Bands, Konzerte

So war’s: Die Amigos in Münster

Steffen Neumeister

Festivalfficionado, Fotodude

Neurobiologe, Festivalliebhaber. Verdient seine Brötchen mit Webseitenkonsulting (Strategische Planung, Erstellung, Pflege) bei 70six.de.

Wer kennt es nicht? Da kommt man mitten in der Nacht angeschwipst nach Haus, schaltet noch ein wenig durch das TV-Programm und bleibt irgendwann bei zwei halbdebilen Fratzen auf Kanal 67 1/3 hängen, die versuchen ihre CD’s für überteuerte Preise an noch debilere Rentner zu verkaufen.

Ja, das sind sie: Die Amigos, das erfolgreichste Schlagerduo Deutschlands. Ihr Gastspiel in Münster kann ich mir einfach nicht entgehen lassen und so kommt es, dass ich mich auf einmal zwischen hunderten Strickjacken und Stützstrumpfhosen im Foyer des Kongresssaals der Halle Münsterland wiederfinde.

Während ich durch den hohen Raum schlendere um kurz vor Konzertbeginn die Toiletten aufzusuchen, werde ich angeschaut wie ein Baletttänzer im rosa Tütü auf einem Slayerkonzert. Mit meinem zarten Alter von 21 senke ich den Altersschnitt drastisch auf geschätzte 124. Aber was hab ich denn erwartet? Die Amigos, alleine der Name spricht doch schon für Bandmitglieder, an denen in den letzten 60 Jahren jeglicher guter Bandname vorbei gegangen sein muss.

Aber der Erfolg spricht für sie. Ganze drei Alben konnten sie bisher an der Spitze der deutschen Albumcharts platzieren. Den begehrtesten Musikpreis Europas, den Echo, konnten sie ebenfalls schon mit nach Hause nehmen und bei einem Voting der Bildzeitung für die tollsten Schlagersongs des Jahrtausends erhielten sie ebenfalls die meisten Stimmen der Leserschaft. Woher ich das alles weiß? Nunja, die Amigos alias Bernd und Karl-Heinz rieben es dem Publikum während des Konzert immer wieder unter die Nase. Und jedes mal wurd es mit einem begeistertem “Huuuii” quittiert.

Aber auf Anfang:
Das Konzert beginnt mit einem Videointro, welches von der Qualität ungefähr die gleiche ist, wie die Videos die in zweitklassigen Freizeitparks immer auf den Bildschirmen über den Warteschlangen flimmern. Eine Stimme kündigte mit Hall unterlegt und mit Superlativen um sich schmeißend die beiden Protagonisten des Abends an. Weltuntergangsstimmung kommt auf, während auf der Leinwand im Bühnenhintergrund Vulkanausbrüche gezeigt werden. Warum auch immer das gemacht wird. Aber da wären wir ja auch schon beim Tourmotto. “Bis ans Ende der Zeit” ist dies und liest sich eher wie eine Drohung.

Die Amigos tragen marineblaue Anzüge, die ungefähr so geschmackvoll sind wie Menu 3 mittwochs im Altenstift Wanne-Eickel. Ihre Bühnenshow ist so einfach wie spektakulär: Stehen und Singen, das können die beiden. Zweiteres zwar eher schlecht als recht, aber gut, im Vergleich zu der Musik die ein betrunkener Affe auf Crack an einem Commodore 64 Computer vermutlich besser produzieren könnte, klingt alles himmlisch. Der ehemalige Fernfahrer Bernd hat bei jedem Song die Gitarre in der Hand. Dies scheint eine Zaubergitarre zu sein, muss er sie das gesamte Konzert doch nicht einmal stimmen. Kabel braucht sie auch nicht. Und sie ist noch nichtmal zu hören. Faszinierend was die Amigos da raushauen.

Mitten im Konzert gibt es eine Pause, aber das Publikum wird nicht entlassen, bevor die beiden Protagonisten auf der Bühne nicht noch ihre Merchandiseartikel angepriesen haben. Wie in einer schlechten Verkaufsvorführung präsentiert Sänger Karl-Heinz den offiziellen Amigos Regenschirm (15€) welcher in der Nachfolgenden Pause zum Verkaufsschlager wird. Auch bunte Blinklichter (schlappe 5€) werden dem Publikum nahe gelegt zu kaufen. Die werden nämlich in der zweiten Hälfte sehr dringend gebraucht.
Am Merchandisestand findet sich noch so manch anderes skuriles Fundstück wie zum Beispiel die offizielle Amigos-Tasse (15€) oder der Amigos Spielzeug-LKW (5€).

Die zweite Konzerthälfte verläuft eigentlich genauso wie die erste, nur mit mehr bunten Knicklichtern im Konzertsaal. Es wird geschunkelt, geklatscht und selbst eine Wutrede von Karl-Heinz zum Thema Kindesmissbrauch (an sich ja ein guter Wille, hier jedoch etwas weit übers Ziel geschossen, nachdem “Todesstrafe für Kinderschänder”-Rufe aus dem Publikum schallten) konnte die Stimmung nicht trüben. Der alte Mann neben mir klatscht und stampft, als wenn das Blasorchester Herzogenaurach auf der Bühne ständ. Zur Zugabe gibt es dann nochmal ein Medley aus gefühlt allen Songs des Abends und nach 2 1/2 Stunden ist es endlich vorbei. Zeit in der ich hätte so viele sinnvolle Dinge tun können, wie zum Beispiel mir mit einem Hammer auf den großen Zeh schlagen, meinen Kopf gegen eine Wand hauen, den Bürgersteig vorm Haus mit der Zahnbürste fegen oder auch versuchen Mitglieder des Frei.Wild-Fanclubs von der Linkspartei zu überzeugen. Aber nein, ich war auf einem Amigos-Konzert.

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