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So war’s: Hurricane Festival 2013

25. Juni 2013
Foto: Sven Morgenstern

Punkrock, Punkrock, Punkrock! Gleich zwei meiner absoluten Herzensbands sind heute dabei und so kommt es, dass ich mich bereits zu den Bouncing Souls in der ersten Reihe festklemme. Die alten Herren sind seit 1987 unterwegs und in der Punkrockszene eine verehrte Größe. So kommt es, dass NOFX-Gitarrist El Hefe der Band einen Besuch im Fotograben abstattet und mit seinem Smartphone ein paar Bilder knipst. Viel zu schreiben gibt es hier nicht. Keine spaktakuläre Bühnenshow, keine vulgären Ansagen, keine besoffenen Bandmitglieder, die von der Bühne fallen, einfach nur guter, solider Punkrock. Genau das richtige für einen Sonntag Mittag.

Herzensband Nummer 1: Frank Turner & The Sleeping Souls. Aufmerksame Leser dieses Magazins wissen, dass wir einen ziemichen Fanboy in dieser Redaktion sitzen haben. Ich oute mich heute: Ja, ich bin es, der euch mit jeder Kleinigkeit dieses Mannes in Artikelform belästigt und pro Tour hunderte Konzertreviews schreiben muss. Und auch heute stehe ich wieder mit strahlenden Augen in der ersten Reihe und freue mich alleine schon über die nette und positive Aura dieses Mannes. Setlisttechnisch bleibt es unspektakulär. 50 Minuten Spielzeit, alle Hits, keine Balladen, Partyset. Aber trotzdem merkt man heute wieder etwas besonderes. Für mich die beste Festivalshow die ich bisher von ihm gesehen habe. Das Publikum vor der Bühne muss gar nicht erst animiert werden. Die machen von ganz alleine mit. Das gefällt auch Frank, zurücklehnen tut er sich trotzdem nicht. Immer voll auf der Höhe und immer mit einem Grinsen im Gesicht. Frank Turner kann ja wirklich fast alles, nur eines nicht: Schlechte Konzerte spielen.

Frank Turner steht auch noch nach seinem Auftritt auf der Bühne. Diesmal aber am Bühnenrand um sich die Show von Jimmy Eat World anzuschauen. Mit dabei: Benny Horrowitz, Drummer von The Gaslight Anthem. Es ist witzig die beiden zu beobachten, wie sie gemeinsam das grade laufende Konzert abfeiern. Denn das ist tatsächlich wirklich beeindruckend. Beeindruckend in der Hinsicht, wie es eine Band schafft über 60 Minuten mit einem solch hohen musikalischen Niveau ohne Fehler zu spielen. Immer wieder kann ich nur ungläubig den Kopf über die Stimme von Sänger Jim Adkins schütteln. Perfektion, meine Lieben. Musikalische Perfektion. Und es scheint so, als schütteln sich das die Jungs einfach so aus dem Ärmel. Immer mit einem Lächeln auf den Lippen, zwischendurch mal ein paar coole Ansagen und natürlich vor allem die Hits zum Schluss. Bei Sweetness und The Middle singt der gesamte Platz mit und auch ich habe mal wieder eine perfekte Jimmy Eat World-Show gesehen.

