Der Greenville-Sonntag begann mit durchwachsenem Wetter. Wind und Wolken erwiesen sich als angenehmer Kontrast zur Hitze des Vortages. Störend hingegen war der Regen, der pünktlich zu Haudegen einsetzte und mich somit vorerst wieder ins trockene Auto trieb.
Gerade rechtzeitig zu Cro jedoch hatte sich der Regen verzogen und sollte am Abschlusstag des ersten Greenville Festivals auch nicht wieder auftauchen. Der aktuell überall hoch gelobte Cro passte sich mit seiner Performance jedoch den Wetterverhältnissen an: bewölkt mit vereinzelten Sonnenstrahlen. Ja, seine Musik verbreitet gute Laune. Aber das Publikum mit gelangweiltem Tonfall zum Heben der Hände aufzufordern, verliert spätestens nach dem zwölften Mal seinen Reiz. Auch ein Set, das zu 50% aus Samples von Bloc Party, Iggy Pop, den Kilians und Aloe Blacc besteht, spricht nicht gerade für herausragende Kreativität. Am unterhaltsamsten war noch der Versuch, einem Kiffer auf der verzweifelten Suche nach illegalen Substanzen, einen Dealer zu vermitteln. Ob der Versuch glückte, ist leider nicht überliefert. Den Reaktionen aus dem Publikum zu urteilen, kam der lustlos wirkende Auftritt trotzdem gut an.
Als nächstes stand eine Band mit dem schönen Namen Fuck Art, Let’s Dance auf dem Programm. Die Bühne betraten schließlich drei absolute Vorzeige-Hipster, die unspektakulären, aber netten und tanzbaren Indie-Rock spielten- und dem Namen ihrer Band somit alle Ehre machten. Mich erinnerten sie ein wenig an Two Door Cinema Club – nur etwas ruhiger. Vielleicht lag es aber auch daran, dass die drei nach eigener Aussage vom Touralltag etwas ermüdet sind. Das war übrigens auch der Grund dafür, dass sie öffentlich nach einem Tontechniker und Fahrer für ihren Tourbus suchten. Als Gegenleistung versprachen sie – passend zum Job – ausreichend Bier und Wodka.
Je weiter die Zeit voranschritt, desto klarer wurde, dass der heutige Tag ganz im Zeichen von Iggy & The Stooges und Turbonegro stehen sollte. Zum einen wirkte das Gelände bedeutend voller als die Tage zuvor. Zum anderen waren Iggy Pop- und Turbonegro-Shirts an diesem Tag allgegenwärtig.
Weiter ging es jedoch zunächst mit den Donots, der Band, die gefühlt schon jedes mittelgroße Schützenfest zum Mosh gepittet haben (Höhö, den wollte ich schon immer mal bringen). Und auch das Greenville sollte nicht verschont werden. Die fünf Herren aus Ibbenbüren legten los wie die Feuerwehr – allen voran Gitarrist Guido Knollmann. Dieser schlug sich nämlich bereits beim ersten Song (vermutlich mit seiner eigenen Gitarre) die Lippe blutig. Frontmann Ingo Knollmann freute sich unterdessen besonders über das gute Wetter, sind die Donots doch seiner Aussage nach ansonsten eher ein Garant für Regen und Sturm. Es dauerte auch nicht lange und in Paaren im Glien wurde die “offiziell größte Tanzfläche” außerhalb Berlins eröffnet. Besonders erfreut zeigte sich Ingo Knollmann über die Hipster-Freiheit, die das Publikum auszeichnete. Ansonsten spielten die Donots ein Set mit allen Hits. Von den omnipräsenten Stücken “Stop the Clocks” und “Come Away With Me” über den absoluten Abriss-Song “Dead Man Walking” bis hin zum Klassiker “We’re not gonna take it” (bei dem sich der Sänger auch das obligatorische Crowdsurfing nicht nehmen ließ), spielten die Donots ein rundes Set, das alle Herzen höher schlagen ließ.
Auf dem Plan standen nun die wiedervereinigten Norweger von Turbonegro. Mit extravaganten Outfits und einem pompösen Bühnenhintergrund konnten sie zumindest optisch das wettmachen, was sie musikalisch vermissen ließen. Im Gegensatz zu Red Fang am Samstag handelte es sich hierbei um Krach der schlechten Sorte. Das Publikum feierte die Band dennoch überschwänglich. Da mir dafür jegliches Verständnis fehlte, steckte ich die Band schnell in die Schublade “Von Vielen vergöttert, für mich belanglos” – eine Schublade, in der sie sich mit Muse und Radiohead jedoch in prominenter Gesellschaft befinden.
