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So war’s: Isolation Berlin, Die Nerven, Messer auf dem Pop Kultur Berlin Festival

28. August 2015

Berlin ist Pop Kultur. Und hier hat zumindest fast alles angefangen. Anhand dieser Leitlinie versucht sich das neue Pop Kultur Berlin Festival zu etablieren. Im Berghain. Zum showcasen, netzwerken und Image wahren. Zur erfolgreichen Premiere verhelfen schließlich gerade Bands, die laut und unverhohlen klar machen, genug zu haben – von „dem ganzen Dreck“.

Das machen sie mit bisweilen beklemmender Eindringlichkeit: „Ich bin so fett, ich schlitz mich auf. Ich muss aus meinem Körper raus“ (“Körper”), brüllt der Sänger von Isolation Berlin ins Mikrofon. Auf einer Bühne im Mainfloor des Berghains stehend, wohlgemerkt, dem eigentlichen Tempel hedonistisch zelebrierter Körperlichkeit. Doch insgesamt präsentiert sich die Band beim Konzert in gelassen-gelähmt wirkender Gleichgültigkeit: „Wir spielen einen Song. Und danach noch ein paar. Und der nächste geht irgendwie so“. Oder so. Es folgt ein Lied über die Depression, den Kampf, morgens aus dem Bett zu kommen, in der Sinnkrise steckend. Vorgetragen changierend zwischen Punk und einer pop’igen NDW-Fröhlichkeit, die einen zweifeln lässt, ob man jetzt wirklich mittanzen sollte zur schonungslos offen vorgetragenen Selbstzerstörung. Eine feste Positionsbestimmung unmöglich. Unerwünscht. In einer Stadt, die zumindest vorgibt, sich fortwährend neu zu erfinden, und doch immer glatter zu werden droht.

Weiter geht es Stunden später in der Berghain Kantine, die sich gekonnt urban-industriell präsentiert: Mit ihren metallenen Deckenleuchten und den Tapetenfetzen, die sich von der Decke lösen. Die Nerven stehen zu dritt auf der Bühne. Eine drückende Hitze, der Nebeldunst im Raum, die verbrauchte Luft machen das Konzert zur Belastungsprobe. Für Publikum wie Band, die immer wieder Wasser aus 0,5er Flaschen in den ersten Reihen verspritzt. Die sich entschuldigt für das eigene Spielen, weil es einfach verdammt heiß sei. Und doch geht das ganze Konzert wütend – und vor allem laut – nach vorne. Auch hier werden Selbstzweifel nach außen getragen. Und man meint, es ihnen abnehmen zu können, wenn man sie beobachtet auf der Bühne: Wenn sich absinthgrünes Neonlicht durch den Nebel schneidet und der hagere Sänger auf der Bühne ein wenig ungelenk auf und abwippt. „Ich habe Angst vor Begegenheiten, Ängste vor Situationen, obwohl ich weiß, dass diese Ängste, sich überhaupt nicht lohnen“: „Angst“ beendet schließlich das Set und lässt den Abend mit einigermaßen erfüllter Erschöpfung zu Ende gehen.

Einen Tag später holen mich an gleicher Stelle grelle Lichtblitze und verzerrte Gitarren Mourns zurück in Konzertstimmung. Wieder ist es drückend heiß. In den Songpausen hört man das Surren der Lüfter, die klingen wie alte Filmprojektoren, jederzeit kurz davor, ihr Tun endgültig aufzugeben. Messer sollen gleich spielen. Sie bereiten sich auf der Bühne vor, bitten um „zwei Minuten“. „Alex, können wa anfangen?“, fragt der Sänger schließlich, den Blick aufs Mischpult gerichtet. Gute Ansage zum Konzertstart, eigentlich. Mit einer plötzlichen, sicher nicht zufälligen, Assoziation: „Geniale Dilletanten“, ursprünglich aufgeschnappt als Titel einer Ausstellung zu Subkulturen der 1980er in Deutschland. Es die gelungene Nicht-Inszenierung-Inszenierung, die so angenehm hervorsticht. Dabei kann Sänger Hendrik Otremba Frontmann: die Stimme markant, klagend. Der fortwährende Tanz mit dem Mikroständer galant. Die Ansagen gekonnt, vor allem das zum Thema gemachte Nicht-Wissen, wann man eigentlich noch was zu sagen habe im Gefüge des noch unvertrauten neuen Sets. Lieder des kommenden dritten Albums spielt die Band erstmalig live. Manuel Chittka, Perkussionist, ist zwischenzeitlich zum festen Bandmitglied geworden, was das Ganze ausgebreiteter klingen lässt. Der Bogen zu den Nerven und Isolation Berlin? Schnell gespannt, Thema ist das Mit-sich-selbst-klar-kommen: „Und am Ende dieser Worte, werd ich damit sterben müssen, dass ich der bin, der ich bin, und ich werd es bleiben müssen“ (“Es gibt etwas”).

Am Ende sind es drei unterschiedlich-gleiche Ansätze des Nein-Sagens zu dem, was ist. Und es ist wohltuend zu merken, dass auch das zumindest einen kleinen Ausschnitt dessen zu bilden scheint, was in Berlin als Popkultur begriffen wird.

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Manuel Hofmann

Festivalaffiner Politikwissenschaftler.