NOFX – Foto: Sven Morgenstern

Herzensband Nummer 2: NOFX. Die letzte noch wirklich existierende Punkband auf diesem Planeten. Während Sänger Fat Mike sichtlich betrunken auf die Bühne torkelt und mit seinem Getränk kaum den Becherhalter am Mikroständer trifft, weiß ich schon jetzt: Das wird eine grandiose Show. Und genau so kommt es. Die musikalische Perfektion von Jimmy Eat World ist ab jetzt völlig nebensächlich. Fat Mike verpasst so ziemlich jeden Gesangs- und Basseinsatz und lacht sich selbst am meisten darüber kaputt. Dass sie 75 Minuten Spielzeit haben, hat man der Band erst kurz vorher gesagt. Ihr Set sei auf 60 Minuten ausgelegt, deswegen wollen sie mindestens 15 Minuten Labern. Und genau das ist es, weshalb ich NOFX so feier. Klar, sie haben super Songs aber grade live sind NOFX besser als jedes Comedyprogramm. NOFX führen das Publikum an der Nase rum wie keine andere Band. Beleidigungen, rassistische Unterstellungen und trotzdem Applaus. Das kann tatsächlich nur diese Band. Das Instrumentalstück What Now My Love wird dem Publikum als neue deutsche Nationalhymne vorgestellt. Den passenden, natürlich beleidigenden Text dazu improvisiert Fat Mike einfach dadrüber. Die später auf der blauen Bühne spielenden Smashing Pumpkins bekommen auch ihr Fett weg. Jede Band die hier heute spiele sei mindestens zwei mal so gut und Sänger Billy Corgan sei ein überbewertetes Arschloch. Ja nun, was soll ich sagen, auch als Pumpkins-Fan komme ich einfach nicht mehr aus dem Lachen heraus. Krönender Abschluss ist natürlich das Outro Jeder Ist Ein Bisschen Rassistisch aus dem Musical Avenue Q, zu dem die Band eine erstklassige Tanzperformance hinlegt. 75 Minuten politisch unkorrektes Rumgealbere machen die NOFX-Show definitiv zu einem der besten Konzerte des Wochenendes.

Und jetzt schnell rüber zu besagten Smashing Pumpkins. Auf keine andere Band habe ich mich im Vorfeld dieses Festivals so sehr gefreut wie auf sie. Da wo Nirvana mit dem Tod von Kurt Cobain Anfang der 90er eine riesige Lücke hinterließen, waren die Smashing Pumpkins die ersten, die eben diese wieder ansatzweise füllen konnten. Der Platz vor der Bühne ist mal wieder vollgepackt ohne Ende. Jedoch liegt das eher weniger an den Smashing Pumpkins. Nach der Band “spielt” nämlich Paul Kalkbrenner. Seine Fans blockieren jedoch schon jetzt den gesamten Platz vor der Bühne. Gut, kann man machen, mach ich ja auch schonmal. Aber wenn man das macht, dann sollte man doch zumindest so viel Respekt gegenüber der grade spielenden Band zeigen, dass man sich nicht mit dem Rücken zur Bühne dreht, sich auf den Boden setzt oder sich in voller Lautstärke, vor allem während der ruhigeren Songs unterhält. Ich wünsche mir Kalkbrenner wieder zurück nach Afghanistan zu den deutschen Truppen. Soll er doch da bitte bis an sein Lebensende auflegen. Und seine Fans gleich mitnehmen. Für immer. Danke. Hätten Mami und Papi nicht lieber eine Reise nach Lloret de Mar oder Malle als eine zum Hurricane sponsorn können? Da hätte dieses Volk wohl viel besser hingepasst. Genug der Hasstiraden: Smashing Pumpkins. Sänger Billy Corgan ist heute mal sowas von gut drauf. Ich glaube, ich habe ihn noch niemals Lachen sehen, heute strahlt er aber fast während des gesamten Konzertes. Eine wirklich schöne LED-Bühneninstallation mit meist passenden Visuals darauf untermalt das verdammt gute Konzert. Während der ersten Töne zum David Bowie-Cover Space Oddity kann ich mein Glück kaum fassen. Wenige Wochen vor dem Festival hab ich diese wirklich meisterliche Coverversion erst entdeckt und so sehr gehofft, dass sie heute gespielt wird. Mein Hoffen hat sich gelohnt. Der Rest der Setlist ist mehr durch die letzten beiden Alben geprägt, jedoch kommen die großen Hits der 90er nicht zu kurz. Zu Bullet With Butterfly Wings hüpft wirklich alles was nicht Kalkbrenner-geschädigt ist. Einzig die Verabschiedung wirkt ein bisschen wunderlich. “God bless you and god bless America” vor einer im Hintergrund flatternden USA-Flagge. Naja, es sei ihnen verziehen.

