Pete Doherty dürfte dem gemeinen Durchschnittsdeutschen allenfalls aus der hiesigen Boulevardpresse bekannt sein. Seine Beziehung mit Topmodell Kate Moss in Verbindung mit immer wiederkehrenden Drogen- und Alkoholexzessen bringen den Briten seit jeher immer wieder in die Schlagzeilen. Dabei wird jedoch meist geflissentlich ignoriert, dass Pete Doherty ein absolut herausragender Musiker ist. Am Dienstag gastierte er mit seinen Babyshambles in Huxleys Neuer Welt in Berlin.
Es trug sich zu im Spätherbst 2008. Unter Einfluss einer großen Menge verschiedenster Alkoholika betrat ich als bekennender Tanzmuffel erstmalig den einzigen hiesigen Club mit klarer Ausrichtung auf britische Independent-Musik. Zugegeben: Der Abend plätscherte so vor sich hin – und am nächsten Morgen war ich auch nicht mehr in der Lage, den Verlauf des Abends vollends zu rekonstruieren.
Dennoch prägte mich diese Nacht auf dem hiesigen Indie-Dancefloor. Denn es gab dort diesen einen Song – diesen Gitarrensound, der sich so unaufhörlich in meine Gehörgänge bohrte, sodass es mich fuchsteufelswild machte, nicht zu wissen, wer hinter diesem Song steckte. Wenige Wochen später fand ich mich erneut zu einer Tanzveranstaltung in besagtem Club ein – und da war es wieder: diese herrlich dreckig verzerrte Gitarre, begleitet vom einsetzenden Schlagzeug. Auf die Frage nach dem Interpreten dieses Songs erntete ich lediglich ungläubige Blicke, erfuhr aber dennoch, dass es sich um ein Stück der Babyshambles handelte. Der Beginn einer Leidenschaft für (vorzugsweise britische) Gitarrenmusik – abseits von Oasis.
Mehr als fünf Jahre liegen diese Ereignisse nun inzwischen zurück. Und nahezu genauso lange wartete ich nun darauf, die Band endlich live sehen zu können. Daher verwundert es wohl kaum, dass ich mich selten auf ein Konzert derart gefreut habe, wie auf das der Babyshambles an diesem bitterkalten Winterabend in Berlin. So wirklich hemmungslos ist die gespannte Erwartung allerdings nicht. Denn in diesen Gefühlsmix aus Enthusiasmus und kindlicher Ungeduld mischt sich auch immer dieses Unbehagen, dass es eben nicht das erste Mal wäre, wenn Pete Doherty einen Auftritt – aus welchen Gründen auch immer – absagen würde.
All diese Zweifel sind aber schlagartig verflogen, als die Band gegen 21:30 Uhr endlich die Bühne betritt und ihr Set mit Delivery eröffnet. Es ist einer dieser Songs, bei dem auch heute noch ganze Indie-Clubs kollektiv mitgröhlen und Flaschen von Billigbier prostend gegeneinander schlagen. Es ist einer dieser Songs, bei denen selbst der modebewusste Hipster eine Bierdusche akzeptiert und kurz vergisst, dass sein Undercut nicht perfekt sitzt. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch in Berlin: Tanzfreudig und bierbecherwurfgewaltig (obwohl der Club eine unrühmliche Historie hat was fliegende Bierbecher anbelangt) präsentiert sich das Berliner Publikum. Nicht nur bei den Klassikern, sondern auch bei den absolut tanzbaren neuen Songs wie Maybelline, Fireman oder Nothing Comes To Nothing. Und so dauert es keine fünf Minuten bis meine Haare durch umherfliegende Getränke klitschig-klebrig aneinanderkleben wie es auch das Publikum direkt vor der Bühne tut.
Die Babyshambles spielen sich souverän durch ihre überschaubare Diskographie. Pete Doherty gibt eine Kostprobe seiner ebenfalls überschaubaren Deutschkenntnisse. Das Publikum tanzt sich durch das (abgesehen vom unpassend wirkenden Dr. No) passend zusammengestellte Set. Keine Frage: dieser Dienstagabend ist ungemein unterhaltsam. Und dennoch vermag das Konzert mich nicht vollendes zu überzeugen. Es ist zum einen dieser Zwiespalt zwischen der Bewunderung für den Musiker und Mitleid für den von jahrelanger Drogenabhängigkeit gezeichneten Menschen Pete Doherty.
Und es ist das Fehlen meines absoluten Lieblingssongs: Carry On Up The Morning – dieser Song, dessen schrammelig-schönes Gitarrenintro mich einst zu dieser Band brachte. Dieser Song, dessen Textzeilen auch in vielen Jahren noch von Menschen in Indie-Clubs lauthals mitgegröhlt werden.