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So war’s: Greenville Festival 2012 – Teil 2 – der Samstag

Sven Morgenstern

Festivalfficionado, Fotodude

Neurobiologe, Festivalliebhaber. Verdient seine Brötchen mit Webseitenkonsulting (Strategische Planung, Erstellung, Pflege) bei 70six.de.

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Die Nacht von Freitag zu Samstag war sehr kurz. Strahlender Sonnenschein verwandelte das Zelt innerhalb kürzester Zeit nach Sonnenaufgang zu einer Sauna, in der ein erholsamer Aufenthalt absolut nicht möglich war.

>>Teil 1 des Reviews

Der Tag begann aus musikalischer Sicht verdammt früh mit der Kölner Formation KMPFSPRT. Gitarrist und Sänger Richard Meyer sowie sein Bruder Dennis (Bass) spielten vormals bei Fire In The Attic, sind also kein gänzlich unbeschriebenes Blatt. Immerhin stehen mit dieser Band vier veröffentlichte Alben und Auftritte bei Rock am Ring, Highfield und Novarock auf der Haben-Seite. Vor so wenigen Leuten, wie an diesem Samstagmittag dürften die vier Jungs jedoch selten gespielt haben. Nur eine Hand voll Leute versammelten sich um den Klängen zu lauschen, sodass es fast schon komisch wirkte, sich als Fotograf in den Bühnengraben zu begeben. Was gibt es sonst noch groß zu sagen: Man nehme ein bisschen Muff Potter, dazu eine Prise Beatsteaks und lasse diese Mischung ein bisschen ziehen. Es ist nichts innovatives, was es zu hören gibt – aber tanzbar und gefällig. Die Jungs nehmen das spärliche Publikum mit Humor und widmen einer Zuschauerin ein Lied zum “Schmusen im Glien – nicht zum Paaren” (der größte Witz des Wochenendes!).Dementsprechend verabschiedet das Publikum das Quartett nach bereits 35 Minuten (45 Minuten waren geplant) mit “großem” Applaus.

Mein Weg führte mich im Anschluss zum Auftritt von The Picturebooks auf der Second Stage. Viel kann konnte mich dort aber nicht halten. So unspektakulär wie die Bandbesetzung mit Gesang/Gitarre, Drums und Bass ist, ist auch die Musik. Alternative-Rock, der nicht wehtut, aber irgendwie auch nichts bietet, was mich dazu verleitet hätte, noch mehr Zeit vor der Bühne zu verbringen. Stattdessen gibt es zur Stärkung kalte Dosenravioli.

Als nächstes standen nun Supershirt auf dem Plan. Nach deren Audiolith-Kollegen von Egotronic erwartete ich eigentlich nicht besonders viel, zumal das Publikum auch hier nicht wirklich zahlreiche erschienen war. Supershirt nahmen es aber mit Humor und heizten den Fans gut ein. Tanzbar, sympathisch – guter Auftritt des Trios.

Dass ich diesen Gig nicht bis zum Ende anschauen konnte, war Red Fang zu verdanken. Was ich zuvor von der Band wusste: nichts. Außer dass sich die positiven Kritiken zu Platten und Auftritten häufen. Und mir bleibt tatsächlich nichts anderes übrig, als in die Lobeshymnen einzustimmen.  Red Fang boten 45 Minuten allerfeinsten Stoner-Rock und harte Gitarrenriffs. Von der ersten Minute an hatten sie das Publikum in ihren Bann gezogen – für mich eines der Highlights des Tages!

Die Kilians boten im Anschluss einen durchschnittlichen Auftritt. Sänger Simon den Hartog wirkte zwar gut gelaunt, aber dennoch ein wenig distanziert. Mit einer guten Mischung aus alten Hits und Songs vom kommenden Album, hatten sie vor allem bei den zahlreich erschienen “Indie-Mädchen” (Achtung, Verallgemeinerung!) einen Stein im Brett. Lediglich beim angestimmten Udo Jürgens-Klassiker “Ich war noch niemals in New York” konnten sie das ganze Publikum in ihre Show einbeziehen.

Mit Kettcar stand nun eine Band auf dem Plan, die bereits seit elf Jahren die Bühnen dieser Republik bespielt. Und diese Erfahrung merkte man der Band auch an. Ein souveränes Set mit vielen Hits von “Balkon gegenüber” und “Ich danke der Academy” über “Deiche” bis hin zum Radio-Hit “Im Club” vom neuesten Album “Zwischen den Runden” begeisterte die Zuschauer. Frontmann Marcus Wiebusch zeigte sich außerordentlich erfreut, dass auch wirklich nur Menschen vor der Bühne standen, die auch die Band sehen wollten – anders als bei einem nicht genannten Festival diesen Sommers, bei dem Kettcar im Vorprogramm für Die Ärzte auftraten (Hurricane und Southside liegen nahe). Deren Publikum wollte die fünf Hamburger “auf den Mond schießen”. Als Abschluss eines gelungenen Auftritts spielten die Gebrüder Wiebusch noch “Balu” – einen Song bei dem laut eigener Aussage oft viele Männer das Weite suchen und lieber “am Zelt saufen”. Nicht so das Greenville-Publikum: Niemand verließ vorzeitig den Platz vor der First Stage, sodass die Band entsprechend jubelnd verabschiedet wurde.

Headliner des Abends waren schließlich The Roots. Als Musikinteressierter kennt man zumindest “The Seed”. Aber sonst? Nicht viel. Aber das machte alles nichts, denn The Roots wussten ganz genau, wie sie dem Publikum einheizen. Der Hip-Hop mit Einflüssen aus Soul, Funk und Jazz – nicht zu vergessen natürlich das beeindruckende Sousaphon –  wird dafür sorgen, dass dieser Auftritt im Gedächtnis bleibt – auch bei Leuten, die nicht einmal “The Seed” kennen.

Zum Abschluss des Samstags standen noch zwei ungewöhnliche Acts in meinem Plan: HGich.T und die Techno-Legenden Scooter.
Über HGich.T kann ich ruhigen Gewissens behaupten, dass dies das kränkste ist, was ich je gesehen habe. Eine Hand voll leichtbekleideter Damen und ein paar augenscheinlich unter Drogen stehende Herren – mehr gibt es eigentlich nicht zu sagen. Ob man als Veranstalter “Bands” buchen muss, die mit einem verkabelten Mikrofon ohne Rücksicht auf Verluste durch das Publikum stürmen, Zuschauern die Haare rasieren und ohne Ende Bier über den Köpfen der Besucher verteilen, ist fraglich. Auch im hinteren Bereich der Halle vernahm man mehr Verwunderung und Kopfschütteln über das Treiben auf und vor der Bühne. Nach 50 Minuten war für mich Schluss, es war einfach nicht auszuhalten.

Scooter jedoch setzten dem Tag die Krone auf. Jeder kennt Songs von Scooter. Sei es “Hyper Hyper”, “How much is the fish?” oder “Maria (I like it loud)”. Und sie versetzen die zahlreichen Zuschauer in kollektive Ekstase. Mit zahlreichen Pyro- und Lichteffekten, allen Hits und einem H. P. Baxxter, der wirkte wie in seinen besten Jahren, stellten sie den (schon sehr guten) Auftritt von Deichkind am Vortag in den Schatten. Einen besseren Special Guest hätte es nicht geben können. Einizger Wermutstropfen war jedoch, dass “How much is the fish?” in der Setlist keine Berücksichtigung fand.

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