Hotspot, Reviews

Southside 2014 – der Samstag: Die totale Reizüberflutung.

Southside 2014 - Impression aus der ersten Reihe, Foto: Thomas Peter
Tanita Sauf

Festivalfficionado, Fotodude

Neurobiologe, Festivalliebhaber. Verdient seine Brötchen mit Webseitenkonsulting (Strategische Planung, Erstellung, Pflege) bei 70six.de.

Im September erscheint das nun mehr viertes Studioalbum namens ‘Listen’. Wer The Kooks schon einmal live erleben durfte, der weiß, dass man eine sehr gute Show zu erwarten hat, außer Sänger Luke Pritchard hat einen seiner divenhaften Anflüge oder leider etwas zu tief ins Glas geblickt. Dass man seine Bühnenansagen meistens kaum versteht ist Standard und auch an diesem Abend hört man feinstes Britisches Genuschel – aber eine Show, wie The Kooks sie nach all den Jahren immer noch – oder sollte ich sagen endlich wieder? – abliefern, braucht kein unnötiges Geplapper zwischen den Songs.
Trotz der gefährlichen Nostalgie-Brille versuche ich einigermaßen objektiv zu bleiben und kann nur feststellen, dass The Kooks einen grandiosen Auftritt liefern. Das Set platzt förmlich vor lauter Indie-Standards des Debüts “Inside In/Inside Out” (“She Moves In Her Own Way”, “Ooh La”, “Do You Wanna”, “Sofa Song”) und das Publikum tanzt ebenso begeistert zu den altbekannten Stücken, als auch zu mehreren neuen Stücken, über deren Namen man neben “Around Town” und “It Was London” bisher nur spekulieren kann (u.a. “Forgive Forget” und “Bad Habit”), die allesamt allerdings überaus vielversprechend klingen. Frontmann Luke, der sich an diesem Abend mit Jagger-esquen Tanzeinlagen wirklich extrem ins Zeug legt, und seine Band, nehmen das Publikum mit auf eine kleine Zeitreise zurück zu den vielen Sommerabenden an denen man zu eben diesen Songs durch Indiediscos tingelte…herrlich.
Zugleich entsteht ein mehr als positiver Eindruck dessen, was uns im September erwartet. The Kooks haben sich anscheinend unverkrampft neu erfunden, ohne sich zu wiederholen und ohne sich selbst zu verlieren. Bitte weiter so! Tourdaten im Herbst sind hoffentlich auch nur eine Frage der Zeit.

Was nun folgt ist Konzerte besuchen für Fortgeschrittene: Casper oder Arcade Fire? Was tun? Einmal kurz verzweifelt weinen und dann einen Plan entwerfen. Da ich Casper und seine Gang nun tatsächlich schon häufiger gesehen habe, als ich zugeben möchte, konnte ich mir Arcade Fire nicht entgehen lassen. Als Nerd der Extraklasse hingegen hatte ich – zum Glück! – durch die Berichterstattung vom Hurricane mitbekommen, dass im besten Falle in Caspers Set etwas für mich ganz Großes passieren würde. Aber eins, nach dem anderen.

Casper springt wie bereits seit der Hallentournee im Frühjahr bekannt zu “Im Ascheregen” auf die Bühne und begrüßt das Publikum in gewohnter Manier mit einem “SOOOOUUUUUTHSIIIIIIIIIIIIIIIIDE”. Es folgt die bereits etablierte sehr gut funktionierende Setlist mit “Alles endet aber nie die Musik”, “Ganz schön okay”, “Ariel”, ein bisschen was von “XOXO” und solchen “Brettern” wie “Casper Bumayé!”.
Frontmann Benjamin wie immer fast schon zu sympathisch, lächelnd, auf Menschen zeigend, die Bühnenansagen des Wahnsinns von sich gebend (“Wir sind ja schon so alt! Wir schlafen in Sauerstoffzelten!”) – die Show sitzt und verliert beim x-ten Mal nur ein ganz klein wenig an Magie. Dank meines Wahnsinns verabschiede ich mich nach einigen Songs schweren Herzens für einen Moment an die Green Stage, um mit anzusehen, wie die insgesamt 12 (!) Musiker von Arcade Fire kunstvoll minutenlang die Bühne betreten und ihr Set mit “Here Comes The Nighttime” eröffnen.
Verrückt, diese Menschen von Arcade Fire. Ich will bleiben, aber hektisch weiß ich, dass ich schon die grandiose Passage von “Halbe Mille” über “Cas in Paris” zu “Mittelfinger Hoch” verpasst habe und ein hetischer Blick über die Schulter sagt mir, dass mir gerade das immer großartige “Blut Sehen” mit seinen Wolfsanimationen entgeht. Nichts wie zurück zu Casper, damit ich ja DEN Moment nicht verpasse. “Lilablau” und kurz darauf “XOXO” – mit Surprise, Surprise – Thees Uhlmann oder um es mit Caspers Worten zu sagen THEEEEEES UUUUUUUUHLMAAAAAAAAAAANN.
Das kennen wir zwar alle schon, schön ist es trotzdem mal wieder. Doch dann kommt der Moment, der mir seit Tagen in Kopf und Herz nachklingt: Thees Uhlmann singt den Tomte-Song “Ich sang die ganze Zeit von Dir”. Mein Herz aus Stein ist schwer zu rühren, doch ich war den Tränen sehr nahe, da ich nicht gedacht hätte, dass ich dieses Lied je noch einmal zu hören bekomme. Nochmals von Herzen vielen Dank dafür.

Natürlich wäre es regelrecht Frevel, wenn man sich derzeit (oder überhaupt) Arcade Fire anschließend entgehen lässt, wenn diese in etwa 400m Entfernung auftreten und obwohl mir ein Großteil des Sets leider entgeht (bis nächstes Jahr habe ich herausbekommen, wie das mit dem sich in mehrere Teile teilen funktioniert!) schaffen sie es mich mit den wenigen verbliebenen Liedern vollkommen zu überzeugen.
“Reflektor” allein entfaltet live eine Vollendung, wie man sie es sich kaum erträumen kann. Win Butler führt seine 11-köpfige Live-Formation anmütig und zugleich mit leicht wahnsinnigem Ausdruck an; Musik trifft auf Kunst trifft auf Theater. Ein weiterer Act, den man an diesem Wochenende eigentlich unter gar keinen Umständen verpassen durfte.

Noch vollkommen beeindruckt dann einmal wippend quer über das Gelände mit Macklemore & Ryan Lewis‘ “Thrift Shop” als unfreiwillige Untermalung und in die schützenden Arme von James Blake, dessen auf Understatement ausgelegte Show nicht nur als wahres Wundermittel gegen den draußen vorherrschenden Krach wirkt, sondern auch einen perfekten Abschluss für diesen eindrucksvollen Tag bildet.

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