Hotspot, Konzerte

So war’s: Babyshambles in Wiesbaden

Pete Doherty in Aktion - mit den Babyshambles in Wiesbaden, Foto: Tanita S.
Tanita Sauf

Festivalfficionado, Fotodude

Neurobiologe, Festivalliebhaber. Verdient seine Brötchen mit Webseitenkonsulting (Strategische Planung, Erstellung, Pflege) bei 70six.de.

Über einen kurzen, aber denkwürdigen Abend mit den Babyshambles in Wiesbaden.

Es ist 21.36 Uhr und bisher ist noch nicht wirklich viel passiert. Gegen 21.10 Uhr machte sich bereits die erste Unruhe im Publikum breit – hier und da ein verfrühter Buhruf, ein bisschen Gemecker seitens des buntgemischten Publikums – sie kamen von nah und fern und in erstaunlicher Vielfalt um das immer noch enfant terrible schlechthin der Musikszene einmal live erleben zu dürfen und ganz unverhofft schlurft er plötzlich auf die Bühne: Pete Doherty, seines Zeichens an jenem Abend primär Frontmann der Babyshambles – oder doch eher Beobachtungsgegenstand einer soziologischen Studie? “Hello Deutschland, hello Baden-Baden.” Naja fast.

Scheinbar hatte kaum jemand überhaupt damit gerechnet, dass man an diesem Abend mit einer perfekten Show oder überhaupt irgendeiner Art von Show zu rechnen hatte – diesen Rückschluss ließ jedenfalls die teils fast schon ungläubige Reaktion des Publikums zu, das tatsächlich in großen Teilen zwischen faszinierter Ent- und Begeisterung zu schwanken schien. Plötzlich war er da, der Pete, umgeben von seinen treuen Kumpanen, deren vorrangige Aufgabe es zu sein schien Pete musikalisch den Rücken frei zu halten.

“Drogenkonsum hat noch nie jemandem gut getan”

So unmittelbar und verwirrend wie die Show mit noch komplett hell erleuchteter Bühne – der Lichttechniker konnte es wohl auch nicht fassen – begann, so schön begann das Set direkt mit “Delivery”. Hit Nummer eins wäre damit abgehakt und man stolpert – wortwörtlich – mehr oder minder koordiniert durch das Set. Es wäre zu einfach Doherty nur als Class-A-Junkie abzutun – das übernimmt er selbst indem er in einer seiner wenigen, aber dennoch überaus charmanten und zum Großteil tatsächlich verständlichen Bühnenansagen darauf hinweist, dass man ja darum gebeten worden sei darauf hinzuweisen, dass Drogenkonsum noch nie jemandem gut getan hätte. Nach kurzer Beratung mit seinem, man könnte durchaus sagen vom Rock’n’Roll ebenfalls gezeichnetem Gitarristen, erfolgt dann der freundliche Hinweis, dass man eventuell mitgebrachte Drogen doch bitte im vorderen linken Bühnenbereich einem Mann mit Liverpooler Akzent übergeben möge, woraufhin diese dann professionell entsorgt werden würden oder auch: “Does anyone happen to have any coke?”.

Wahlweise liest man gänzlich unverständliche Verse auf Deutsch vor, greift ab und an zur Gitarre um das durchweg solide Soundgerüst seiner Band mit ein paar mehr oder minder sauber gespielten Akkorden zu verzieren, verschluckt das Mikrofon, schmeißt den Mikrofonständer ins Publikum, setzt mehrere durch Fans gereichte Kopfbedeckungen auf, dreht einfach mal grundlos eine Runde um die Drums, trinkt mehrere Becher eines nicht näher definierbaren roten Kaltgetränks praktisch mit einem Schluck, animiert das Publikum halbseiden mit angedeutetem Klatschen und direkt folgendem gelangweilten Abwinken und zur Krönung verlässt Pete einfach mal circa für 2 Minuten mitten im Set die Bühne – und das Publikum schaut fasziniert zu, liegt Mr. Doherty bedingungslos zu Füßen und bewundert ihn sicherlich in großen Teilen für seine “Fuck it”-Attitüde. “Wow. Ein echter Rockstar.”

Tatsächlich rückt die Musik leider etwas in den Hintergrund der Betrachtung. Es fliegen Becher auf und von der Bühne, Verstärker werden umgekippt, das Publikum immer irgendwo zwischen kollektivem passiven Staunen und aufgeregtem Pogo. Herausragender souveräner Abschluss mit der Slackerhymne schlechthin – “Fuck Forever” – absolut jeder Einzelne in der Halle springt und schreit sich entzückt die Mittelfinger in der Luft schwenkend die Seele aus dem Leib.

60 Minuten sind genug

Pete und seine Babyshambles kamen (zu spät), spielten (mehr oder minder enthusiastisch), verbreiteten wohliges Chaos, das sich merklich auf das Publikum übertrug, und verzogen sich nach gerade mal etwas über einer Stunde wortlos. Ohne Zugabe, nach 10 Minuten weiterer Wartezeit und obwohl die Roadies die Bühne erneut bereit gemacht hatten. Doch das war’s für diesen Abend. Beruhigend zu sehen, dass auch weder Crew noch Band vor Petes Spirenzchen sicher sind.

Fazit

Man könnte anmerken, dass man für den Preis mehr hätte erwarten können, doch viel mehr sollte man, falls man etwas kritisieren möchte, anmerken, dass nicht einfach mehr erwartet wurde. Das Volk verlangte nach Doherty dem lustigen Junkie und genau den bekam es auch. Quasi als Bonus gab es zudem eine rotzige Rock-Show, wie sie im Buche steht und wie man sie tatsächlich selten erlebt.

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