Es ist ihr erstes Konzert seit dem Headliner-Auftritt beim Reading und Leeds Festival 2011: Muse melden sich mit einem exklusiven und fulminaten Clubgig im Kölner E-Werk zurück.
An diesem Donnerstagabend ist schon der leicht surreale Anblick ein Highlight, als Muse mit Gesichtern zwischen nervös-angespannt und fettem Grinsen die Bühne des für ihre Verhältnisse kleinen Kölner E-Werks betreten, sich ihre Instrumente umschnallen und die ersten Takte anstimmen. Wir reden hier wohlgemerkt von einer Band, die bereits vier Mal das Londoner Wembley Stadium ausverkaufte und auf der “The Resistance-Tour 2010” locker Europas größte Stadien füllte.
Wer die Band noch nicht live gesehen hat, mag sie für überbewertet halten. Fakt ist: Die Musik der Britrocker zieht erst live so richtig, denn darauf sind die Songs schlichtweg ausgelegt. Nicht umsonst zählen Muse zu den besten Livebands unserer Generation. Ihre Shows sind mitreißend, der bombastische Sound erschüttert bis ins Mark und bleibt dort haften. Es ist ein bisschen wie mit einer Droge: Wer die Band einmal live erlebt hat, verfällt in der Regel sofort dem Suchtfaktor.
Das E-Werk ist an diesem Abend in fester Fanhand. Sie sind gekommen, um die Band aus Teignmouth, die 2009 zuletzt durch die hiesigen Gefilde tourte, wiederzusehen und die Songs des kommenden Albums The 2nd Law weltexklusiv als erstes zu hören. Das neue Werk, welches kommenden Freitag erscheint, sah sich bereits im Vorwege mit einer gehörigen Portion Skepsis konfrontiert. Dubstep-lastig und von Skrillex inspiriert soll der sechste Longplayer sein – so das erste Medienecho. Appetithappen wie Unsustainable und die erste Single Madness bekräftigten dieses Bild. Unruhe unter den Fans: Ist ihre Band nun endgültig dem (Größen-)Wahnsinn verfallen? Schon der Vorgänger The Resistance hatte die Bandjünger in zwei Lager gespalten. Was sie noch nicht wissen: Am Ende des Abends können sie sich auf The 2nd Law freuen. Denn nicht nur die Intimität der Location, sondern auch die Frisur von Frontmann Matt Bellamy erinnern an Hullabaloo-Zeiten und man ahnt bereits: Dies wird ein fulminantes Konzert.
Jener Eindruck wird sogleich mit dem ersten Song des Abends, dem Live Debüt von Supremacy, unterfüttert. Muse liefern hier eine Rocknummer im klassischen Stil der Band ab, bei der schon der Eingangsriff jenem schweren und druckvollen in Citizen Erased gleicht. Da ist es kein Wunder, dass sich das Publikum zu ersten verbalen Begeisterungsstürmen verleiten lässt, denn hartes Gitarrenspiel hatte man bei Muse zuletzt schmerzlich vermisst.
Klar, dass es nicht einfach ist bei einem Promotion- und Radiokonzert, auf dem die neuen Songs Premiere feiern, für durchweg gute Stimmung zu sorgen. Doch Muse machen es clever, legen gleich mit einem rockmusikalischen Klassiker nach, um das Set in den sicheren Hafen zu bringen: Hysteria. Dann gibt es mit Panic Station und Animals wieder neues Material auf die Ohren. Erster etabliert sich als Nachfolger von Supermassive Black Hole unter den Zuschauern zu einem ersten Favorit der neuen Platte. Während sich also dieser von Prince inspirierte und mit überkandideltem 80er Jahre Funky Beat daherkommende Song in allen Ohren festsetzt, versetzt Animals hingegen Band und Publikum zurück in die Showbiz-Ära.
Einen besonderen, emotionalen Moment hat Bassist Chris Wolstenholme im Kölner E-Werk. Das erste Mal seit 18 Jahren Bandgeschichte steht er als Lead Vocalist auf der Bühne und performt seinen Song Save Me, in dem er von seinem überwundenen Alkoholismus berichtet und gegen Ende sogar ein paar Tränen wegdrückt, während das Publikum ihn lautstark unterstützt.
Mit den ersten Tönen von Time Is Running Out gibt es schließlich kein Halten mehr: Der Innenraum verwandelt sich in eine wobende, schiebende, springende und durcheinandertanzende Menschenmenge. Die Stimmung ist euphorisch und trägt sich über Hits wie Uprising, Plug In Baby und Knights Of Cydonia.
Dazu trägt der extrem gut abgemischte, klare Sound bei. Hier werden Lautstärke und Druck mit fein säuberlich ausbalanciertem Klang und Detailreichtum vereint. Sagenhafte drei Stunden Soundcheck am Vor- und Nachmittag machen dieses Klangerlebnis möglich. Matt Bellamy präsentiert sich zusätzlich in stimmlicher Hochform: Jeder Ton wird getroffen und auch beim Falsett sind keine Wackler auszumachen. Und das, obwohl der kleine Brite wie ein Duracelhäschen über die Bühne fegt, rumhüpft und währenddessen sein Gitarre malträtiert.
Bescheiden für Muse-Verhältnisse ist hingegen die Bühnenshow. Keine 15 Meter hohen Türme oder pyramidenförmige Gebilde dominieren die kleine Bühne; selbst eine LED-Wand sucht man vergeblich. Stattdessen steht die (neue) Musik und Nähe zwischen Band und Publikum im Vordergrund und das ist auch mal gut so. Neben dem bombastischen Sound heißt es höchstens noch in Sachen Lichtshow „the bigger, the better“: Es zuckelt, es blitzt, die Spots sind mit der Musik getaktet und zielen in die Zuschauermenge.
Über allem thront aber eine musikalisch brillante, extrem gut gelaunte Band, die sichtlich Spaß an ihrem Live-Comeback hat und ihre Energie auf ein ohnehin ekstatisches Publikum überträgt. Ein intensives Konzerterlebnis, das noch lange im Gedächtnis bleiben wird.
Wie hat man sie nach The Resistance vermisst: Die für Muse typischen Überlagerungen und Explosionen der Songs. Gewürzt mit einer Prise Theatralik und Bombast. Muse melden sich mit diesem gelungenen, ersten Auftritt auf der Musikbühne zurück und machen so richtig Lust auf ihr sechstes Studioalbum. Es orientiert sich wieder stärker an Vorbildern und bietet viel Falsett-Gesang – was besonders die Fans freut.
Jene wuseln im Anschluss ausgepowert, mit glücklichen Gesichtern und high von der Musik durchs Foyer oder über den Platz vorm E-Werk. Sie alle wird man im Winter wiedersehen, wenn Muse für zwei Konzerttermine nach Deutschland zurückkehren.
Setlist:
- Intro + Supremacy (Live Debüt)
- Interlude
- Hysteria
- Panic Station (Live Debüt)
- Resistance
- Supermassive Black Hole
- Animals (Live Debüt)
- Time Is Running Out
- Save Me (Live Debüt)
- Madness
- Uprising
- Follow Me (Live Debüt)
- Plug In Baby
- Knights of Cydonia (+ Man with a Harmonica Intro)
Encore:
16. Stockholm Syndrome
17. Starlight
18. Survival