Die Festival-Strategen von FKP Scorpio haben gesprochen: Nach zehnmonatigem Kombiticket-Monopol öffnen Southside und Hurricane die Pforten für die Eintages-Pilger. Mit der aktuellen Verkündung der Tageskartenoption wird den notorischen Festival-Sprintern unter uns – also denen, die lieber einen Headliner intensiv feiern, als drei Tage im eigenen Körpergeruch zu marinieren – die Erlösung zuteil.
Während die Festival-Veteranen seit letztem Sommer brav ihre Kombitickets horten, können Spontanentscheider und Kalkulierer jetzt gezielt zuschlagen. Der Zeitpunkt ist kein Zufall: Das Lineup steht größtenteils, die Tagesaufteilung ist bekannt – die letzten Ausreden gegen einen Ticketkauf schwinden dahin. Bis einschließlich Ostermontag gibt es die Tageskarten für jeden der 3 Festivaltage zum Preis von 119 Euro im Vorverkauf. Danach wird das Niveau auf 129 Euro pro Tagesticket angehoben.

Die verborgene Gewinnformel hinter dem Split-Ticket-Game
Was viele Festivalgänger übersehen, während sie ihren perfekten Festivaltag planen: Tageskarten sind für Veranstalter ein finanzielles Meisterwerk in Ticketform. Die simple Mathematik dahinter ist so brillant wie ernüchternd: Ein Kombiticket kostet aktuell 279 € (bald in Preisstufe 5 sogar 299€), während die frisch angekündigten Tagestickets für schlanke 119 € starten und nach Ostern auf 129 € klettern.
Für den kompletten dreitägigen Headliner-Marathon würdest du also mit Einzelkarten satte 357-387 € hinblättern – ein Preisaufschlag von bis zu 38 % gegenüber dem Festivalpass. Besonders pikant: Wer von Anfang an dabei war und das Kombiticket in Preisstufe 1 für 219 € ergattert hat, darf sich jetzt als absoluter Gewinner des kapitalistischen Festival-Monopolys fühlen.
Diese Kalkulation ist kein Versehen, sondern durchdachte Strategie. Während die Kombi-Crowd bereits im Camp versumpft, können die Veranstalter mit Tagestickets einen komplett neuen Besucherstrom anzapfen – und das zu Premium-Preisen pro genutzter Stunde. Die Fixkosten für Infrastruktur, Personal und jene Bands, die ohnehin nur für Hintergrundambiente zwischen den wirklich relevanten Acts sorgen, sind längst gedeckt.
Besonders lukrativ: Tagesgäste konsumieren tendenziell mehr vor Ort, da sie weder mit Dosenbier aus dem Camp anrücken noch ihre eigene Grillstation betreiben. Der perfekte Besucher aus ökonomischer Sicht ist vielleicht gar nicht der dreitägige Dauercamper, sondern der zahlungskräftige Eintagesgast mit Instagram-Story-Durst und Food-Truck-Budget.
Zwischen Kapazitätskalkül und Marketingstrategie
Der Move ist mehr als nur Kundenservice – er spiegelt die unausgesprochene Wahrheit wider, dass noch ausreichend Kapazität auf den Festival-Geländen verfügbar ist. Die Post-Pandemie-Jahre haben uns gelehrt, dass die fast schon mythologische „Ausverkauft“-Meldung bei diesen Festivals einer komplexeren Logik folgt, als wir in unserer Festivalpuristen-Eitelkeit wahrhaben wollen.
Ein Blick auf die letzten Jahre verrät: Besonders beim Hurricane waren Tageskarten verlässlich verfügbar – das Festival schaffte es in den letzten drei Jahren nicht einmal, komplett durch Kombitickets ausverkauft zu sein. Das Southside hingegen spielte häufiger die Exklusivitätskarte mit dem „Sold Out“-Status, doch selbst hier gab es 2024 eine entscheidende Nuance: Obwohl Ende Mai das große Ausverkauft-Banner gehisst wurde, waren Tageskarten längst im Umlauf – sie wurden schon Ende April freigegeben, als noch rund 10.000 Festivalpässe auf Abnehmer warteten.
Es zeichnet sich ein Muster ab, das weniger nach Festivalapokalypse und mehr nach datengesteuertem Business klingt: Etwa zwei Monate vor dem Event evaluiert der Veranstalter den Ticketstand und gibt bei prognostizierten Restkapazitäten den Tagesticket-Drops frei – eine Strategie, die offenbar nur durch einen exzeptionell frühen Run auf die Tickets (siehe Southside 2022) durchkreuzt werden kann.