Festivals

Helfer-Projekt in Amerika unter Beschuss – Klage gegen Live Nation anhängig

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Thomas Peter

Festivalfficionado, Fotodude

Neurobiologe, Festivalliebhaber. Verdient seine Brötchen mit Webseitenkonsulting (Strategische Planung, Erstellung, Pflege) bei 70six.de.

Wir kennen sie unter den Bezeichnungen Volunteer/Freiwilligen- oder Helfer-Projekte. Nur wenige Festivals im deutschen Sprachraum verzichten noch auf die Mithilfe ihrer Fans. Im Austausch für Arbeit erhält man Zugang zum Festival und möglicherweise ein paar weitere Annehmlichkeiten, allerdings kein Geld. In Amerika weht diesen unbezahlten Jobs deswegen gerade mächtig Wind um die Ohren.

Auslöser ist ein Urteil im Staat New York aus dem Juni vergangen Jahres. Richter William H. Pauly III hielt es für unangemessen, dass Praktikanten zweier Filmcrews von Fox Searchlight Pictures für ihr Treiben nicht bezahlt wurden. Weil man die Praktikanten nicht ausbildete, sondern lediglich Jobs von regulären Arbeitern zum Nulltarif verrichten liess, hätten die Produktionsfirmen gegen den seit 1938 gültigen “Fair Labor Standards Act” verstossen.

Die Argumentation der Beklagten, die Praktikanten hätten sich doch freiwillig für die Stelle entschieden, wollte Richter Pauly nicht gelten lassen. Denn in dem Spiel zwischen Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Praktikanten würden die Arbeitgeber die Situation von Praktikanten schamlos auf Kosten normaler Arbeiter ausnutzen. Sie würden zudem nicht wirklich ausbilden, sondern zumeist nur einfache Arbeiten einfordern, die jeder ohne grössere Qualifikation erledigen kann.
Firmen sparen allein in den USA laut slate.com etwa 600 Million Dollar jährlich dadurch, dass Praktikanten Kontakte knüpfen wollen und ihre Lebensläufe füllen müssen. Dafür sind viele bereit kostenlos zu arbeiten und reduzieren so die Nowendigkeit bezahlte Arbeitnehmer einzustellen. Gut für die Firmen, schlecht  für die Arbeiter und letztlich auch für die Praktikanten, die nur in den seltensten Fällen im Anschluss eine bezahlte Stelle angeboten bekommen.

Klage gegen Live Nation eingereicht

Eine Gruppe von Volunteers des californischen Nocturnal Wonderland Festivals hat nun auf diesem Urteil basierend eine Klage gegen Live Nation und den lokalen Veranstalter Insomniac Events vorgebracht.
Der Vorwurf: Die Festivalveranstalter hätten die kostenlosen Hände angeheuert um bezahlte Arbeit einzusparen und verstossen deshalb ebenfalls gegen den “Fair Labor Standards Act”. Auch wenn die Organisatoren sie als freiwillige Helfer bezeichneten, seien sie faktisch für die Zeit des Festivals normale Angestellte gewesen. Sie müssten deshalb auch deren Rechte geniesen. Eines davon: Zahlung eines Mindestlohns.

Auswirkungen eines Erfolgs: Minimal bis revolutionär

Sollte diese Klage gegen Live Nation Erfolg haben, könnte sich das zumindest landesweit in den USA auswirken. Jeder, der in Vergangenheit Volunteer bei einem Festival war, könnte theoretisch Ansprüche geltend machen. Zugleich würde zukünftig der Mehraufwand für bezahltes Personal zu einer Verteuerung der Eintrittskarten führen.
Auch weniger extreme Folgen wären denkbar: Veranstalter müssten neue Wege bei der Deklaration ihrer Freiwillgenjobs gehen um Missverständnisse bereits vor der Rekrutierung auszuschliessen. Teil der Klage gegen Live Nation ist der Vorwurf, die Volunteerjobs wären im Vorfeld nicht transparent genug beschrieben worden.

Europa = Amerika?

Auch wenn die rechtlichen Verhältnisse nicht eins zu eins auf unsere Breiten zu übertragen sind: Die Verantwortlichen bei den hiesigen Festivalveranstaltern dürften die Entwicklung in den Staaten aufmerksam verfolgen. Schliesslich unterscheiden sich die Freiwilligen-Konzepte nur marginal von denen in Amerika.

Wie steht ihr zu den Helfer-Projekten? Welche Erfahrung habt ihr vielleicht sogar bei welchen Festivals sammeln können? Kann man sie überhaupt alle über einen Kamm scheren?
Ist es eine Ausbeutung von Menschen, die sich das Ticket ansonsten nicht leisten könnten, oder bieten die Aktionen wirklich einen Mehrwert über die aufgebrachten Arbeitsstunden hinaus?

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