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So war’s: Haldern Pop 2012

15. August 2012

Im beschaulichen Rees-Haldern fand am vergangenen Wochenende die 29. Auflage des Haldern Pop Festivals statt. Rund 7000 Besucher erwarteten Künstler wie Ben Howard, Wilco oder Two Door Cinema Club am Niederrhein.

Das Haldern Pop (Foto: Christoph Buckstegen)

Das Haldern Pop ist etwas besonderes. Es sticht heraus in der völlig überladenen deutschen Festivallandschaft. Das beweist auch die Tatsache, dass bereits am 30.12. – nur sechs Tage nach Bekanntgabe der ersten Bands – das Festival den Ausverkauf vermelden konnte. Dass die Tickets mit Preisen ab 70€ aufwärts verhältnismäßig viel Geld für ein verhältnismäßig kleines Lineup erfordern, tat dem Kaufrausch des Haldern-Publikums dabei keinen Abbruch. Der Beweis, dass das Konzept “Haldern Pop” mehr als nur drei Tage Musik und Camping umfasst.

Das wird spätestens dann zum ersten Mal klar, wenn bei der Einfahrt auf den Reitplatz dieses vielsagende Schild erblickt. “Don’t worry – only 100m from now on” steht dort geschrieben. Es ist Balsam für die nach hunderten Kilometern geschundene Autofahrerseele. Von dieser Liebe zum Detail zeigte sich auch Thees Uhlmann beeindruckt, der am Freitag mit seiner Band Songs seiner Soloplatte zum Besten geben sollte.

Um die Abläufe in Haldern zu verstehen, sollte man wissen, dass das Festival seinen Ursprung in der katholischen Jugend des Dorfes hat. Seit 29 Jahren nun wächst und gedeiht das Festival und dürfte mittlerweile auch anständigen Gewinn für den Veranstalter abwerfen. Trotzdem merkt man auch als erstmaliger Haldern-Gast, dass das Festival tief im Dorf verwurzelt ist.

Haldern Pop (Foto: Christoph Buckstegen)

Als willkommene Abwechslung zu den bekannten Major-Festivals erweist sich die Möglichkeit, am Zelt parken zu dürfen. Mit dem Transport der Vorräte für drei Tage Festival entfällt auch der erste potentielle Stimmungskiller. Auch auf Kontrollen auf Glasflaschen, flüssigen Grillanzünder oder andere potentiell gefährliche Gegenstände wartet man vergeblich. Warum, das wird schnell klar: Das Haldern Pop bedient nur zu einem geringen Teil das bekannte Klientel der 16-23jährigen, für die Festival zu einem erheblichen Teil auch aus Party besteht. Aber Haldern ist anders. Beachtlich ist der große Anteil an Wohnmobilen, der auf einen gehobeneren Altersschnitt schließen lässt.

Unser Weg führt uns zunächst zur Bändchenausgabe. Wo sich andernorts mit Gepäck beladene Menschentrauben bilden, ist hier nur eine Schlange von runde zehn Metern zu sehen. Nicht einmal fünf Minuten dauert der Prozess vom Anstellen bis zum Bändchen am Arm. Die meiste Zeit nimmt hier noch das erneute Einreihen in der Schlange in Anspruch, weil der Verschluss meines Bändchens nicht ordnungsgemäß verschlossen war.

Der Donnerstag beginnt ruhig. Die Hauptbühne wird noch nicht bespielt, dafür aber eine im Biergarten aufgebaute Bühne, das Spiegelzelt, sowie die im Dorf selber gelegene Kirche und die benachbarte Haldern Pop Bar. Wir begeben uns also in die Kirche, wo wir die letzten Takte von Daan vernehmen, ehe nach einer halben Stunde Chris Garneau an sein Klavier tritt. Da dessen Musik zwar keineswegs schlecht ist, jedoch auf Dauer etwas monoton und einschläfernd wirkt, verschlägt es uns zunächst in den Supermarkt und anschließend in die Haldern Pop Bar, wo mit Ewert & The Two Dragons das erste große Highlight wartet. Die Pop Bar ist eine winzige Musikkneipe, die zu den vier Esten bereits aus allen Nähten zu platzen droht. Dementsprechend warm ist es auch. Ewert & The Two Dragons spielen ein halb-akustisches Set, dass fast die gesamte Pop Bar kollektiv in Begeisterungsstürme versetzt. Nur ein (geschätzt) über 60jähriger Niederländer neben mir zeigt sich unbeeindruckt. Seiner Meinung nach käme dieser Auftritt nicht annähernd an den in Nijmegen ein paar Wochen zuvor heran.

