Sind sie tatsächlich erwachsen geworden? Sind Jennifer Rostock mittlerweile die Band, zu der man seine Eltern ruhigen Gewissens mitnehmen kann? Glücklicherweise nicht. Aber reifer sind sie definitiv.
Heute Abend in Oberhausen geht es um Politik, die große Liebe und alles was dazwischen liegt. Da passt das dramatisch gehaltene Intro nur perfekt ins Bild. Die Band betritt im Halbdunkeln nach und nach die Bühne, Schlagzeuger Chris Kotze hämmert auf sein Set ein. Jeder Schlag wird von einem grellen Lichtblitz begleitet. Stille. Der Vorhang hinter den bisher erschienenen Bandmitgliedern fällt und Frontfrau Jennifer Weist kommt auf einem meterhohen Podest hinter dem Schlagzeug zum Vorschein. Der Kreischpegel in der Turbinenhalle ist trotz geschützter Ohren beinahe schmerzhaft.
Und schon sind wir mittendrin in einer Show, die beinahe alles bietet, was das Herz begehrt. Phantombild bietet den kraftvollen Auftakt für diesen Abend und lässt das Publikum von Beginn an völlig durchdrehen.
Im hautengen Glitzeranzug präsentiert sich Sängerin Jennifer, während der Rest der Band eher auf Bequemlichkeit statt Optik setzt. In ihrem Bewegungsdrang scheint sie das jedoch in keinster Weise zu stören und so kommen die Zuschauer kaum hinterher, während sie sich von links nach rechts, von vorne nach hinten, von unten nach oben, in Windeseile über die Bühne bewegt.
Während im Hintergrund auf der bühneneinnehmenden LED-Wand die Visuals flackern, wird es heute zum ersten mal wirklich ernst. Passend zur parallel in Sotschi stattfindenden Olympia Eröffnungsfeier kontern Jennifer Rostock Putins homophobe Politik, jedoch nicht nur die im Speziellen, mit dem Song Ein Schmerz Und Eine Kehle.
Ein politisches Statement, welches in der heutigen Zeit schon fast chic ist und dazugehört. Bei dieser Band merkt man jedoch sofort, mit welchem Herzblut sie dabei ist.
Doch es wird, wie vorher schon angekündigt, auch romantisch. Damit hat sie wohl nicht gerechnet. Während die Herzensdame unbedacht im Publikum steht, erscheint ihr zukünftiger Mann auf der Bühne und macht ihr einen Heiratsantrag. Nach kurzem Durchdrängeln durchs Publikum gibt es auf der Bühne natürlich das Ja-Wort. Jennifer Rostock wären nicht Jennifer Rostock, wenn sie das nicht mit einem Schnaps herunterspülen würden.
Es ist bemerkenswert, wie textsicher das Publikum, selbst bei den Songs des neuen Albums ist, welches grade mal zwei Wochen auf dem Markt ist. Aber das ist auch kein wunder, mit Schlaflos haben die Berliner schließlich mal wieder ein Album rausgehauen, welches zum fröhlichen Moshen und mitsingen einlädt. Ihr viertes Studioalbum ist es. Und die Konzerte werden immer größer. Die Oberhausener Turbinenhalle bietet heute eine beeindruckende Kulisse für mehrere Tausend Fans.
Fans die nach beinahe zwei Stunden Konzert glückseelig in die kalte Ruhrgebietsnacht schlendern. Heute war wirklich alles dabei. Lachen, Weinen, Nachdenken und die Faust in die Luft recken. Jennifer Rostock, „für Indie zu schön, für Mainstream zu obszön.“