Konzerte

So war’s: Alligatoah in Leipzig

Sven Morgenstern

Festivalfficionado, Fotodude

Neurobiologe, Festivalliebhaber. Verdient seine Brötchen mit Webseitenkonsulting (Strategische Planung, Erstellung, Pflege) bei 70six.de.

Alligatoah ; Quelle: alligatoah.de
Alligatoah ; Quelle: alligatoah.de

Zwar lädt das frühsommerliche Wetter eher zu Freizeitaktivitäten im örtlichen Park ein, doch trotz des guten Wetters verirrt sich eine beschauliche Meute an diesem Sonntag zu Alligatoahs Tourabschluss in den Leipziger Westen. Eine durchaus ansprechende Alternative zum Grillen unter freiem Himmel und dem allwöchentlichen Tatort-Trott.

Schauspiel-Rapper Lukas Strobel – besser bekannt als Alligatoah – gehört zweifelsohne zu den Aufsteigern des letzten Jahres. Mit seiner Hit-Single Willst du? traf er den Nerv der Zeit und konnte innerhalb kürzester Zeit eine enorme Fanschar um sich versammeln. In Leipzig feiert Alligatoah nun den Abschluss des zweiten Teils seiner Reise-Nach-Jerusalem-Tour. Und wieder einmal stellt er seine beachtlichen Live-Qualitäten unter Beweis.

Im Täubchenthal, einer Location irgendwo zwischen Industrieruine und Ballsaal, betritt Alligatoah bereits zu ungewohnt früher Stunde die Bühne. Gegen 20 Uhr ertönt das vom Album bekannte Hört, Hört-Intro. Das Publikum hat er von Minute eins an komplett im Griff. Klar, der Fokus liegt ohne Zweifel auf dem Erfolgsalbum Triebwerke. Doch zwischen Narben, Wer weiß und Willst du? mischen sich immer wieder ältere Songs – die vom Publikum erfreulicherweise ebenso euphorisch aufgenommen werden, wie der neue weichgespülte Mainstream-Scheiß (Zitat Alligatoah). Ansonsten fällt das Publikum eher negativ auf. Ob minderjährig oder einfach nur besoffen und prollig: Man könnte durchaus den Eindruck gewinnen, das Gros der Besucher wäre nur anwesend, weil es cool ist, dass da jemand auf der Bühne Ficken! rappt*. Ein nerviger Tihihihi-Penis-Pennäler-Humor, der – so offen zur Schau getragen – durchaus zur Fremdscham taugt.

Nichtsdestotrotz sieht Leipzig an diesem Abend ein durch und durch solides Konzert. Zwar wirkt die Show in Verbindung mit der etwas geschwollenen Ausdrucksweise des Hauptakteurs etwas zu geplant und vorhersehbar, zu perfekt. Auch die Klatscheinlagen haben eher etwas von einer Animation für den ZDF Fernsehgarten – nur halt für das andere Ende der Bevölkerungspyramide. Doch Alligatoah weiß um seine Qualitäten als Entertainer und sorgt dafür, dass das Konzert kaum Längen hat. Dabei wird er tatkräftig von Backup-Rapper Butlerboi Basti unterstützt. Einen Solo-Song darf dieser performen, beim Battle-Track Rabenväter agiert er mit Alligatoah auf Augenhöhe. Es sind diese Momente, in denen die Show ihre Stärken entfaltet – die Momente, die vom üblichen Schema abweichen. Beispielsweise auch dann, wenn Alligatoah höchstselbst zur Gitarre greift, Songs (Namen machen) im Rüschenhemd auf Schlager-Stil trimmt oder Hype-Fans mit denen der ersten Stunde durch ein in Meine Band eingebautes Akustik-Medley (Mein Gott hat den Längsten,  Über alle Berge, Fledermausland, Raubkopierah) zu versöhnen versucht.

Alligatoah ist und bleibt – trotz gnadenlos durchchoreografierter Show – ein herausragender Entertainer. Und seine Konzerte werden auch künftig, trotz allen Schwächen, jeden auch noch so guten Tatort in den Schatten stellen. Dafür ist Lukas Strobel ein viel zu beachtlicher und gewiefter Wortakrobat.

 

*Äußerst subjektive Einschätzung. Dort, wo ich stand, hielt das Publikum eben jene Zusammensetzung bereit.

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