Vom Dorf begeben wir uns wieder in Richtung Reitplatz, wo wir die letzten Töne von Emanuel & The Fear vernehmen. Zwei Bier und ein Handbrot später reihen wir uns in die bereits beachtliche Schlange vor dem Spiegelzelt ein um Jamie N Commons sehen zu können. Der nach London ausgewanderte US-Amerikaner mit markantem Hut begeistert mit seinem Indie-Blues-Rock – vor allem aber durch seine Stimmgewalt. Man mag kaum glauben, dass dieser junge Mann tatsächlich erst gut zwanzig Lenze zählt. Wollte man unbedingt Referenzen nennen, fiele mir wohl am ehesten Tom Waits ein. Fest steht auf jeden Fall: Jamie N Commons könnte mit seinem später im Jahr erscheinenden Debüt-Album zu den Newcomern des Jahres zählen.
Für mich ist der Tag zumindest in musikalischer Hinsicht an dieser Stelle beendet. Ich entscheide mich stattdessen dafür, mich im Camp zu entspannen. Beim Verlassen des Geländes äußere ich noch meine Verwunderung über die äußerst gut gelaunte Security (die hier im übrigens “Stewards” genannt werden). Die Antwort, die ich erhalte ist so kurz wie vielsagend: “Tja, das ist Haldern…”

Der Freitag beginnt vergleichsweise früh, da die aufgehende Sonne das Zelt auf backofenartige Temperaturen aufheizt. Bemerkenswert ist die Ruhe auf dem Campingplatz. Hier und da hört man ein wenig Musik, aber insgesamt ist alles sehr entspannt. Auch das Wetter zeigt sich von seiner besten Seite – Sonnenschein, 25°C, hier und da leichte Wolken. Festivalherz, was willst du mehr?

Gegen 17:00 Uhr machen wir uns auf den Weg zum Gelände, denn die White Rabbits stehen auf dem Plan. Die sechs US-Amerikaner erweisen sich als gelungener Einstieg in den Tag und verbreiten auf den Reitplatz kollektive gute Laune, sodass sich zum Ende des Auftritts der Platz vor der Bühne immer weiter füllt.

Das Spiegeltent (Foto: Christoph Buckstegen)

Vor einem beachtlichen Publikum darf schließlich auch Dan Manganspielen. Der Kanadier spielte bereits im letzten Jahr im Spiegelzelt und schien beim Haldern-Publikum einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Ihm zu Ehren wirbeln an diesem sonnigen Freitag einige kanadische Fahnen sowie Krawatten (sic!) durch die Luft.

Als nächstes betritt Thees Uhlmann die Bühne. Ungewohnt nüchtern, deshalb jedoch nicht weniger redselig, präsentiert sich der Tomte-Frontmann an diesem Tag. Auch das Werfen der Gitarre zum Soundtechniker sowie das Covern von Caspers “XOXO” gehört heute zum Programm.

Zwischen den Bands Getränke zu holen erweist sich übrigens – wie das gesamte Festival – als äußerst entspannt. Durch die Lösung mit den Wertmarken (Ja, ich revidiere meine Meinung aus dem Greenville-Bericht.) entstehen keine langen Schlangen, das Finden der Mitstreiter ist aufgrund des übersichtlichen und nachsichtigen Publikums ein Kinderspiel.

Mit Ben Howard spielt nun schließlich der erste Act im Dunkeln. Auch Ben Howard trat bereits 2011 im Spiegelzelt auf und sorgt auch an diesem Tag für Gänsehautmomente, insbesondere beim Song “The Wolves”.

Den Abschluss meines Tages an der Hauptbühne bilden schließlich Two Door Cinema Club, die gewohnt gut Einheizen und auch das sonst eher zurückhaltende Halderner Publikum zum Tanzen animieren können. Auch die insgesamt drei neuen Songs kommen gut an und lassen Vorfreude auf das im September erscheinende Album entstehen.

