Es war ein ruhiger Samstagabend am Rande von Großpösna, als sich kurz nach 21 Uhr etwas extrem Außergewöhnliches ereignete. Etwas, das sich so in der Geschichte deutscher Festivals noch nie ereignet hatte – und hoffentlich auch nie mehr passieren wird.
Was in den nächsten Minuten geschah, sollte bald die Aufmerksamkeit der ganzen Republik auf sich ziehen. Plötzlich entdeckten sensationshungrige Medien ihre Begeisterung für das Highfield Festival und schickten eilig Reporter, die am nächsten Morgen in Helikoptern über dem Störmthaler See kreisten.
Von Bühnennebel zu Flammeninferno
Für uns Festivalbesucher markierte diese Stunde das abrupte Ende eines bis dahin sorglosen Wochenendes. Gegen 21:10 Uhr hüllte dichter Nebel die Bühne des Deutschrappers Ski Aggu ein. Zunächst dachte ich, es sei nur künstlicher Nebel, der zur Hauptbühne hinüberwehte. Doch bald wurde klar: Dies war kein Bühnennebel, sondern Rauch. Etwas stand in Flammen.
Was als kleines Feuer begann, wuchs rasch zu einem beängstigenden Inferno heran. Mein erster Gedanke galt einer möglicherweise brennenden Imbissbude. Dass das majestätische Riesenrad in Gefahr sein könnte, schien zunächst undenkbar.
Das Highfield Riesenrad in Flammen
Doch die Realität übertraf jede Vorstellung. Innerhalb weniger Minuten stand eine Gondel in Flammen. Die Menge realisierte langsam das Ausmaß der Situation. Eine unheimliche Stille legte sich über das Festivalgelände. Trotz der 30.000 Anwesenden herrschte eine gespenstische Ruhe. Alle Musik verstummte.
Plötzlich erwachte das Riesenrad zum Leben. Eine lodernde Gondel wurde langsam nach oben befördert, bis sie im Zentrum des gewaltigen Stahlgerippes zum Stillstand kam. Die Flammen, gierig und unbarmherzig, leckten bereits an der benachbarten Gondel.
Rettungskräfte im Einsatz
In der Ferne heulten Sirenen auf. Feuerwehrwagen und Krankenwagen bahnten sich ihren Weg durch die Menge, vorbei am Pressezelt, direkt auf das brennende Riesenrad zu.
Ein beißender Geruch lag in der Luft, der selbst in dreihundert Metern Entfernung noch die Nasen der Zuschauer irritierte. Die Atmosphäre war gespannt, als ob die ganze Welt den Atem angehalten hätte, während sich das Inferno vor unseren Augen entfaltete.
Momente des Schreckens
Es war ein Anblick, den man abwenden wollte, und doch zog er jeden Blick magisch an. Ein kalter Schauer lief über den Rücken, als in zwei Gondeln neben der brennenden plötzlich ein schwaches Handylicht aufflackerte. Die erschreckende Erkenntnis traf uns wie ein Schlag: Da waren noch Menschen gefangen. Es war ein Bild von grausamer, verstörender Klarheit.
Doch was wirklich nachhallt, ereignete sich kurz darauf. Aus dem Sanitätsbereich neben der Hauptbühne drang der verzweifelte Schrei einer Frau. Ihre Hysterie war nicht zu bändigen, bis ihre Stimme schließlich erstarb. Allein die Erinnerung daran lässt mich erschaudern, selbst jetzt, während ich diese Zeilen schreibe.
Die Bilanz der Tragödie
Doch die wahren Ausmaße der Katastrophe zeigten sich erst in den Tagen danach. Insgesamt wurden 65 Menschen verletzt, 16 davon so schwer, dass sie in Krankenhäuser eingeliefert werden mussten. In Leipziger Kliniken kämpfen Ärzte um die Genesung der Schwerverletzten. Vier Patienten mit schweren Verbrennungen werden im St. Georg Krankenhaus behandelt, drei von ihnen müssen operiert werden. Auch in Halle und Borna werden Opfer versorgt, einige mit Brandverletzungen zweiten und dritten Grades, andere mit Sturzverletzungen.
