Bands um die es einen Hype gibt. Wie lange halten die sich schon? Wochen? Monate? Alt-J spielen heute Abend bereits mit ihrem zweiten Album in der seit Monaten restlos ausverkauften Berliner Columbiahalle. Auch Hypes können sich durchsetzen.
Von großer Rock’n’roll Show hat das heute Abend nicht viel. Vier unscheinbare Typen in karierten Hemden oder Bandshirts stehen, bzw. sitzen da auf der Bühne. Der eine grinst, der andere hat nur sein Mikrofon im Fokus, und was die anderen machen ist so unscheinbar, dass es gar nicht weiter auffällt.
Ja, das da auf der Bühne sind Alt-J. Die Band, die in ihrem Heimatland Großbritannien mittlerweile die 15.000+ Arenen füllt und auch hierzulande immer größere Hallen braucht, damit auch jeder eine Chance hat sie zu sehen.
Ihr aktuelles Album This Is All Yours, ein ruhigerer, reiferer aber logischer Nachfolger des Debuts An Awesome Wave schlug im UK auf Platz 1 in den Charts ein. In Deutschland kletterte das Album immerhin bis auf Platz 8. Aber sowas wie Verkaufszahlen oder Chartplatzierungen sind wirklich das letzte, für das sich heute irgendjemand interessiert.
Vollkommen unaufgeregt, und doch so intensiv präsentieren Alt-J ihre Songs dem Publikum. Und das Publikum selbst? Es saugt die Atmosphäre auf und wird selbst ein Teil des großen, ganzen. Schaut man von der Tribüne in den Innenraum der Columbiahalle fällt auf, dass nichts auffällt. Keine Handykameras die das Konzert mit völlig übersteuertem Sound mitfilmen und auch keine besoffenen halbstarken, die in den sowieso nicht vorhandenen Moshpit kotzen. Die leute hören zu, einige nicken mit ihren Köpfen im Takt, andere singen mit und tanzen sich in ihre eigene Welt.
Ein Konzert, welches zum Augen schließen und genießen einlädt, wäre da nicht die schon beeindruckende, aber nicht überladene Bühnenproduktion, welche eine schöne Mischung aus LED-Animationen und klassischen Lichteffekten bietet.
Alt-J wissen, dass ihre Zuschauer nicht die große Rockshow sehen wollen, auch wenn man das relativ früh im Set während ihres Jack White/Jake Bugg Hybrids Left Hand Free meinen könnte. Definitiv der rockigste Song des Abends. Aber trotzdem passt es ins Bild; passt der Song zwischen die sonst eher ruhigen und sphärischen Klänge, welche Alt-J normalerweise von sich geben.
Sänger John Newman traut sich zwischen den Songs gar nicht an sein Mikrofon. Den Job des Gastgebers und Unterhalters übernimmt Keyboarder Gus Unger-Hamilton. Aber eben auch in der typischen Alt-J art. Kein wildes Rumgebrülle. Gelassene Ansagen, hier mal ein Grinsen, da mal ein Dankeschön, das alles wirkt sehr höflich und sympathisch. Selbst die, wie für Ballermann-Rock-Animation gemachte „HEY TARO“-Brüllstelle im Song Taro wird von der Band eiskalt ignoriert und 1zu1 so gesungen wie sie einst geschrieben wurde. Und das ist gut so.
Alt-J sind eben das Kontrastprogramm zur typischen Rock’n’roll Kapelle und das scheint anzukommen. Seelige Gesichter verlassen heute Abend die Columbiahalle in die Berliner Nacht, denn dieses Konzert ist eben eines von der Sorte, die man nicht jeden Tag geboten bekommt.