Michael war am letzten Wochenende beim Sonnenrot unterwegs und bringt uns seine Eindrücke mit zurück. Dank des milden Wetters konnte er zusammen mit 6249 Besuchern erstmalig in Eching ohne die Vokabeln “Evakuierung” und “Konzertunterbrechung” auskommen. Leider aber verfehlte das Festival auch im dritten Jahr seine finanziellen Ziele und schliesst mit einem Verlust ab.
Das System funktioniert folgendermaßen: Bändchen holen, Zelt aufschlagen, am See entspannen und anschließend alle Bands sehen. Das hört sich einfach an. Ist es auch. Und zwar am Sonnenrot Festival in Eching. Während die letzten Jahre vom Regen nicht verschont wurden, fiel das Wetter dieses Jahr relativ gutmütig aus, zumindest Tagsüber. Nachts sehnte man sich einen Schneeanzug, eine Kuscheldecke und Glühwein herbei. Die 2 Bühnen und der Zeitplan sind so angeordnet, dass man auf keine Band verzichten muss.
Freitag
„Wenn der Sommer kommt, dann lieg ich im Maisfeld.“ Turbostaat weckten das am frühen Nachmittag noch sehr mager ausfallende Publikum auf. Es war sehr laut, und das war gut so! Ein Leckerbissen für Fans des komplexen und melodischen deutschsprachigen Punks.
„Willst du Feuer?“ Nein, die Festivalbesucher wollten Jennifer Rostock! Rauchen, trinken, fluchen, ach, und zwischendurch singen natürlich. Nicht nur ein volltätowierter Profi wurde zur gesanglichen Unterstützung mit auf die Bühne geholt, sondern auch ein „potenter Jüngling“ aus dem Publikum, der für einen Lapdance herhalten musste/durfte. Zum Abschluss durfte noch ein junger alkoholisierter, weiblicher Jennifer Rostock-Fan den Gesang zu „Kopf oder Zahl“ übernehmen. Upps, Einsatz verpasst. Naja, zur Belohnung gabs trotzdem Bier. Ob die das überhaupt schon trinken durfte?
Im Vergleich zu den vorherigen Bands fiel die Show der Ting Tings schon deutlich elektronischer aus. Nicht nur ihre beliebten Party-Hits und Tanznummern waren mit im Gepäck, sondern auch neue Stücke vom lang ersehnten Album. „Shut up and let me go“ war hier ganz sicher nicht die Devise, auch zu zweit kann man das Publikum begeistern!
Lange haben wir darauf gewartet. Kettcar. Die Vorzeige-Band der Hamburger Schule lies einige Zeit auf sich warten. Seit 2008 hat man die Nordlichter nur vereinzelt sehen können, zwischendrin wurde sogar der Drummer ausgewechselt. Aus der Übung waren sie allerdings nicht – ganz im Gegenteil. Die Ansagen waren so locker, als würde ein guter Freund mit dir reden. Der Bassist Reimer Bustorff hat erzählt, dass er vorm Konzert mit dem Gitarristen von Turbostaat geplaudert hat, „wir aus Hamburg, sie aus Flensburg, quasi Nachbarn eben“, ohne Stimmung verbreiten, sondern einfach nur alle zusammenschließen zu wollen. Die Setlist war gut bestückt mit Klassikern, aber auch mit neuem Material, welche die Masse vor der kleinen Bühne fast ausnahmslos begeistern konnte. Einziges Manko: An den Lautsprechern hat man scheinbar gespart.
Es ist soweit. Der Headliner des ersten Abends wird mit Spannung erwartet. Und dann kommen sie endlich auf die Bühne: Cypress Hill! Die Urgesteine des Hip Hops, zusammengesetzt aus einem DJ, einem Percussionist und zwei Rappern. Vor der Bühne war kaum mehr ein freier Platz, der „echte“ Hip Hop ist doch noch nicht gestorben.
Samstag
Alle, die die sehr kalte Nacht überstanden haben – bestenfalls im Partyzelt -, wurden am nächsten Tag mit viel Sonne und hohen Temperaturen belohnt. Erstmal am schönen Badesee Kraft Tanken, um gutgelaunt zu den Indietronicern We Have Band stolpern zu können. Die Band selbst wirkte sehr angestrengt, was aber scheinbar ein Teil der Show sein sollte. Je ernster sie schauten, umso besser war die Musik und die Stimmung vor der Bühne. Besser kann ein Festivaltag nicht beginnen.
Die darauf folgende Band Slut ließ das Publikum vor der großen Bühne am frühen Nachmittag in eine andere Sphäre schweben. Melancholisch-Melodisch zeigten sie, dass der ausgereifte Sound aus Ingolstadt seit 1994 nach wie vor begeistert. I think I like you.
Island war an der Reihe. FM Belfast. 4 Nerdige Musiker, Instrumental betrachtet die gleiche Besetzung wie Cypress Hill, die jedoch mit ihrem elektronischen Indie-Pop Stimmung ohne Ende machten. Das Ganze so sympathisch, dass man, von der untergehenden Sonne begleitet, sogar selbst begeistert die Hände in die Höhe riss, klatschte, tanzte, sprang und während man sich wünschte ein Haus in der Karibik zu haben, in die Hocke ging um aufzuspringen und auszuflippen. Definitiv ein Highlight des Festivals! (Wohl nicht nur für uns, die mitgebrachten Bandstoffbeutel gingen nämlich schneller weg als warme Semmeln.)
Parov Stelar, eigentlich in elektronischen Tanzlokalen beheimatet, fuhren in Eching große Geschütze auf. Mit diversen Saxophonen und Trompeten ausgestattet wurde die Mainstage erobert. Swingen und Tanzen war angesagt! Zwischendurch sprang Marteria von Level zu Level zu Level.
Es folgte das deutsch-österreichische Reggae/Dancehall Duo Mono&Nikitaman. Das Publikum schlug Alarm und war sowohl von den tanzbaren Hits, sowie auch von den ruhigeren Nummern angetan. Auf der Bühne glühten Bengalische Feuer, im Publikum die Handydisplays.
Bonaparte, die verrückte, perfekt durchchoreographierte, Sexismus propagierende Zirkusshow bildete den krönenden Abschluss des gelungenen Festivals. Wer sie einmal live erleben durfte, wird dieses Spektakel so schnell nicht vergessen können. „Do you wanna party with the Bonaparte?“ Ja, das wollen wir. Tiermasken, Hochzeitskleider, Computerköpfe, ja sogar Rotkäppchen stattete dem Sonnenrot einen Besuch ab und verteilte in den ersten Reihen Blumen und Äpfel. Gar nicht mal so „Anti Anti“ wie immer alle meinen.
So, jetzt aber mal rasch ins Zelt, schließlich muss man das Festival am morgigen Sonntag noch mit einem schönen Tag am See ausklingen lassen. Danke Sonnenrot, bis nächstes Jahr!
Alle unsere Bilder vom Sonnenrot 2011
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