Auf dem Weg zurück zur Hauptbühne kommen mir immer mehr Kalkbrenner-Anhänger entgegen. Sieht irgendwie aus wie eine Mischung aus Junggesellenabschied auf der Reeperbahn und freakige Abifahrt nach Kroatien. Was bin ich froh hier wegzukommen.

Queens Of The Stone Age – Foto: Sven Morgenstern

Nun geht es auf zum letzten Konzert dieses Festivals. Ich bin wirklich gespannt auf die Queens Of The Stone Age. Ihr neues Album feiere ich sehr, und als ich sie 2010 zum ersten und bis dato letzten mal live sah, haben sie mir auch ordentlich den hintern weggeballert. Heute spielen sie als Headliner auf dem Hurricane. Viele Diskussionen im Vorfeld, ob diese Band denn überhaupt headlinerwürdig sei und dieser Technofutzi auf der anderen Bühne erzeugten bei mir erstmal Sorgenfalten auf der Stirn. Wird überhaupt jemand vor der Bühne stehen? Wird das Publikum die Band zu würdigen wissen?

Wenn im Lexikon neben dem Begriff “cool” noch kein Bild existieren sollte, dann muss man ab sofort ein Foto von Josh Homme dorthinein kleben. Mit langem Trenchcoat, Zigarette im Mund und Bier in der Hand betritt er die Bühne. Vor der Bühne: Menschen. Viele Menschen die sich scheinbar tatsächlich auf die Show freuen. An Selbstsicherheit mangelt es der Band nicht, sonst würden sie wohl kaum mit Feel Good Hit Of The Summer und No One Knows zwei der größten Hits bereits in den ersten drei Songs verbraten. Das Publikum dreht regelrecht durch. Vor der Bühne gibt es keinen Ort mehr an dem man ruhig stehen kann. Bei keiner anderen Band dieses Festivals habe ich die Menge so am Rad drehen sehen wie hier in diesem Moment. Das Publikum zerstört sich selbst und der verwöhnten Rockstarsau auf der Bühne scheint es zu gefallen. Die Band will Liebe mit dem Publikum machen und untermalt diesen Akt mit Make It Wit Chu. Der Vollmond strahlt über dem Festivalgelände und auch Josh Homme merkt, dass es sich hier um eine ganz besondere Nacht handelt. Man sieht die Funken zwischen Bühne und Publikum förmlich fliegen, ganz ohne Rammsteins Pyroshow. Die neuen Songs werden von aufwendig produzierten Videos auf der LED-Wand hinter der Bühne untermalt und passen sich perfekt in das restliche hitbeladene Set ein. Leider ist nach 75 Minuten schon schluss. Ohne großes Tamtam verlässt die Band die Bühne. Das Publikum wartet auf eine Zugabe, doch als die Roadies mit dem Abbau beginnen wird jedem klar, dass es das wohl war. Egal, auch wenn es nur 75 Minuten waren. Diese 75 Minuten waren absolut headlinerwürdig und eines DER Highlights dieses Festivals.

Was bleibt nun also? Matsch, Spaß, Tränen, Sambukasperma, Sonne, Bier, Schnaps und so schrecklich viele Eindrücke, dass dieser Artikel wohl nur an der Oberfläche kratzen kann. Wer nicht selber da war wird durch keinen Nachbericht, keine Fernsehübertragung und auch keine Nacherzählung annähernd das erfahren, was dort wirklich passiert. Das Hurricane Festival ist das beste und schönste Festival in Deutschland und wer nächstes Jahr nicht dorthin fährt, der hat tatsächlich den Schuss nicht mehr gehört.

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Steffen Neumeister