Ostfriesland – bisher verband ich damit nur die Erinnerungen an schöne Urlaube mit Oma und Opa. Seit letztem Wochenende mag ich diese Region noch ein bisschen mehr. Schuld daran: Das Omas Teich Festival in Großefehn.
Donnerstag Mittag trat ich also die knapp vierstündige Reise zum Bahnhof Leer an, von wo aus die Reise dann noch knapp 35 Minuten mit dem Shuttlebus weiterging. Dank zwei Freunden und ein paar Bier verging die Zeit allerdings wie im Flug und schneller als erwartet wurden wir von einem Teil der restlichen Truppe in Empfang genommen. Mein erster Satz zu ihnen: “Woah, ist das schön hier”. Ostfriesland halt.
Diesen Eindruck bestätigte später auch der Campingplatz. Noch war der Rasen zu erkennen und da das Gelände eine ehemalige Baumschule ist, gab es hier und da ein paar Baumgruppen und -reihen. Schnell wurde auch klar, dass der Campingplatz gar nicht so weitläufig ist, wie er noch auf dem Geländeplan aussah: ehe ich mich versah waren wir schon am Camp angelangt. Der Weg zur Bühne sollte – laut meinen Freunden – auch nicht viel weiter sein.
Um endlich dem Biergenuss frönen zu können, wurde schnell das Zelt aufgebaut (zumindest das Außenzelt; das Innenzelt haben wir gekonnt “vergessen”) und ein guter Platz neben Grill und CD-Player gesucht. Der restliche Abend bestand dann aus den üblichen Dingen, die man am ersten Festivaltag so tut: Bier trinken, Musik hören, persönliche Timetable vergleichen und das restliche Gepäck aus dem Auto der Freunde holen.
Nachdem es Freitagnachmittag bei den Nachbarn selbstgemachten Sangria gab, ging’s dann um 18Uhr endlich für mich los. Unbedingt sehen wollte ich nämlich erst And So I Watch You From Afar, instrumenteller Postrock aus Nordirland. Kurz vorher bekam man allerdings zu hören, dass sie abgesagt haben – angeblich weil der Sänger krank war. Klar, dass man als instrumentelle Band nicht ohne Sänger auftreten kann! Bei der Pressekonferenz am Sonntagmorgen wurde das allerdings richtig gestellt – die ganze Band war krank und kam deswegen nicht aus London weg. Kann man nichts machen, schade war’s trotzdem, da man sie in Deutschland nicht allzu oft zu Gesicht bekommt. Der geplante Ersatz – Kellermensch aus Dänemark – konnte so kurzfristig auch nicht vorbeischauen, so dass sich die ersten beiden Acts der Tentstage an diesem Tag einfach nach hinten verschoben. Reingeschaut hab ich deswegen erst bei Timid Tiger, die zwar eine solide Show ablieferten, mir aber nicht so recht im Gedächtnis bleiben wollten. Mehr zu gefallen wussten mir da schon um 20Uhr Blackmail. Da ich sie nie mit dem alten Sänger, Aydo Abay, gesehen habe, kann ich nicht sagen, wie sich Mathias Reetz im Vergleich dazu macht. Ganz unvoreingenommen kann ich allerdings sagen, dass die Band anscheinend nicht darunter gelitten hat – ein schöner Auftritt, der mich dazu veranlasst hat, mir zu Hause mehr von der Band anzuhören, als das schon bekannte “Aerial View”-Album.
Anschließend wurde noch für zwei, drei Lieder bei Danko Jones reingeguckt. Schon auf Platte gefällt mir nicht allzu viel, was sich auch live nicht änderte – keineswegs spricht das aber von schlechten Livequalitäten.
Die nächsten anderthalb Stunden wurden erneut mit Sangria und Grill überbrückt, bis es zu Wir sind Helden erneut vor die Mainstage ging. Vor ein paar Jahren hätt’ ich mich noch sehr über ein Konzert von ihnen gefreut – ja, die alten Sachen hör ich mir auch heute noch ab und zu an – aber 75 Minuten lang brauchte ich sie dann doch nicht. Dennoch war’s schön, das ganze Gelände bei Denkmal – dem letzten Song – mitsingen zu hören.
