Chimperator lädt ein und die rap-affine Jugend erscheint zahlreich.
Mannheim. Heimat der Popakademie, der Söhne Mannheims (ahem) und eines meiner Lieblingsfestivals, dem Maifeld Derby! Und seit Samstag gesellt sich ein weiteres memorables Ereignis zu dieser Liste hinzu: das OPEN’in Festival, das dieses Jahr zum zweiten Mal auf dem Maimarktgelände stattfand.
Zieht man in Erwägung, dass es erst Ende März ist und erst seit ein paar Tagen die ersten mutigen Sonnenstrahlen den grau-bewölkten Himmel durchbrechen, so herrscht bei meiner Ankunft am späten Nachmittag bereits geballte Festivalstimmung: angesichts der Temperaturen bedenklich knappe Kleidung, angesichts der Uhrzeit beeindruckend viele Betrunkene und angesichts der Tatsache, dass es sich um ein Ein-Tages-Festival handelt beeindruckend viel Müll. Teile des Parkplatzes hatten sich sogar dank Wohnwagen, Campingstühlen und Bierdosen in ein echtes Camp gewandelt. Respekt.
Das Line-Up gestaltete sich trotz des Labels „Hip-Hop-Festival“ erfreulich vielfältig und da ich zugegebenermaßen „mehr so Indie“ bin und mich extra, damit mich auch ja niemand rauswirft, mit meinem Alibi-Casper-Turnbeutel bewaffnet hatte, ist mein Tagesablauf vermutlich extrem unrepräsentativ für den des durchschnittlichen, eher dem Rap zugeneigten, Besuchers. Während meine Begleitungen von Gerard mit OK-KID-Gastauftritt, Weekend-Videodreh, Heisskalt und später Chakuza & RAF Camora berichteten, entschied ich mich für das Programm auf der Hauptbühne im Maimarktclub – das typische Festivalproblem, man kann eben leider nicht alles haben.
Unspektakulär und so gar nicht Rap präsentierten sich Claire – ich kann den übertrieben lauten und betont sphärischen Klängen und dem Zopf Hin und Herschwingen nicht besonders viel abgewinnen – die Bühnentechnik anscheinend auch nicht, die sich nach wenigen Minuten erstmal verabschiedete. Trotz technischer Schwierigkeiten lieferten Claire ein ganz nettes Set ab – dem Publikum schien es zu gefallen und die Atmosphäre stimmte schon mal für Herrn Alligatoah, der als Nächstes folgen sollte.
Mit gewohnt extravagantem Bühnenbild – manche der speziellen Portraits könnten bei mir wirklich noch für Albträume sorgen – und seinem treuen Diener an seiner Seite führte Alli-Alli-ga-toaaaah absolut souverän durch ein vorwiegend mit „Triebwerke“-Hits gespicktes Set. Extrem unterhaltsam und auf sympathische Art und Weise seltsam – weniger erfreulich die beeindruckende Textsicherheit des Fans der jüngeren Stunde, der mir erbarmungslos sämtliche Texte der neueren Songs ins Ohr schrie, so dass ich Alligatoah teilweise kaum hörte. Doch was ich abseits dessen noch hören konnte war perfektes Festivalmaterial.
Es folgten SDP: Stonedeafproduction aus Berlin, die ihre Bunte Rapublik Deutschpunk in Uniform und mit einer kleinen Portion Rapklischees inszenierten – „Ne Leiche“ in Form einer Gummipuppe, wilde Gitarrensoli, Muscleshirts und dem ein oder anderen sexistischen Kommentar. Für manche eher schwierig, die Mehrheit der Anwesenden allerdings feierte SDP gnadenlos ab.
Und dann hatte das Warten endlich ein Ende: es war Zeit für den Headliner des Abends – Kraftklub mit ihrem ersten Konzert seit fast einem halben Jahr. Wie immer angeführt von Frontmann Felix Brummer, der sichtlich nervös war und deshalb fast noch sympathischer wirkte, als sowieso sonst auch – vor allem, wenn er offen zugibt, dass er das mit den Bühnenansagen während der Aufnahmen zum Nachfolger von „Mit K“ ein klein wenig verlernt hat.
Das erste quasi-so-halb-hauptsache-schwitzig-Clubkonzert seit gefühlt einer Ewigkeit und sie hatten ja auch schon die ganze Woche lang extra nochmal geprobt. Süß. Statt höchst eloquenter Ansagen einfach für einen Song mal sein Shirt auszuziehen ist auch vollkommen okay – die Woge der Enttäuschung die von Seiten der weiblichen Fans durch das Publikum ging, als Felix sich dann leider wieder anzog, war förmlich greifbar. Kraftklub lieferten zwar noch kein neues Material, obwohl sie das Publikum frecherweise mit einem neuen Intro zu „Karl-Marx-Stadt“ für einen kurzen Moment hinters Licht führen konnten und sofort für aufgeregtes Tuscheln sorgten. Nach über zwei Jahren funktionieren alle „alten“ Songs immer noch ausnahmslos und Kraftklub nehmen den Maimarktclub mit Hilfe ihrer springenden und ausgelassen mitsingenden Fans komplett auseinander. Von einer amtlichen Wall Of Death und ständigen Pogokreisen bei „Lieblingsband (Oh Yeah)“, einem Müllregen bei „Randale“ und einer spontanen Ruderaktion über Bengalos beim gefühlvollen Höhepunkt des Abends in Form von „Scheissindiedisko“ zum grandiosen Finale im Konfettiregen inklusive tatsächlicher Gänsehaut bei „Songs für Liam“. Und alle im Chor: „Naaa na naaa nanananaaaa, wenn du mich küsst!“ Mir tut immer noch alles weh, vom Springen, aus voller Seele Mitsingen und sich einfach der Euphorie hingeben. So muss das sein. Einfach nur schön.
Als ich komplett entkräftet irgendwann nach 1 Uhr wieder zum Parkplatz stapfe dröhnen aus der Maimarkthalle weiter die Bässe, draußen sitzen ein paar verlorene Gestalten am Wegesrand und die Party geht noch weiter. Ein sehr langer, abwechslungsreicher Tag geht zu Ende. Daumen hoch für das OPEN’in. Die Festivalsaison wäre hiermit eröffnet – wir kommen wieder.