Es sollte allgemein bekannt sein, dass Billy Talent mittlerweile in der ersten Liga der Livemusikbranche angekommen sind: Headlinershows auf den großen Festivals und Touren durch die Arenen und Hallen dieses Landes stehen auf der Tagesordnung. Eine dieser Hallen steht im Münsterland und Billy Talent haben sich am gestrigen Abend dort mit ihren Freunden von Anti-Flag und den Arkells eingefunden.
Von der Tribüne sieht das alles ganz schön bedrohlich aus. Menschenmassen drängen sich in der schlauchförmigen Halle Münsterland immer weiter in Richtung Bühne. Der Innenraum wirkt wie ein Trichter. Der Wellenbrecher an der Bühne hat heute einiges an Arbeit zu verrichten. Viele Konzertbesucher, vorrangig weiblichen Geschlechtes, werden bereits vor den ersten Tönen von Billy Talent von den Securitys im Graben aus der Menge gezogen, denn die Supportacts wissen gut wie man die Menge zum Kochen bringt.
Angerührt wird die Suppe von den Arkells. Verdammt kurze 20 Minuten Spielzeit reichen nicht wirklich um sich einen allumfassenden Eindruck zu verschaffen, jedoch könnte man sagen, dass die Band live was kann. Rein musikalisch etwas sanfter als der Restprogramm des Abends, stimmungstechnisch stehen sie Anti-Flag und Billy Talent aber kaum etwas nach.
Anti-Flag sorgen für den leckeren Bodensatz im Rocksüppchen und haben 45 Minuten Zeit um das Hauptgericht kochfertig zu machen. Die Politpunker hauen Hit auf Hit raus und halten sich nur kurz mit Ansagen auf. Ein ungewohntes Bild, sind sie doch eigentlich dafür bekannt auf den Punkt gebrachte, politische Statements von der Bühne zu schreien. Heute aber beschränken sie sich auf ihre Songs die schon Statement genug sind. Die Menge wobert schon das erste Mal auf und zeigt, dass sie heute nicht zum Damentennis erschienen sind.
Billy Talent drehen die Herdplatte dann aber auf 10 und nach kurzem Intro und fallendem Vorhang geht es mit dem Opener Viking Death March erstmal unter die Decke. This Is How It Goes ist nicht nur der Titel des zweiten Songs sondern auch eine Bildunterschrift die im Rocklehrbuch unter einem Billy Talent Konzert stehen müsste. Sänger Ben springt über die Bühne als wollte er den Weltrekord im Hürdenlauf knacken, während sich das Publikum derweil in synchronem Hochsprung versucht. Von oben sieht das ganze aus wie San Francisco in der Erdbebensaison.
Das doch recht junge Publikum hat richtig Lust sich auszutoben und die Eltern, die auf der Tribüne geparkt wurden, schauen den kleinen Rackern gerne beim Spielen zu.
Aber wollen wir mal nicht so stichelig sein, Billy Talent ist eine Band, die viele Generationen anspricht. Der melodische aber doch druckvolle Sound lässt nicht nur Kinderzimmer, sondern auch viele Elternschlafzimmer, Studenten-WGs oder auch die monatliche Rockdisko erbeben.
Ebenso rappelt die Halle Münsterland vor sich hin. Schaut man an die Decke wächst die Angst, dass die zahlreich angebrachten Kronleuchter jeden Moment auf das Publikum stürzen könnten.
Auf der Bühne findet derweil das Battle um die Spotlights statt. Irgendwie könnte man denken, dass Bassist Jonathan sich vernachlässigt fühlt, sind auf ihn meist nur zwei bis drei Spots gerichtet, während auf Gitarrist Ian mit der vollen Leuchtkraft von guten 20 Lichtern bestrahlt wird. Aber hey, er hat nun mal die wesentlich coolere Frisur.
Während des Konzerts fällt auf, dass Billy Talent einfach unfassbar viele Hits haben und das korrespondiert bestens mit der Stimmung im Laden. Kaum eine Band schafft es, die Menge wirklich über die volle Distanz am Kochen zu halten, doch bei solche einem hitlastigen Backkatalog, ist es für die Kanadier scheinbar ein leichtes Unterfangen.
Nach 90 Minuten ist mit dem Evergreen Red Flag Schluss. Die Menge ist durchgekocht und zieht Dampfschwaden in die kalte Münsteraner Nachtluft.