Zu dem Zeitpunkt hatte ich mich allerdings schon lange mit Freunden in der Tentstage getroffen, wo sich als Tagesabschluss Bratze die Ehre gaben. Neben dem kommenden Auftritt beim Reeperbahn Festival war dies das einzige Konzert in diesem Jahr. Aus der Übung waren sie aber keinesfalls, gewohnt energiegeladen wurde das Publikum durch die Setlist gejagt, in die zudem andere Audiolith-Fragmente wie Frittenbude, Supershirt und Egotronic eingebaut wurden.
Ungewohnt früh kroch ich dann kurze Zeit später ins Zelt, sollte doch erst morgen der anstrengende Tag folgen.
Los ging es zur unchristlichen Zeit von 12:30 mit Findus aus Hamburg. Gekannt habe ich nicht ein Lied – war ich doch nur als Begleitung dabei – gefallen hat mir der Pop-Punk trotzdem. Die halbe Stunde von Three Chord Society haben wir uns daraufhin nur von draußen angeguckt, wollte ich doch rechtzeitig bei The Blackout Argument – meinem nächsten Highlight – sein. Münchener Post-Hardcore schien aber nicht für viele Leute die perfekte Aufwach-Musik zu sein, eher leer war die Fläche vor der Mainstage. Wach wäre man nach dem Konzert aber mit Sicherheit gewesen, zu hören gab es eine gute Mischung aus alten wie neuen Songs. Einziger Wermutstropfen: Obwohl Casper, der zwischenzeitlich mit seinem zweiten Studioalbum “XOXO” den 1. Platz der Albumcharts belegte, an diesem Tag auch zugegen war, hat er das Feature bei Overweight Against Heart Attacks nicht wahrgenommen.
Nach dem Mittagsgrillen und dem Experiment, Weißwein mit Brausebärchen zu mischen (nicht zu empfehlen!), waren wir pünktlich für den Indie-Pop von Adolar wieder an der Zeltbühne. Auch hier kannte ich so gut wie nichs – mit Ausnahme des Bratze-Covers zu Die Auswendigen Muster – was sich aber im Nachhinein höchstwahrscheinlich noch ändern wird. Kurz wurde noch bei Royal Republic reingeschaut und pünktlich um 17:25 stand ich dann zwischen – überwiegend weiblichen – Casperfans vor der Mainstage.
Das Set war zum größten Teil das gleiche wie beim Splash!-Auftritt, für mich gab es also keine großen Überraschungen, mit Ausnahme von Ballaballa, bei dem – neben MGMTs Kids – zwei weitere Songs integriert wurden. Neben den üblichen Spielchen zur Animation des Publikums (“Und jetzt will ich eure Hände sehen, bis in die hintersten Reihen!”) durften natürlich auch Circle Pit und Wall of Death (vor der mit den Worten “wer nicht zwingend unbedingt getötet werden möchte, der flüchte jetzt in das Weite” gewarnt wurde) nicht fehlen. Irgendwann sollte damit aber auch mal gut sein – und das ist keine Kritik an Casper, sondern am Publikum. Wenn der Künstler ein Lied (Michael X) schon mit der Bitte ankündigt, dass nicht mitgeklascht werden soll, warum gibt es dann ein paar Vollidioten, die meinen, sie müssten das restliche Publikum mit “Hinsetzen, hinsetzen!”-Rufen dazu bewegen, es ihnen gleich zu tun?
Nun gut, im Endeffekt blieb der Auftritt doch als ein schöner in Erinnerung, dennoch hoffe ich, dass sich der Hype um ihn bald legt.