Absolut tanzbar sind auch Oberhofer, die zu später Stunde dem Spiegelzelt noch einmal mit druckvollem Indie-Rock einheizen. Überschattet wurde dieser Auftritt leider durch das einzige negative Erlebnis an diesem Wochenende. Denn zwei Herren waren offensichtlich nicht in der Lage, ihre Meinungsverschiedenheit verbal beizulegen, woraufhin es zu einer kleinen Rangelei kam, die durch das beherzte Eingreifen einiger Zuschauer jedoch in Windeseile aufgelöst werden konnte.

Zum Auswerten des Tages bei kalten Hopfengetränken lädt das Wetter an diesem Abend nicht unbedingt ein. Das starke Temperaturgefälle verleitet mich dann doch eher, schnell die wohlige Wärme des Schlafsacks zu suchen. Diese Wärme verfluche ich wiederum als ich am nächsten Morgen aufwache, denn erneut habe ich das Gefühl, eher in einer Sauna denn in einem Zelt zu sein.

Am Samstag liegt der Fokus für mich weniger auf dem Anschauen bekannter Bands, sondern mehr auf Neuentdeckungen. Einziger wirklicher Pflichttermin sind Boy & Bear im Spiegelzelt. Es ist nicht das bekannte Bühnenhopping, das diesen Tag prägt. Ich lasse mich mehr treiben, entscheide spontan, was ich mir anschaue, lebe in den Tag hinein. So sind die ersten beiden Bands, die ich sehe – Guillemots und Bowerbirds – zwar unterhaltsam, aber eher nette Hintergrundmusik zum Zeitvertreib. Anders dagegen Team Me: Sie verstehen es mit überdimensionalen Luftballons, das Publikum dauerhaft zu beschäftigen und mit ihrer Musik auch trotz der zumindest in der Sonne unerträglichen Hitze zum Tanzen zu bewegen. Wenn es im Übrigen eine prototypiche Hipster-Band gibt, dann ist es Team Me.

Unser Weg führt uns anschließend vor das Spiegelzelt, in dem Nigel Wright den perfekten Soundtrack zum Entspannen in der Sonne liefert. Da diese aber gefühlt immer stärker im Nacken brennt, suchen wir lieber Zuflucht im Schatten unseres Camp-Pavillons.
Was wir von dort aus beobachten, ist schon etwas hippieesk. Eine Reihe von jungen Damen und Herren, die barfuß tanzen und riesige Seifenblasen produzieren, sieht man sonst auch nicht alle Tage. Aber auch das ist Haldern – Seifenblasen und Glitzer sind nicht wegzudenken.

Irgendwann machen aber auch wir uns wieder auf den Weg zum Spiegelzelt, denn dort stehen nun Boy & Bear auf der Bühne. Für mich ist der Auftritt der australischen Indie-Folk-Rocker einer der schönsten des gesamten Festivals. Insbesondere “Golden Jubilee” und “Milk & Sticks” erfüllen mich mit Glückseligkeit.

Es folgen danach noch die Auftritte von The Maccabees, Alcoholic Faith Mission und Wilco. Diese sind alle auf keinen Fall schlecht, bieten gute Unterhaltung und einen schönen Zeitvertreib. Die absolute Begeisterung können sie bei mir jedoch (vielleicht auch aufgrund der direkt zuvor spielenden Boy & Bear) nicht auslösen.

Als letzte Band des Festivals spielen um 1:55 Uhr noch Alt-J. Allerdings entscheide ich mich zu Gunsten von Erholung für die am nächsten Tag anstehende Rückfahrt, auf Alt-J zu verzichten.

Nach dem Abbau am Sonntag ereilt uns noch ein kleiner Schock in Form einer leeren Batterie. Hilfsbereite Dortmunder geben uns jedoch Starthilfe und sorgen für eine zügige Abfahrt. Noch einmal an letzter Gruß an das Haldern Pop, verbunden mit der erstaunlichen Erkenntnis, dass alle bereits abgereisten Gäste ihre Plätze absolut rein und ohne jegliche Müllrückstände hinterlassen haben. Ja, auch das ist Haldern.

 

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Sven Morgenstern