And Bleed” und “People = Shit” durch den Nürnberger Nachthimmel trug. Routine als Kunstform – wenn man zwanzig Jahre Bühnenerfahrung hat, kann auch Perfektion langweilig werden.

Rise Against dagegen bewiesen, dass politischer Hardcore auch 2025 noch funktioniert, wenn er authentisch bleibt. Ihre Performance wirkte weniger kalkuliert, dafür umso direkter – old school meets genuine emotion.

Auf der Mandora Stage startete Nothing More den Tag mit solider Progressive-Metal-Kost, während Kittie mit grandiosen Nu-Metal-Vibes überzeugten. Airbourne lieferten das ab, was viele als “die besseren AC/DC” bezeichnen würden – unverfälschten Rock’n’Roll ohne Schnörkel, der beweist, dass manche Formeln zeitlos sind.

Samstag: KoRn, Falling In Reverse und die Kunst der kontrollierten Kontroverse

Der Samstag gehörte KoRn auf der Utopia Stage, die zeigten, warum Nu-Metal nie wirklich verschwunden ist, sondern nur intelligentere Verstecke gefunden hat. Jonathan Davis’ zehnter Auftritt beim Festival war eine Masterclass in nostalgischer Professionalität – KoRn lieferten amtlich ab, technisch einwandfrei und mit jener emotionalen Präzision, die zwei Jahrzehnte Bühnenerfahrung mit sich bringen.

Der eigentliche Gesprächsstoff des Samstags war jedoch Falling In Reverse, die erstmals bei den Schwesterfestivals auftraten und dabei demonstrierten, wie man 2025 mit Kontroversen umgeht. Ronnie Radke navigierte geschickt zwischen seinen bekannten Eskapaden und einer Performance, die ihn als möglichen zukünftigen Headliner positioniert – ein Balanceakt zwischen authentischer Rebellion und kalkulierter Provokation.

Auf der Mandora Stage lieferte Jerry Cantrell eine nostalgische Meisterleistung ab, indem er die Hits von Alice in Chains mit jener melancholischen Präzision vortrug, die Grunge-Veteranen auszeichnet. 90er-Nostalgie als Kunstform – wenn der ursprüngliche Songwriter die Songs spielt, wird Nostalgie zur legitimen musikalischen Erfahrung.

Idles scheuten nicht davor zurück, ihre Pro-Palästina-Einstellung offensiv zu zeigen und bewiesen dabei, dass politischer Hardcore auch 2025 noch funktioniert, wenn er von authentischer Überzeugung getragen wird. Der Höhepunkt: Gitarrist Mark Bowen gewinnt den inoffiziellen Contest um den besten männlichen Act in einem blauen Kleid – Gender-Performance als politische Aussage, verpackt in Post-Punk-Ästhetik.

Sonntag: The Prodigy, Weezer und Bring Me The Horizon – Elektronik trifft auf den neuen König

Der Sonntagabend entwickelte sich zum faszinierendsten Stilmix des Festivals: The Prodigy auf der Mandora Stage lieferten ab, was elektronische Musik sein kann, wenn sie nicht nur Streaming-optimiert ist, sondern tatsächlich für Live-Erlebnisse konzipiert wurde. Elektronik als körperliche Erfahrung – ein Konzept, das in Zeiten von Bedroom-Pop-Dominanz revolutionär wirkt.
The Prodigy lieferten aber auch den ernüchternden Beweis dafür, wie sehr eine Band von ihrer Frontfigur abhängen kann: Ohne Shouter Keith Flint waren sie leider nur noch okay, nicht mehr extraordinär. Elektronik als körperliche Erfahrung funktioniert eben nur, wenn die entsprechende Bühnenpräsenz vorhanden ist – ein Reminder daran, dass manche Verluste unersetzlich sind.

