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Vom geschenkten Gaul Frida

8. Juli 2011
BMW Welt, München (Foto: Ole 1981, flickr.com, CC by-sa)

Wenn Radio Energy in die BMW Welt einlädt, ist das im Grunde immer sehenswert. Egal bei welcher Band. Die BMW Welt am Olympiazentrum in München zeichnet sich aus durch ihre futuristische Bauweise. In der Nacht erstrahlt sie in bunten Farben. Das daran angeschlossene BMW Museum erinnert von seiner Außengestalt an eine Salatschüssel. Und die Innenausstattung ist durchaus imposant: Die Bühne ist einsehbar über eine breite Empore, der eigentliche Zuschauerraum ist weitläufig, die Decke ist hoch und rundum stehen BMW Oldtimer.

Am Eingang zählen die Securities die Besucher ab. Am Ende sind es ungefähr 400. Karten gab es nicht zu kaufen, wurden aber großzügig an Radiohörer verteilt. Mein Grundmotiv: Für Umme kann man auch Frida Gold mal mitnehmen. (Ja, das ist die Frau mit „Wovon sollen wir träumen“.)

In mehrerer Hinsicht ist das Konzert eine Premiere: Das erste mal Charts-Electro-Deutsch-Pop und das erste Mal mit dem Gefühl des Underdressed-Seins im Poloshirt. Rundum Anzugträger und junge, gestylte Frauen in Schick-Schick.

Nachdem das Grundsetting erklärt ist, kann das eigentliche Konzert beginnen: In diesem Fall mit einer wunderlichen Ballade. Schon jetzt steht fest: Frida Gold – das ist im Grunde Schlager mit Electropop Beats. Nicht wirklich schlecht, mehr aber auch nicht. Herrlich belanglos.

Mit Lied drei „Zeig mir wie du tanzt“ startet Sängerin Alina erste Animationsversuche. Sie scheitern weitgehend, kaum Mitsingende im Publikum. Und höchstens zarte Versuche des Mittanzens.

Nur eine Mittzwanzigerin oben auf der Empore zeigt sich begeistert: Die Frau in Blümchentop und schwarzem Rock klatscht kräftig und tanzt. Und sticht dabei aus der breiten Masse hervor. Als „Zeig mir wie du Tanzt“ endet, ereignet sich der – irgendwie erwartbare – Schuh-Incident. „Ich habe einen Fehler gemacht“, gesteht Alina. Sie habe sich neue Schuhe gekauft, knallrote Highheels, die sich als unpraktisch erweisen. Diese zieht sie jetzt aus. Damit eigentlich alles über diesen Abend gesagt. Aber machen wir trotzdem mal weiter:

Frida Gold

Alinas Outfit: Barfuß, abgesehen von der Strumpfhose. Hotpants im Marinelook – ziehen andere Leute nur zum Baden gehen an. Oben rum eine schwarze Corsage. Darüber eine undefinierbare Jacke. Die muss aber auch nicht näher beschrieben werden, weil eh klar ist, dass sie im Laufe des Abends noch fallen wird.

Inzwischen bietet sich die Gelegenheit, das Publikum zu beobachten: Rundum trinken die Gäste. Nicht etwa Bier, sondern Modegetränke – Hugo und Spritz. Na dann, Stößchen. Eine etwa 18-jährige fällt dabei besonders auf, roter Blazer, Highheels, Röhrenjeans und eine weiße Bluse. Und ihr „Tanzen“ – eigentlich passt “tussimäßiges Hin- und Her- Gewanke mit Pseudo-Tanz Charakter” besser. – Aber lassen wir das.

Widmen wir uns lieber der Band: Ein krasser Kontrast zur Sängerin Alina – und die Erklärung, warum man sie auf Artworks und Videos der Band nur im Hintergrund zu Gesicht bekommt: Die kräftige Statur des Bassisten passt nur bedingt zu seinem Bubikopf – und auch die Bewegungen auf der Bühne wirken irgendwie unbeholfen. Der Gitarrist, am rechten Bühnenrand, erinnert an die Herren von Biffy Clyro: Die braunen, zotteligen Haare hängen tief im Gesicht. Er versucht sich in Rockstarposen – aber die wilden Bewegungen wirken irgendwie deplatziert (und drogeninduziert). Der Chaotenverein wird vervollständigt vom Keyboarder, dessen ewig auf- und zugehender Mund an die verzweifelten Atemversuche eines an Land liegenden Fischs erinnern. Die Bandmitglieder ringen um ihre Stellung in der – stark von Alina – dominierten Band. Der Schlagzeuger bleibt dagegen angenehm im Hintergrund.

