Reviews

Metalcamp 2011 in Slovenien: (Hot) Hell Over Paradise

Florian Hujber

Festivalfficionado, Fotodude

Neurobiologe, Festivalliebhaber. Verdient seine Brötchen mit Webseitenkonsulting (Strategische Planung, Erstellung, Pflege) bei 70six.de.

Vom 11.07. – 17.07.2011 lockte die achte Auflage des Metalcamps erneut Musikfans aus aller Welt nach Slowenien. Geboten bekamen sie dort unter Anderem Slayer, Death Angels, Kreator und Mastodon. Mit unter den knapp 12.000 Besuchern war auch Florian, der sich fünf Tage lang der sengenden Sonne ausgesetzt und seine Eindrücke für uns niedergeschrieben hat.

Nachdem ich heuer bereits das verregnetste Festival meiner Laufbahn erleben durfte, dachte ich eigentlich, ich sei nun für so ziemlich alle Witterungen gewappnet. Aber nach 5 Tagen Sonnenschein und gefühlten 35 Grad im Schatten wünschte ich mir tatsächlich die Schlammgrube vom Southside zurück.

Der Soca, alle Fotos: Lisa Koschate

Bei der mittlerweile achten Auflage des Metalcamps in Slowenien wurde das Motto nämlich zum Programm: Hell over Paradise! Allerdings bietet wohl auch kaum ein Festival so viele Möglichkeiten, sich vor der Hitze zu schützen. Mitten in einem Nationalpark im Norden Sloweniens gelegen sind es selbst vom hintersten Winkel des Campingplatzes nicht mehr als 10 Minuten Fußweg zum vergleichsweise eiskalten Fluss „Soca“. Ein zweiter Strand im Stagebereich, an der Mündung von „Soca“ und „Tolminka“, ist sogar angenehm schattig. So lässt es sich die Mittagsstunden aushalten. Auf Grund der Hitze beginnen die Bands an den fünf Konzerttagen sowieso erst zwischen 16 und 17 Uhr am Nachmittag, ab 19 Uhr hält man es dann auch in der Sonne aus.
Der jeweilige Lichtschutzfaktor der Sonnencreme konnte bei solchen Verhältnissen natürlich ganz leicht am Sonnenbrand des Trägers abgelesen werden.
Spätestens am Abend waren die Strapazen des Tages allerdings schnell wieder vergessen, denn um Mitternacht bei angenehmen 19 Grad vor der Bühne zu stehen hat schon etwas.
Das sahen außer mir noch um die 10.000 andere Besucher so, die aus ganz Europa und teilweise sogar darüber hinaus angereist waren.

LineUp technisch konnte das Festival dieses Jahr mit einigen Überraschungen punkten. So begann das Festival für mich mit den Briten von October File. Diese boten zwar sechs Songs lang recht innovativen und interessanten Post-Hardcore, kapitulierten allerdings dann vorzeitig, ob der Sonne, die frontal auf die Bühne brannte. Die Handvoll Zuschauer inklusive mir, waren allerdings nicht wirklich böse, sondern suchten selbst allerschnellstens wieder den Schatten auf.
Brujeria konnten mich danach mit ihrem Grind/Death Metal Mix nicht wirklich vom Hocker reißen. Vor allem weil der Sänger es nicht schaffte, in einer verständlichen Sprache mit dem Publikum zu kommunizieren. Spanisch verstanden wohl nur die wenigsten.

 

Vor die Bühne wagte ich mich erst wieder bei Arch Enemy. Deren Auftritt zu bewerten fällt mir nicht leicht. Auf der Haben-Seite steht sicher zu allererst die großartige Gitarrenarbeit der Amott-Brüder. Auch war die Show sehr energiegeladen und stimmig. Gerade Frontfrau Angela Gossow sorgte aber dafür, dass sie auch manchmal ins Lächerliche abdriftete. Etwa wenn sie sich bemüßigt fühlte, jeden Takt des Songs mit einer ausladenden Gestik zu visualisieren. Oder wenn sie bereits nach dem zweiten Song pathetische Reden über das Publikum „das den Metal am Leben hält“ schwang. Die Erfüllung war es nicht, Spaß hat es trotzdem irgendwie gemacht.

Airbourne waren wohl der umstrittenste Headliner des Festivals. Dass sie des Slots nun wirklich unwürdig gewesen wären möchte ich allerdings nicht sagen. Ihr Auftritt war musikalisch solide und recht rasant. Joel O’Keeffe flitzte über die Bühne und kletterte ebenjene hoch. Er zerschlug Bierdosen am Kopf und visualisierte „No Way But The Hard Way“ mit einer überdimensionalen Taschenlampe. Was aber irgendwie als Beigeschmack bleibt, sind die doch extrem großen Referenzen zu ihren Landsmännern AC/DC. Außerdem ist mein Verhältnis zu jüngeren Bands, die einen auf „Old School“ machen, immer etwas gespalten. Irgendwie wirken solche Truppen doch immer wieder wie eine Art Parodie und weniger wie eine ernstzunehmende Band.

