Festivals

So war’s beim Chiemsee Reggae Summer 2013

Manuel Hofmann

Festivalfficionado, Fotodude

Neurobiologe, Festivalliebhaber. Verdient seine Brötchen mit Webseitenkonsulting (Strategische Planung, Erstellung, Pflege) bei 70six.de.

Das Riesenrad macht’s. Das erkennt nicht nur Dauergast Gentleman, der die neue Attraktion während seines Konzertes mit Ansagen wie „Put Your Hands To The Riesenrad“ willkommen heißt. Auch etwas entfernt, auf dem Campingplatz des Chiemsee Reggae Summers, blinkt das leuchtende Rund im Hintergrund. Auch dort am Campinggelände, und nicht nur vor den Bühnen, spielt sich das Festival ab.

Zumindest bei manchen Leuten. Das merkt man immer dann, wenn man ins Gespräch kommt. Zwei 17-jährige aus Landshut sind zum ersten Mal auf einem Festival. Eine von ihnen trägt einen Flipflop und einen Stoffschuh, den anderen hat sie verloren. Elephant Man hätten sie sehen wollen, aber der habe sich ja „in Brenzligkeiten gebracht“. Mit dem Geld sei er abgehauen, klärt die Freundin. Dann halt Campingplatzunterhaltung.

„Naja, Reggae ist schon gut“, daheim würde man aber anderes hören. Das hört man im Verlauf des Wochenendes nicht nur einmal. Ein sichtlich angeheiterter Festivalist nennt erst Bayern einen Polizeistaat und dann Rage Against The Machine als Lieblingsband. Aber Alborosie sei, hier am Chiemsee Reggae Summer, vor einigen Jahren eines der besten Konzerte gewesen, das er je gesehen habe.

Das müssen diese aufgeweichten Genregrenzen im Musikgeschmack der Menschen sein, von den die Experten aus der Musikwirtschaft so gerne sprechen. Bestätigt wird dieser Eindruck von einer Zwanzigjährigen, die ihre Festivalpremiere ebenfalls hier erlebt. Eigentlich wollte sie zum Wacken, ihr Ticket musste sie verkaufen, weil das Geld fehlte.

So trifft das vorrangig jugendliche Eventpublikum beim Chiemsee Reggae Summer auf echte Fans der Musik, die ihre Lieblingskünstler Jahr für Jahr im Festivalforum einfordern – und verteidigen. Zum Beispiel wenn sie Sizzla oder Beenie Man heißen. Auf diesen Drahtseilakt lassen sich die Veranstalter ein. Und am Ende steht Cro auf der Bühne und ruft „Alle Hände hoch!“.

So wenige zugeben, Cro sehen zu wollen, so viele stehen bei ihm vor der Bühne. Er ist einer der wenigen Namen, von denen ein Mittzwanziger aus einer Nachbargemeinde Übersees weiß, dass er in diesem Jahr dabei ist.

Gefragt, was toll am Chiemsee Reggae Summer sei, antwortet er: „Ganz ehrlich, nichts“. Man habe das ja alles längere Zeit miterlebt. Die Gelegenheit zum Aufeinandertreffen nutzt er, wie viele andere, trotzdem – im Bierzelt des örtlichen Sportvereins, das für drei Tage im Jahr fester Anlaufpunkt für viele Überseer wird.

Am Bierzelt muss man vorbei, möchte man den Wohnmobilcampingplatz besuchen. Genauso an den Bibelmenschen, die Jahr für Jahr mit einiger Geduld ihren Klassiker „Rock im Sarg“ verteilen. Eine etwa fünfzehn köpfige Gruppe wohnt am Womo-Platz – campen kann man das schwerlich nennen. Der Gemeinschaftsraum, er dürfte so groß sein, wie vier aneinandergereihte 3×3 Meter Pavillons, beinhaltet eine Sitzecke mit Ledereckcouch und Tisch. Daneben steht ein Kühlschrank, in dem unter anderem Eier lagern. Auf ihm steht eine Cornflakes Packung für Großfamilien. Dazu kommen zwei Computer mit zwei Boxen, zwei Mikrofonen. Ein Trampolin mit 3-Meter -Durchmesser war schon, extra fürs Festival, gekauft, wurde dann aber doch noch zurückgegeben. Das bereuen sie jetzt.

Angereist ist die Gruppe am Mittwoch, Die Ärzte haben sie gesehen, „Unrockbar“ scheint die Camphymne zu sein, und „Reggae mögen wir eigentlich nicht“. Nur hier, und nicht nur vor den Bühnen, spielt sich das Festival ab.

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