Alina beherrscht das Spiel mit dem Publikum dagegen perfekt, spätestens als sie bekundet im folgenden Lied eine „Liebeserklärung an die Liebe“ abgeben zu wollen.Ungeachtet dessen, dass schon in den vorgehenden Songs fast durchgängig die Liebe dominierte, reagiert das Publikum gerührt mit einem gedachten „Awh!“.

Und ja, auch tanzen kann Alina. Und sogar singen! Im direkten Vergleich mit der Band begeistert ihre Bühnenpräsenz. Hübsch ist sie bekanntlich auch.

Kommen wir zurück zum Schuhdilemma. Zwischen einer Songpause bittet ein vermeintlicher (Highheels-)Fan darum, die – von Alina verschmähten – Schuhe als Andenken geschenkt zu bekommen. Mit schmunzeln reagiert Alina: „Die haben leider zu viel gekostet. Aber man muss sich ja auch mal was gönnen:“ Voilà: Stereotyp erneut bestätigt.

Und auch die Songtexte von manchen Lieder erstaunen ein wenig. Zu ihrem Geliebten sagt sie: „Ich bin dein 24 Stunden Job“. Und nach dem Weggehen darf er ihr brav die Füße massieren. Aha.

Da ist man fast schon erleichtert, als die ersten Töne von „Wovon sollen wir Träumen“ erklingen. Hier erkennt man sogar stellenweise Mitsingversuche des Publikums. Schließlich geht die Band von der Bühne. Mehr Lieder hat die Bands nicht – das wird es wohl gewesen sein. Das Publikum klatscht – durchaus begeistert.

Einem geschenkten Gaul schaut man sprichwörtlich nicht ins Maul. Betrachten wir Frida Golds Maul dennoch etwas näher: Glatte Zahnreihen, strahlenweiß und lückenlos – perfekt. Und genau das ist ihr Problem. Perfekt inszenierter Electro-Pop mit bildhübscher Frontfrau. (Während die Rest-Band wohl bewusst zur Kontrastierung zusammengestellt wurde). Das ist im schönen Schein der Schicki-Micki-Welt durchaus hörbar. Mehr aber auch nicht.

Die Band kehrt doch nochmals zurück. Um etwas ganz Besonderes mit dem Publikum zu machen – wie jedes Mal bei diesem Lied. Übergeht man den darin befindlichen Widerspruch, kann man den Animationsversuchen durchaus erwartungsvoll entgegen blicken. Nach – insgesamt unkreativen – Vorschlägen des Publikums einigt man sich auf eine Polonäse, angeführt von Sängerin Alina zu einem Lied, das diese Form der Mallorca-Sause eigentlich nicht zulässt. Letztlich also eine Sitzlaola für Menschen, die Angst um ihre Designeroutfits haben. Seis` drum, eingehängt und mitgemacht. Die Menschenkette führt erst quer durch den beeindruckenden Zuschauerraum der Location – und nimmt dann seinen Weg hinter die Bühne.

Soweit so unspektakulär: Die üblichen Materialkästen, ein Laptop und ein paar Securities. Und ein Paket des Schuhshops Zalando. Die vermeintliche Herkunft der Knallrot-Highheels. Das zeugt von wenig Perfektion. Endlich! So kommt – begleitetet von einem verschmitzten Schmunzeln – doch ein Funken von Sympathie für die Sängerin auf.

Danach wieder das gewohnte Spiel: Alina findet es überaus toll, dass sich zwischen ihr und dem Publikum so eine eng verbundene Kette gebildet hat – der pompösen Location zum Trotz. Danach noch mal „Zeig mir wie du Tanzt“ und erneut „Wovon sollen wir träumen“. Das Problem einer jeden Band mit nur einem Studioalbum: Irgendwann gehen die Optionen für die Setlist aus.

Alle Bandmitglieder versammeln sich nach Ende des Konzerts vorne an der Bühne. Sie nehmen sich in die Hand und verneigen sich, machen also das, was man sonst nur von Theateraufführungen kennt. Summa Summarum also ein relativ belangloser Abend mit Konsens-Pop – wäre da nicht die Zalando-Packung gewesen.

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Manuel Hofmann

Festivalaffiner Politikwissenschaftler.