Der ein oder andere wird es schon mitbekommen haben: Dieses Jahr werden die Fahrten im Netz des Verkehrsverbund Grossraum Nürnberg (VGN) nicht mehr in der Rock im Park Eintrittskarte enthalten sein – selbst dann nicht, wenn es auf dem eventim-Ticket genau so aufgedruckt steht! Mit anderen Worten: Wer keine Fahrkarte löst, fährt schwarz und muss mit einem Bussgeld von 40 Euro rechnen. Ein paar Details dazu.
In den letzten Jahren musste man sich keine Gedanken machen. Raus aus dem Bahnhof, rein in die Strassenbahn und auf zum Dutzendteich um dort das Zelt aufzuschlagen. Selbst Leute, die nicht mit der Bahn anreisten, nutzen den Nahverkehr gerne. Beispielsweise um morgens einen Abstecher zum Duschen ins Schwimmbad zu machen, Nahrungsmittelbestände im Supermarkt aufzufüllen, zum Brunch in die City zu flanieren.
Dieser sorgenfreie Jump’N’Ride-Automatismus wird 2012 ausser Kraft gesetzt: Rock im Park Veranstalter Argo und der VGN wurden sich diesmal nicht über die Bedingungen des Kombitickets einig. Das VGN-Angebot von rund 80 Cent Mobilitätsanteil pro verkauftem Ticket wurde von Argo abgelehnt. Eines der Argumente: Die Befragung von Festivalbesuchern hätte ergeben, dass man das Kombiticket mit inkludiertem Nahverkehr mehrheitlich nicht wünscht und die Kosten dafür eingespart werden können.
Ganz abgesehen von der zweifelhaften Repräsentativität solcher Umfragen finde ich: Ohne eine Fahrkarte im Ticktpreis verspielt Rock im Park sein auch nach aussen als Besonderheit beworbenes Alleinstellungsmerkmal ein Stadtfestival zu sein. Auch das in der Festivalszene vorherrschende (Vor)Urteil der Kundenunfreundlichkeit können Argo und MLK mit dieser Einschränkung sicher nicht entschärfen. 80 Cent Solidaritätsanteil bei einem Kartenpreis von 145-160 Euro fallen wohl wirklich nicht ins Gewicht.
[Update: Argo argumentiert mit Doppelbezahlungen und Ungerechtigkeiten. Deshalb habe man andere, individuellere Abrechnungsmodelle ins Spiel gebracht, bot eine “Teilsubventionierung des ÖPNV” an. Wie genau das aussehen hätte sollen, bleibt das Geheimnis der beiden Parteien. Fakt ist nur: Die VGN hat es abgelehnt, wahrscheinlich weil sie mehr Aufwand bei weniger Ertrag hätten betreiben müssen.]
Was bedeutet der fehlende Kombiticket-Fahrschein in der Praxis?
Jeder Festivalist, der den Nahverkehr in Nürnberg weiterhin nutzen möchte, muss sich mit Tageskarten der Preisstufe A eindecken. Das ist für den Einzelnen vergleichsweise teuer und aufwendig mit Blick auf die bisherige Lösung.
Einzelfahrten erkauft man für 2,40 Euro. Wer in die Stadt und zurück fährt, kauft sich gleich ein TagesTicket Solo für 4,80 Euro. Gruppen können einige Cent pro Person sparen indem sie zu den TagesTicket Plus greifen. Die kostet 8 Euro und transportieren 2 Erwachsene (plus 2 weitere Personen unter 18 Jahren). Samstags gekaufte Tageskarten gelten auch am Sonntag.
Von Donnerstag bis Montag in Nürnberg mobil sein, kann also als Einzelperson bis zu 19,20 Euro kosten. 14,40 Euro dann, wenn man am An- und Abreisetag nur eine Fahrt unternimmt. Bayerntickets gelten im Nahverkehr Nürnbergs als Fahrausweis. Wer also damit zu Rock im Park reist benötigt nur VGN Tageskarten für Freitag und Samstag/Sonntag. Kostenpunkt: 9,60 Euro.
Auf die Notwendigkeit eines Fahrkartenkaufs wird die VGN am Bahnhof und den entsprechenden Stationen mit nebenstehendem Plakat hinweisen. In den Nahverkehrszügen der Bahn mit Ziel Nürnberg wird darüber hinaus via Durchsagen auf die Faktenlage hingewiesen. Wer also ohne Fahrschein in eine Kontrolle in Nürnberg gerät, wird wenig Argumente haben. Es droht ein “erhöhtes Beförderungsentgelt” von 40 Euro.
Auch Frühbucher und Tageskartenbesitzer müssen aufpassen. Einige der ersten Eventim-Thermotickets enthalten noch den VGN-Fahrschein-Aufdruck. Dieser gilt allerdings definitiv nicht, wird von den Kontrolleuren nicht akzeptiert. Als kleine Entschädigung verspricht Argo den Betroffenen ein Freigetränk. Den Gutschein hierfür kann man sich beim Infocenter auf dem Festivalgelände (Große Straße / Steintribüne) abholen.
Tageskarten enthalten ebenfalls keine Beförderungsgebühr. Unverständlich allein deshalb, weil man Tageskarteninhaber explizit anweist mit dem Nahverkehr anzureisen. Vor Ort werden für sie keine Parkplätze zur Verfügung stehen.
In einem Gespräch mit der VGN liess mein Gegenüber durchblicken, dass der Verkehrsverbund mit der Situation selbst höchst unzufrieden ist. Man verweist auf die meisten anderen Grossveranstaltungen Nürnbergs, bei denen die Kombiticket-Lösung von allen Parteien begrüsst und geschätzt wird.
Der Unmut der Festivalisten bereite einem mehr Sorgen als sie der Ausblick auf ein kleines Plus an Brutto-Einnahmen aufwiegen könnte. Ein eigenes Ticketangebot nur für Rock im Park aus dem Boden zu stampfen wäre zu teuer und aufwendig.
Die Verkehrsbetriebe werden den höheren Takt mit Sonderfahrten am Rock im Park Wochenende weiterhin aufrecht erhalten und hoffen auf Einsicht und Verständnis der Rockfans. Mit Kontrollen muss gerechnet werden. Man kann nur hoffen, dass alles gesittet und friedlich bleibt. Auch dann wenn Alkohol im Spiel ist.
Man möchte versuchen den Festivalisten von Seiten der Verkehrsunternehmen zu gut wie möglich entgegen zu kommen: Freifahrten für alle kann es nicht geben. Der VGN verweist auf die klammen Kassen, die erst zum Jahresanfang eine Fahrpreiserhöhung von durchschnittlich 15% nötig machten.
Tickets will man möglichst einfach zugänglich machen. Es gibt sie am Automaten, zusätzlich aber richten VGN und Deutsche Bahn am Doku-Zentrum und der S-Bahn-Station Dutzendteich auch provesorische Verkaufsstellen ein.
Persönliche Abschlussbemerkung: Wenn Euch jemand mit einer Umfrage zu Rock im Park auf den Leib rückt, überbedenkt bitte zweimal was ihr zum Thema “Notwendigkeit eines eingepreisten Nahverkehrstickets” antwortet. Meiner Meinung nach gehört das Kombiticket für den Nahverkehr in Nürnberg genauso zu Rock im Park wie die Grosse Strasse mit den angrenzenden Seen.