Zeitgleich gehörte die Utopia Stage Weezer und vor allem Bring Me The Horizon – einer Band, die 2025 erstmals als Headliner bei den Schwesterfestivals antrat und dabei demonstrierte, warum sie diesen Status verdient hat. BMTH nutzten ihren Headliner-Debüt bei Ring und Park meisterhaft, um zu zeigen, wie sich Metalcore intelligent weiterentwickeln kann, ohne seine Wurzeln zu verleugnen.

Oli Sykes und seine Band lieferten eine Performance ab, die den Generationswechsel im deutschen Festival-Headliner-Universum symbolisiert: Technisch versiert, visuell beeindruckend und mit einer emotionalen Tiefe, die weit über Standard-Metalcore hinausgeht. Ihr einziger EU-Auftritt 2025 war strategisch platziert – wer BMTH live erleben wollte, musste nach Nürnberg oder an den Nürburgring.

Weezer repräsentierten parallel dazu jene charmante Ironie und grenzenlose Kreativität, die Alternative Rock in den 90ern definierte – Veteranen-Charme trifft auf zeitlose Melodien.

K.I.Z als Late Night Special auf der Mandora Stage zeigten, dass deutscher Rap durchaus Festival-tauglich ist, wenn er die richtige Portion Selbstironie mitbringt. Frank Turners Comeback nach zehn Jahren war der emotionale Höhepunkt – akustische Intimität in einem Meer von 88.500 Menschen.

Überraschungsacts und musikalische Momente zwischen Tradition und Gegenwart

Die drei angekündigten Very Special Guests am Sonntag entwickelten sich zu einer faszinierenden Studie deutscher Festival-Ambivalenz: Sportfreunde Stiller wurden als erste Überraschung freundlich aufgenommen und bewiesen dabei, dass Nostalgie in der richtigen Dosierung durchaus funktioniert. Peter Bruggers charmanter Kommentar “Wie schön, dass ihr so früh am Start seid” an das nach zwei Festivaltagen müde Publikum traf den Kern deutscher Festival-Mentalität: ironische Selbstreflexion als Überlebensstrategie.

Roy Bianco & die Abbrunzati Boys als zweiter Überraschungsact sorgten für teils verständnisloses Kopfschütteln – jene spezielle Mischung aus Comedy und Musik, die zeigt, dass nicht jede italienische Schlager-Parodie automatisch Festival-tauglich wird. Humor ist eben auch eine Frage des Timings und der Zielgruppe.

Bring Me The Horizon lieferten ihren einzigen EU-Auftritt 2025 – eine exklusive Show, die den Premium-Charakter des Festivals unterstrich. Der emotionale Höhepunkt gehörte jedoch Frank Turner, der nach 10 Jahren Pause sein Comeback bei Rock im Park feierte. Seine akustische Performance entwickelte sich zu einem intimen Moment kollektiver Nostalgie – jener seltenen Festival-Momente, in denen 5.000 Menschen gleichzeitig “The Way I Tend To Be” mitsingen und dabei vergessen, dass sie eigentlich wegen der Metal-Bands gekommen sind.

Das Glück der Rock im Park Heaven shall Burn Fans: Nach ihrem vollständigen Konzert bei Rock im Park am Freitag musste die Thüringer Metal-Band ihren Auftritt bei Rock am Ring am Tag darauf nach nur einem Song aufgrund einer Stimmverletzung von Fronter Marcus Bischoff abbrechen – ein Reminder daran, wie fragil die physischen Grenzen selbst erfahrener Musiker sein können.

Mediale Aufmerksamkeit: BILD streamt exklusiv Rock am Ring

Ein wichtiger Hinweis zur medialen Berichterstattung: BILD.de übernahm als exklusiver Streaming-Partner die Online-Übertragung – allerdings nur von Rock am Ring, nicht von Rock im Park. Diese Unterscheidung ist wesentlich, da viele Medienberichte die beiden Schwesterfestivals vermischen, obwohl sie eigenständige Veranstaltungen mit unterschiedlichen Line-ups und Dynamiken sind.