Death Angel

Death Angel waren nun für mich der gefühlte Headliner, trotz ihres Slots als Late Night Special. Die eigentlich schon Kult-Thrasher aus der San Francisco Bay Area spielten ein abwechslungsreiches Set, bei dem neue Songs neben alten Klassikern standen, ohne dass irgendwelche davon untergehen würden. Dass dann trotz Festival noch die wunderbare Halbballade „Veil Of Desception“, ein Instrumental und anschließend das Black Sabbath Cover „Heaven & Hell“ gespielt wurden, machte den Auftritt wirklich unvergesslich. Toll!

Die einzige Frau bei Kylesa: Laura Pleasants

Der zweite Konzerttag stand nun ganz im Zeichen von Sludge in Progressive Metal. Zumindest bei meiner persönlichen Bandauswahl. Die begann mit Kylesa. Wenn eine Band auf ihren Alben mit komplexen Arrangements und vertrackten Instrumentalparts glänzt, wenn sie sich durch ausgereiftes

Songwriting und technischen Anspruch in den Gehörgängen festsetzt, dann gibt es eigentlich Live nur zwei Möglichkeiten: Entweder die Band geht gnadenlos unter, weil sie die Songs auf der Bühne nicht in der Form umsetzen können, oder aber, sie können live ihre Qualität halten und verursachen beim Fan Gänsehaut und Tränen in den Augen. Für Kylesa galt glücklicherweise Zweiteres. Wortkarg spielten sie sich durch ihr leider nur halbstündiges Set und konnten durchweg begeistern. Die Songauswahl war perfekt ausgetüftelt, so dass ein stimmiger Bogen entstand. Technisch beeindruckten vor allem die beiden Drummer, die perfekt aufeinander abgestimmt die komplexe Grundlage für die Songs lieferten.

Und wenn alles perfekt gelaufen wäre, hätten die eigentlich so wunderschönen Katatonia das Publikum ähnlich verzaubert. Leider kam es anders. Trotz einer musikalisch tollen Leistung gingen sie leider im Mittelmaß unter und das war nicht mal wirklich ihre Schuld. Ihr Dark Rock konnte sich in der immer noch recht kräftigen Abendsonne einfach nicht richtig entfalten. Was in später Nacht wahrscheinlich wunderschön gewesen wäre, zog so leider etwas zu belanglos vorbei.

Im Gegensatz zum Großteil des Publikums fand ich den abendlichen Auftritt von Wintersun recht langweilig. Ein Franzose sagte mir am Vortag: „I feel a little bit like Jari is masturbating on his own skills“. Viel ist dem nicht mehr hinzuzufügen. Technischer Anspruch reicht einfach nicht, wenn die Songs dann großteils in der Belanglosigkeit verschwinden.

Mastodon live? Ich hatte nur schlechtes davon gehört. Matschiger Sound, Vocals kaum zu hören, unsympathische Band. Bei Nachfragen ergab sich meistens, dass es sich dabei um Supportauftritte oder Nachmittagsshows auf Festivals handelte. Ich war also wahnsinnig gespannt, was die Truppe aus ihrem Headlinerslot machen würde. Und schon nach dem ersten Song war klar, dass die Befürchtungen umsonst waren. Die Band präsentierte sich bei perfektem, klaren Sound und war absolut großartig! Auf der Bühne war weit mehr Bewegung als erwartet, die Setlist war ein wahres Hitfeuerwerk, die Fähigkeiten der Musiker sind sowieso unumstritten. Und als nach „Blood and Thunder“ noch abschließend das Melvins Cover „The Bit“ gespielt wurde, war bereits an Tag 2 klar, wer den besten Auftritt hingelegt hatte!

Loïc Rossetti, Sänger von The Ocean

 

Der nächste Tag begann für mich mit den Progressive Metallern von The Ocean. Viele Bands könnten sich etwas von ihnen abschauen, wenn es darum geht undankbare Slots auszunutzen. Gerade mal genug Zeit für vier Songs blieb der Combo. Situationsangepasst spielten sie ein sehr hartes Set mit drei Songs von den zwei neuen Alben. Dabei flitzen sie derart die Bühne auf und ab, dass sich der Bassist einmal mit dem Kabel verhängte und seinen E-Bass in Kontrabass-Manier weiterspielte. Der Sänger wiederum machte einmal eine etwas unsanfte Bekanntschaft mit dem Boden der Bühne. Das tat der Stimmung allerdings keinen Abbruch. The Ocean holte aus den 30 Minuten alles raus was zu holen war.