Laut meinem Zeitplan hätte ich um 19Uhr wieder bei Zebrahead sein sollen, deren neues Album am Freitag erscheint – mich erneut von ihren Livequalitäten überzeugen zu lassen wurde aber spontan auf’s Area4 Festival verlegt. Im Endeffekt sehr schade, wurde mir doch später berichtet, dass sie eine wirklich großartige Show abgeliefert haben. So gab’s für mich nur die letzten zwanzig Minuten von Madsen – denen ich bisher immer aus dem Weg gegangen bin und die ich auch in Zukunft nicht dringend brauche – bevor Turbostaat mich aus meiner abendlichen Müdigkeit reißen durften. Die angesetzen 45 Minuten waren schnell vorbei, gefüllt mit sowohl bekannten als auch eher unbekannten beziehungsweise älteren Songs; die letzten zwei Lieder ließ ich allerdings für mein absolutes Highlight, die Editors, sausen.
Zwar gab es keine Überschneidungen, allerdings fingen die Bands jeweils zeitgleich zum Ende der Band zuvor an. Auch der Weg zwischen beiden Bühnen war nicht allzu weit, trotzdem verzichtete ich lieber auf das Ende von Turbostaat als auf den Anfang der Editors. Gesehen hab ich diese zwar letztes Jahr schon beim Area4 Festival, allerdings kannte ich zu dem Zeitpunkt lediglich Papillon, Munich und An End Has A Start, welche natürlich auch hier gespielt wurden. Da mir beim diesjährigen Auftritt auch alle anderen Songs bekannt waren, freute ich mich sehr darüber, dass auch Bricks & Mortar gespielt wurde, welcher sich mittlerweile zu meinem Liebling heraus kristallisiert hat. Insgesamt war es ein schöner Abschluss auf der Mainstage, gesanglich und musikalisch auf hohem Niveau und auch die Lichtspielereien wussten zu gefallen. Schade war nur, dass Tom Smith nicht allzu nüchtern schien und – ich weiß nicht, ob bewusst oder unbewusst – oftmals zu spät mit dem Gesang einsetzte. Zudem gab es leider – wie schon bei Casper – auch hier ein paar Trottel, die nicht verstanden haben, dass die Editors keine Band für Circle Pits und Polonaisen ist.
Zum finalen Abschluss ging es nach den letzten Tönen von Fingers In The Factories rüber zu Frank Turner ins Zelt, der zur Unterstützung seine Band dabei hatte. So sehr ich mich im Vorfeld über sein Kommen gefreut habe, desto mehr ärgere ich mich – wie auch bei Zebrahead -, dass ich nur die Hälfte der Show gesehen habe. Keinesfalls lag das an fehlenden Livequalitäten, vielmehr sagte mir persönlich der Übergang von den Editors nicht zu.
Zurück auf dem Campingplatz fand ich dann ein paar weitere Freunde vor, mit denen die letzten Reste von Bier, Chips und Heringsfilets in Curry-Tomatensauce vernichtet wurden, bevor es ein letztes Mal ins Zelt (unser Innenzelt war zwar mittlerweile auch aufgebaut, allerdings haben wir uns entschieden, dass es zu dritt doch wärmer ist als zu zweit) ging.
Am nächsten Morgen wurde noch schnell das Müllpfand weggebracht und bei der Pressekonferenz reingeschaut, bevor es gegen Mittag wieder Richtung Heimat ging.
Nach diesem Wochenende herrschte in meinem Freundeskreis die (größtenteils) einstimmige Meinung, dass wir einen erneuten Besuch bei der Oma mit Sicherheit erneut im Kalender eintragen werden: Location und Bandauswahl sind super, der Preis stimmt und auch die Besucher sind größtenteils sehr friedlich. Sogar mit dem Wetter hatten wir in diesem Jahr viel Glück, hat es doch nur ein oder zwei Mal kurz und leicht geregnet.
Auch wenn ich selbst nicht viel vom angebotenen Rahmenprogramm in Anspruch genommen habe, so sollte doch für jeden etwas dabei sein, sei es die Skateboardrampe, der Beach-Volleyball-Platz oder die Möglichkeit, mit den Künstlern auf dem Festivalgelände zu kochen.