Festivals, Hotspot

So war’s: Prima Leben und Stereo 2013

Manuel Hofmann

Festivalfficionado, Fotodude

Neurobiologe, Festivalliebhaber. Verdient seine Brötchen mit Webseitenkonsulting (Strategische Planung, Erstellung, Pflege) bei 70six.de.

Abends nach den Konzerten zusammensitzen mit Veranstaltern, Helfern und den Bands des Tages und so gemütlich das Festival ausklingen lassen – das gibt es längst nicht überall. Beim Prima Leben und Stereo am Vöttinger Weiher in Freising nahe Münchens schon. Alleine die entspannte Atmosphäre, die ich im Vorjahr kennen lernen durfte, ist für mich Grund genug, um zum 20. Geburtstag des Festivals zu kommen. Dazu kommt ein musikalischer Festivalsamstag, der unter anderem Tocotronic, Sizarr und Claire bereithält.

Es ist Samstagabend, draußen weht es kräftig, ein paar Regentropfen schaffen es so durch die offenen Eingänge des mit Bierbänken bestückten Festzeltes. Draußen schließt vor halbleerem Zuschauerraum Bernd Begemann das Prima Leben und Stereo 2013 musikalisch ab. Am Nachbartisch des Zeltes sitzt Dirk von Lowtzow, Sänger von Tocotronic. Aus einem kurzen Dankeschön für das Konzert wird ein längeres Gespräch, gemütlich und ungezwungen. Angefangen mit einem Austausch über Judith Butler, auf die er in einer Ansage zum “Gender Trubel” verwiesen hatte.

Überhaupt sind Konzerte und Lieder Tocotronic schwer beladen mit (pop)kulturellen Referenzen, mal offensichtlicher in Form eines Star Wars T-Shirts des Gitarristen mal deutlich subtiler: Dass ein Theodor Adorno oder eine Judith Butler im Liedtext steckt, wird wenigen bewusst sein, während sie im Pogokreis tanzend die Musik feiern. Aber so ist Popmusik.

Schwer greifbar bleiben die meisten Liedtexte. Ganz loslösen vom Schlagwort “verkopft” kann ich die Band gedanklich bisher nicht. Aber das, was sie beim Prima Leben und Stereo zeigten, war um Welten besser als der Rock im Park Auftritt vor rund zwei Monaten. Ich hatte angekündigt, mich zu melden, sollte ich einen Zugang zur Band gefunden haben: Liebe Freund_innen, ich glaube nach diesem Konzert, dieser Stimmung, ist es schwer, von der Festivalwiese zu gehen, ohne zumindest ein bisschen Tocotronic-Fan zu sein. Da machte es auch nichts, dass der Himmel blitzte und es fast das ganze Konzert über regnete – im Verlauf genauso stärker werdend wie die Stimmung des Publikums.

Den ganzen Tag zuvor hatte die Hitze dominiert, die Temperaturen wohl näher an den 40° als den 30°, die Sonne brennend. Das bedeutete auch, dass Planschen am Vöttinger Weiher Pflichtprogramm der Camper und Wasserpistolen neben Konfetti und Glitzer zu den beliebtesten Spielzeugen zählten.

Wer es trotzdem schon vor Tocotronic zu der Bühne geschafft hatte, sah, teilweise auf einem Badetuch sitzend, Bands wie The Dope, die bei ihrem Alternative-Rock auf das bewährte Zwei-Mann-Band Konzept setzen, dies im Laufe des Konzerts aber doch immer wieder durch eine dritte Person auf der Bühne durchbrachen. Schwer gehypte Namen im Programm waren Claire, deren Elektropop sie zu den HAIM des Jahres 2014 machen könnte, und Sizarr, die sich einen Produzenten mit Casper teilen und mit einiger Sicherheit in den nächsten Monaten einen großen Bekanntheitssprung machen werden: Zu toll ist das alt-j’ige Album “Psycho Boy Happy”, dessen breites Spektrum von Einflüssen schon an den unterschiedlichen Styles der drei Bandmitglieder sichtbar wird. Dazu. diese. Stimme. Was ein Kollege von laut.de schreibt könnte ich nicht passender ausdrücken: er klinge so, “als hätte er von Geburt an mit Lemmy geschlotet und sich an dessen Whisky-Sammlung bedient.”

Dass die Bühnenshow bei ihnen nicht so souverän war, wie bei Tocotronic im weiteren Verlauf des Tages, sei verziehen. Immerhin haben letzere 20 Jahre Bühnenerfahrung auf dem Buckel – genauso wie das Prima Leben und Stereo. Diese merkt man dem Festival auch an: eine große Lässigkeit bei einwandfreier Organisation. Dazu ein Musikprogramm, das Jahr für Jahr mit etablierten Größen aus dem deutschen Musikmarkt punkten kann und immer wieder spannende Neuentdeckungen bereit hält. Und das alles in einem Setting, das man als idyllisch beschreiben kann. Und das ist bei Festivals alles andere als selbstverständlich.

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