Mein einziger Abstecher auf die 2nd Stage am Abend war den Progressive Black Metallern von Vulture Industries zu verdanken. In weißen Hemden und mit Hosenträgern auf der Bühne, präsentierten diese ihre Songs dem internationalem Publikum. Der Eindruck war gut. Die Band klang eigenständig und innovativ.

Das Slayer wohl der Headliner schlechthin waren, war von vornherein zu vermuten. Entsprechend wurden sie auch schon vor dem Auftritt abgefeiert. Mit Exodus-Gitarrist als Hanneman-Ersatz betrat die Band die Bühne und machten genau das, was man von ihnen erwartet. Eine recht umfangreiche, interessante Setlist, Song für Song ohne viel Schnickschnack ins Publikum gefeuert. Die Stimmung war sicher am Höhepunkt. Allerdings muss ich sagen, dass nach dem zweiten mal Slayer in gut einem Jahr der Reiz für mich langsam nachlässt. Trotz aller Qualitäten ist die Band wohl doch etwas überschätzt und gehyped.

Am vierten Tag war für mich eigentlich nur Blind Guardian interessant. In Extremo war nie so wirklich mein Fall gewesen. Interessehalber schaute ich aber dann doch vorbei und muss nun meine Meinung revidieren. Zumindest live kam ihre Show recht gut. Erwartungsgemäß gab’s viel Pyro und Schnickschnack. Aber auch abseits davon wusste mich die Band zu überzeugen.

Blind Guardian erfüllten die Erwartungen hingegen nicht ganz. Der Sound passte nicht wirklich. Die Songs die ich kannte machten schon Spaß, die anderen nicht ganz so. Dazu kam die Bühnenpräsenz. Die Truppe wirkte irgendwie etwas verloren. Sicher kein schwacher Auftritt, aber nicht der erwartete Kracher.

Samstag hieß es dann nochmals alle Kräfte zu mobilisieren. Der Tag begann mit den Old School Heavy Metallern von Virgin Steele. Ungewöhnlich war sowohl die Besetzung (Gitarre, Drums, Vocals, Keys; kein Bass!) als auch die Kleidung des Sängers. Dem schien in seiner Leopardenweste die Hitze nichts anzuhaben. Die Band schien wirklich eine Freude zu haben und musikalisch war’s auch recht interessant.
Steelwing litten dagegen unter einem nicht besonders guten Sound und konnten mich nicht wirklich überzeugen.

Recht amüsant waren dafür Deicide. Die Songs waren zwar genrebedingt etwas eintönig, dafür technisch einwandfrei. Außerdem sorgte der Sänger für einige Schmunzler, als er das Metalcamp mit seiner wirklich tiefen Brummstimme als „Big Barbecue Party“ bezeichnete. Guter Old School Death Metal für den späten Nachmittag.

Amorphis habe ich nur am Rande miterlebt. Dafür dass Melodic Death Metal normalerweise so gar nicht meine Musik ist, kann ich allerdings kaum negatives über den Auftritt sagen. Die Melodien waren eigentlich sogar ziemlich toll.

Accept waren als nächstes an der Reihe. Der Metalcamp Auftritt sollte die letzte Show ihrer Tour werden und sie war auch einer der Höhepunkte des Festivals. Leider nur knapp über eine Stunde wurde ein Hard Rock Kracher nach dem anderen präsentiert. Die Show war extrem kurzweilig und recht toll anzusehen. Wie erwartet war natürlich jede Bewegung durch-choreographiert. Als nach „Balls to the Wall“ schon Schluss war, blieb Freude über den Auftritt und Enttäuschung über sein frühes Ende.

Kreator kam schließlich die Ehre zuteil, das Festival zu beenden. Das taten sie mit einem Hitfeuerwerk und den dazugehörigen Moshpits. Mille war sympathisch wie eh und je, die Band spielte tadellos, es lässt sich kaum negatives sagen. Nur im direkten Vergleich zu Accept ziehen sie leider den kürzeren. Trotzdem war die Entscheidung, Kreator zum Headliner zu machen, vermutlich richtig. Mille konnte nämlich mit einigen Ansagen noch recht viel Stimmung im müden Publikum erzeugen, was als Abschluss wahrscheinlich mehr taugt als das „Heavy Metal Männerballet“ von Accept.

Alles in allem war’s eine schöne Woche mit vielen tollen Bands, aber auch recht anstrengend. Enttäuschungen gab es nicht viele und der mutige Schritt beim Booking, auch auf weniger kommerzielle Bands zu setzen, hat sich auf jeden Fall ausgezahlt.

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