Die Ursache des Feuers bleibt rätselhaft. Vorsätzliche Brandstiftung wurde ausgeschlossen, ebenso ein technischer Defekt. Die Ermittler untersuchen nun die Möglichkeit einer fahrlässigen Brandstiftung.
Krisenmanagement und Künstlerreaktionen
Bemerkenswert war, dass die erste offizielle Ansage des Festivals etwa eine Stunde auf sich warten ließ. Einerseits hätte man sich ein schnelleres Eingreifen gewünscht, andererseits muss man den Veranstaltern zugestehen, dass diese Verzögerung möglicherweise gerade richtig war, um eine potenzielle Massenpanik zu verhindern.
Während dieser kritischen Phase geriet Rapper Ski Aggu in die Kritik, weil er seinen neu erschienenen Song anpries und den Leuten empfahl, ihn in der Wartezeit zu streamen und das kommende Album vorzumerken. Es wurde jedoch später bekannt, dass ihm möglicherweise aufgetragen wurde, die Menge zu beschäftigen, was sein Verhalten in einem anderen Licht erscheinen lässt.
Auch Cro, der als erster wieder die Bühne betrat, schien mit der Einschätzung der Lage leicht überfordert. Er sprach von einem „kleinen Drama“, das sich vor seinem Auftritt abgespielt habe – eine Untertreibung, die die Schwere der Situation nicht ganz erfasste. Es zeigt, wie schwierig es sein kann, in solchen Momenten die richtigen Worte zu finden.
Positiv: Er gab The Kooks großzügig 10 Minuten Bühnenzeit für ihre Hits “Seaside” und “Naive” – ein positives Zeichen der Solidarität unter Künstlern. So mussten die Briten nicht komplett unverrichteter Dinge abreisen. Ihr komplettes Set soll kommenden August nachgeholt werden. Allerdings wird sich erst zeigen, ob dieser Termin in die Planungen der Band passt. Zum Vorverkaufsstart stehen zunächst “nur” K.I.Z als Teilnehmer und Headliner für 2025 fest.
Noch am selben Abend, als zweite Band nach dem Unglück, traten Rise Against als Headliner auf. In einer bemerkenswerten, wenn auch textlich nicht ganz passenden Geste, widmeten sie ihren Song “Hero of War” den Ersthelfern – eine gut gemeinte Hommage an diejenigen, die in der Krisensituation Außerordentliches geleistet hatten.
Am Folgetag, dem Sonntag, zeigten sich weitere Künstler mit etwas mehr Bedenkzeit noch besonnener in ihren Reaktionen. Olli Schulz beispielsweise ging sehr sensibel mit der Situation um und widmete den Betroffenen eines seiner Lieder.
Die Nachwirkungen: Ein verändertes Festival
Der Vorfall am Highfield-Riesenrad hinterließ tiefe Spuren, nicht nur bei den Besuchern, sondern auch bei uns in der Presse. Viele von uns überlegten ernsthaft, noch am Samstagabend unsere Sachen zu packen und heimzufahren. Zu verstörend war das Erlebnis, zu präsent die Bilder des brennenden Riesenrads.
Selbst am nächsten Tag waren die Auswirkungen noch deutlich spürbar. Ein Fotokollege gestand mir: “Eigentlich wäre ich daheim besser aufgehoben. Du siehst meinen Bildern an, dass sie nicht unbeschwert aufgenommen wurden und ich die ganze Zeit in Gedanken bin.” Seine Worte spiegelten die innere Zerrissenheit wider, die viele von uns empfanden.