Nach 45 Minuten Turbonegro stärkte ich mich mit einem 180g-Burger (sehr zu empfehlen übrigens!) noch einmal für den Endspurt. Dizzee Rascal und Iggy & The Stooges sollten die erste Ausgabe des Greenvilles also abschließen.
Dizzee Rascal also – klar, den Namen hatte ich schon gehört. Allein was mich dort gleich erwarten sollte, war mir ein Rätsel. Wikipedia sprach von “Grime”. Aber was zur Hölle soll das sein? Entsprechend ahnungs- und erwartungslos war also meine Herangehensweise an den Gig. Was sich dann aber dort abspielte, war zweifelsohne die absolute Neuentdeckung des Wochenendes. Elektro-Beats, zum Teil mit Dubstep-Einflüssen, gemischt mit dem Rap aus dem Eastend Londons sind die Zutaten für einen Stilmix, der garantiert kein Tanzbein zur Ruhe kommen lässt. Neben “Bonkers” (immerhin ein Song, den ich kannte!) und seinem Olympia-Song “Scream” (auch live mit Unterstützung von Sänger-Kollegin Pepper), konnte auch der auf dem kommenden Album erscheinende Song “Addicted to the Bass Line” überzeugen.
Würdiger Abschluss der Greenville-Premiere sollte nun Punk-Legende Iggy Pop mit seiner Band The Stooges werden. Ohne den Status der Protagonisten auf der Bühne wegdiskutieren zu wollen, sollten die Herren vielleicht doch langsam darüber nachdenken, in Rente zu gehen. Der Auftritt war keinesfalls schlecht. Nur wirkt es schon etwas befremdlich, wenn Bassist Mike Watt von der Bühne humpeln muss. Auch die Bewegungen von Frontmann Iggy Pop machten eher einen unbeholfenen Eindruck. In dieses Bild passte auch die Einladung an einige Fans, vor dem Song “Shake Appeal” die Bühne zu betreten (was die Security übrigens sichtlich überforderte). Der gesamte Auftritt wirkte affektiert, bewahrte dabei dennoch einen gewissen Charme. Es bleibt das Fazit, dass es schön war, diese Legenden mal live gesehen zu haben. Den Drang, ein weiteres Konzert zu besuchen, verspürte ich persönlich jedoch nicht.
Ja, liebes Greenville. Das war es also. Die erste Ausgabe eines Festivals, das sich Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit auf die Fahnen geschrieben hat. Prinzipiell fanden sich auf dem Greenville einige lobenswerte und nachahmenswerte Ansätze. Dennoch krankt das “Prinzip Greenville” an einigen, zum Teil elementaren, Punkten.
Da ist in erster Linie natürlich das sehr heterogene Lineup. Selbstverständlich ist es für musikbegeisterte Besucher schön, ein Lineup vorzufinden, das von Elektro über Stoner Rock bis Hip-Hop so ziemlich jede Facette abdeckt. Allein ein rentables Festival lässt sich damit nur schwer veranstalten. Denn mal ehrlich: Die Schnittmenge zwischen The Roots-, Deichkind- und The Flaming Lips-Fans dürfte sich nahe Null bewegen.
Dann gab es dieses in Teil 1 bereits angedeutete unsägliche Tokensystem. Warum muss ich denn an einem extra dafür eingerichteten Stand 4€ gegen 4 dieser Token tauschen? Kann ich nicht direkt zum Bierstand gehen, 4€ auf den Tisch legen und ein kaltes Bier mitnehmen? Das System verstehe, wer will.
Desweiteren kann ich es mir nur mit unzureichenden Einlasskontrollen erklären, dass ab Samstag reihenweise Glasflsachen das Festivalgelände “verschönerten”. Bei meiner einzigen Runde über den Campingplatz hatte ich auch nicht den Eindruck, als würde hier “grüner” gelebt als auf anderen Festivals.
Bei aller Kritik bleibt jedoch festzuhalten: Das Greenville kann sich in den nächsten Jahren zu einem wirklich guten Festival entwickeln. Bemerkenswert ist vor allem, dass bereits am Sonntag bei den Reden eines Verantwortlichen, gezeigt wurde, dass die Kritik (in erster Linie schlechtes Bier, Tokensystem, Shuttle-Verkehr) angekommen ist. Wird die Kritik konsequent angenommen und die angesprochenen Punkte ausgebessert, wird das Greenville 2013 definitiv eine Steigerung zur Erstausgabe aus diesem Jahr. Fest steht auf jeden Fall: Ich freue mich drauf und bin, wenn es die Umstände zulassen, wieder dabei.
Der Vorverkauf für das nächste Jahr beginnt laut Ansagen der Verantwortlichen übrigens am 01.09.