Lebensrettung zwischen Moshpit und Hauptbühne

Der emotionalste Moment des Festivals ereignete sich nicht auf der Bühne, sondern davor und von der breiten Masse gänzlich unbemerkt: Während Slipknots Auftritt erlitt ein Besucher einen Herz-Kreislauf-Stillstand direkt vor der Utopia Stage. Die sofortige Laienreanimation durch andere Festivalgäste und die professionelle Hilfe der Sanitäter retteten ein Leben – ein Beweis für die Solidarität und Menschlichkeit der Metal-Community, die oft verkannt wird.

Die Sanitätsdienst-Bilanz zeigt interessante Details: 1.900 Hilfeleistungen (22% mehr als im Vorjahr), aber nur 274 ärztliche Behandlungen. Bemerkenswert: Die Zeckenbisse verdoppelten sich auf 109 Fälle – vermutlich eine Folge der feuchten Witterung und des intensiven Bodenkontakts beim Crowdsurfing.

Preis-Leistungs-Verhältnis: Europäischer Maßstab

Selbst bei aktuell 300 Euro Ticketpreis bietet Rock im Park ein unglaubliches Preis-Leistungs-Verhältnis im Vergleich zu einzelnen Konzerttickets in der EU. Wenn man bedenkt, dass Sleep Token-Tickets in London bei 80 Euro starten und Slipknot-Shows in Amsterdam bei 120 Euro beginnen, erscheinen drei Tage mit 100 Acts, Camping-Möglichkeit und der einzigartigen Festival-Atmosphäre als regelrechtes Schnäppchen. Die ökonomische Realität zeigt: Festivals sind nicht nur kulturelle, sondern auch ökonomische Oasen für musikbegeisterte Menschen mit begrenztem Budget.

Die authentische Kraft deutscher Festival-Kultur

Rock im Park 2025 war mehr als ein Musikfestival – es war eine Demonstration deutscher Festival-Kultur in ihrer reinsten Form: Trotz widrigster Umstände, organisatorischer Pannen und meteorologischer Herausforderungen entstand jene einzigartige Atmosphäre kollektiver Euphorie, die nur entstehen kann, wenn 88.500 Menschen beschließen, dass Regen, Matsch und überteuerte Getränke keine Hindernisse für drei Tage bedingungslose Hingabe an die Musik darstellen.

Das wahre Festival-Erlebnis definiert sich nicht durch perfekte Organisation oder optimale Wetterbedingungen, sondern durch die Bereitschaft einer Community, gemeinsam durch alle Widrigkeiten zu gehen. In diesem Sinne war Rock im Park 2025 ein voller Erfolg – authentisch, chaotisch und unvergesslich.

Die Linkin Park-Ankündigung für 2026 setzt bereits den Rahmen für das nächste Kapitel: Mit Emily Armstrong als neuer Co-Lead-Sängerin wird die Band ihren sechsten Auftritt beim Festival absolvieren und dabei eine neue Ära einläuten. Der Vorverkauf läuft bereits – und wer die letzten 30 Jahre Rock im Park-Geschichte verfolgt hat, weiß: Diese Tickets werden schneller weg sein als warmes Bier bei 30°C.

Fazit: Dreißig Jahre Beständigkeit im Wandel

Rock im Park 2025 bestätigte seine Position als Europas wichtigstes Rock-Festival nicht durch perfekte Perfektion, sondern durch authentische Imperfektion. 100 Acts, vier Bühnen, Rekordbesucherzahl und eine Community, die beweist, dass echte Leidenschaft für Musik weder Regen noch logistische Pannen fürchtet.

Die Zukunft des Festivals ist gesichert – Linkin Park 2026, innovative Bühnenkonzepte und eine Fan-Base, die nach 30 Jahren immer noch bereit ist, für drei Tage im Matsch zu stehen und dabei das beste Wochenende des Jahres zu erleben. Rock im Park bleibt, was es immer war: kompromisslos, authentisch und unverzichtbar für alle, die Musik als Lebensgefühl verstehen.

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Thomas Peter

ein diplomierter Biologe mit starkem Hang zu Fotokamera und der besonderen Festivalatmosphäre.