Trotz dieser Zweifel entschieden wir uns zu bleiben, ebenso wie die Festivalorganisatoren sich entschieden, die Veranstaltung fortzusetzen. Im Nachhinein betrachtet war dies wahrscheinlich die richtige Reaktion. Es half den Besuchern, sich abzulenken und beim Versuch, das Erlebte zu verarbeiten.
Der Sonntag brachte eine spürbare Veränderung in der Atmosphäre mit sich. Die Menschen gingen anders miteinander um – herzlicher, zugewandter, offener und rücksichtsvoller. Es schien, als hätte das gemeinsam Erlebte eine neue Art der Verbundenheit geschaffen.
Auffällig war auch, dass das Infield vor den Bühnen am Sonntag relativ leer war. Zwar ist es nicht ungewöhnlich, dass am letzten Festivaltag weniger los ist, doch diesmal schien es, als seien wirklich weniger Menschen am Platz. Möglicherweise waren einige schon heimgefahren, oder sie zogen es vor, die Zeit lieber mit Freunden am Campingplatz zu verbringen, um das Geschehene zu verarbeiten.
Diese veränderte Dynamik verdeutlichte, wie tiefgreifend der Vorfall am Highfield-Riesenrad die Festivalgemeinschaft beeinflusst hatte. Die Fortsetzung des Festivals bot zwar eine Art kollektiven Halt, doch der Schatten der Ereignisse war allgegenwärtig. In dieser gedämpften, aber auch von neuem Zusammenhalt geprägten Atmosphäre zeigte sich, wie Musik und Gemeinschaft als Trost und Ablenkung dienen können, selbst in Zeiten der Krise.
Die Zukunft von Festivalattraktionen
Doch wie geht es weiter? Die Zukunft von Riesenrädern bei Festivals, besonders beim Highfield, steht nun auf dem Prüfstand. Erhöhte Sicherheitsmaßnahmen, strengere Kontrollen und eine Neubewertung des Risiko-Nutzen-Verhältnisses sind wahrscheinlich. Versicherungsfragen könnten die Rentabilität solcher Attraktionen infrage stellen. Möglicherweise suchen Veranstalter nach sichereren Alternativen, die ähnliche visuelle Reize bieten.
Die öffentliche Wahrnehmung und das Vertrauen der Festivalbesucher werden eine entscheidende Rolle spielen. Auch gesetzliche Regelungen könnten verschärft werden. Für das Highfield Festival im Besonderen ist zu erwarten, dass man bei der Planung künftiger Attraktionen besonders vorsichtig sein wird.
Fazit: Ein Wochenende, das die Festivalkultur erschütterte
Letztendlich wird die Zukunft solcher Attraktionen von einer Kombination aus behördlichen Entscheidungen, Sicherheitsüberlegungen, wirtschaftlichen Faktoren und der Stimmung unter den Festivalbesuchern abhängen. Die Resilienz und der Zusammenhalt, die die Festivalgemeinschaft in dieser Krise gezeigt hat, könnten jedoch ein Lichtblick für die Zukunft sein.
Während die Ermittlungen zur genauen Brandursache noch andauern – vorsätzliche Brandstiftung und technischer Defekt wurden bereits ausgeschlossen – bleibt eines gewiss: Das Highfield 2024 wird allen Beteiligten noch lange in Erinnerung bleiben, als ein Wochenende, das die Festivalkultur auf den Prüfstand stellte und zeigte, wie Musik selbst in dunkelsten Momenten verbinden kann.
Ein persönlicher Wunsch
Zum Abschluss möchte ich allen Betroffenen mein tiefstes Mitgefühl ausdrücken. Ich wünsche jedem Einzelnen eine schnellstmögliche und vollständige Genesung – sowohl physisch als auch psychisch. Eine solche Erfahrung hinterlässt Spuren, die weit über die sichtbaren Verletzungen hinausgehen. Mögen alle Betroffenen die notwendige Unterstützung und Kraft finden, um diese schwierige Zeit zu überwinden und hoffentlich eines Tages wieder unbeschwert Musik auf einem Open Air genießen zu können.