Wieder weckt die Hitze der Pfingstonne den geneigten Festivalisten aus seinem wohlverdienten Schlaf. Aus den Träumen der Nacht wird der Kater am Morgen, also schnell zur Dusche schleppen, frisch machen und auf zum Festivalgelände, denn da gibt es heute einiges zu sehen.
Auf dem Weg dorthin treffe ich auf eine kleine, italienische Reisegruppe die nur für Bruce Springsteen vor Ort ist. Diesen Sommer reisen sie ihrem Idol für 33 Konzerte durch ganz Europa hinterher, eine wirklich beeindruckende und vermutlich auch kostspielige Fanliebe. Nach kurzem Plausch trennen sich die Wege aber schon wieder, denn die Italiener wollen sich schon Mittags die besten Plätze vor der Mainstage sichern.
Um 13:30 schon ist der Platz vor der 3FM-Stage aber auch schon sehr gut gefüllt. Dort spielen jetzt nämlich die Blood Red Shoes. Letzte Woche konnten sie mich noch in Münster überzeugen und auch heute ging es wieder heiß her. Ein auf 60 Minuten verkürztes Set verspricht eine noch größere Hitdichte und die Fans vor der Bühne wissen dies zu schätzen. Frühsport im Moshpit ist angesagt und selbst der sonst so reservierten Gitarristin Laura-Mary Carter huschte doch ab und an mal ein Lächeln über das Gesicht. Klar im kleinen Club wirkt die Band nochmal um einiges intensiver aber auch die großen Festivalbühnen haben sie im Griff.
Für einen, der in Deutschland sonst nur die ganz großen Bühnen kennt, scheint die zweitgrößte Bühne des Pinkpops schon ein bisschen mikrig zu wirken. Herbert Grönemeyer, ja, DER Herbert Grönemeyer spielt mit seiner Band ein nachmittägliches Gastspiel in den Niederlanden. Keine bombastischen Bühnenaufbauten, kein Fußballstadion, nur er mit seiner Band. Natürlich guckt man sich so ein Spektakel mal an und schlecht ist das ganze nicht. Im Gegenteil: der Mann schafft es den Platz vor der Bühne zum Bersten zu bringen und rockt den Laden gewaltig. Anscheinend ist Grönemeyer in Holland auch kein unbeschriebenes Blatt, denn nicht nur Deutsche feiern hier mit. Hits zum mitgröhlen mit einem Bier in der Hand, wem das zu peinlich ist, der soll lieber wieder zu Linkin Park gehen. Spaß machen tuts allemal.
Wer auch Spaß macht, das sind The Hives. Eigentlich immer die perfekte Festivalband wenn grade nichts anderes spielt, die mag jeder, die kennt jeder und die sind immer wieder gut. Diesmal gibt es vielleicht etwas zu viele Songs vom bald erscheinenden neuen Album, aber die Hits machen diese Stimmungslöcher wieder wett. Sänger Pelle, bei dem man nicht weiß ob man ihn für seine arrogante Art lieben oder Schmerzen zufügen möchte, hat mal wieder alles im Griff und moderiert mit vollstem Elan durch die Show. Nebenbei gratuliert er sich selber zum Geburtstag, obwohl der doch erst morgen ist und beleidigt so manchen Zuschauer der bei seinen Mitmachspielchen nicht auf ihn hören will. Das übliche eben. Bei den Hives weiß man eben was man kriegt und das ist auch gut so.
Ruhiger geht es auf der Mainstage zu: Mumford and Sons stehen nun da und machen Musik. Viel mehr passiert da eigentlich nicht. Bei so einem Auftritt fällt es einem als Redakteur schon sehr schwer ein paar Sätze zusammen zu bekommen. Da steht nunmal eine Band, die spielt ihre Songs nacheinander ab und geht wieder von der Bühne. Dazwischen passiert nichts bemerkenswertes und somit verschwindet der Auftritt auch recht schnell wieder aus dem Gedächtnis.
Ein Erlebnis welches sich jedoch ins Gedächtnis einbrennt ist die Show von Bruce Springsteen und seiner E-Street Band. Das warten gestaltet sich durch die Beschallung von Paul Kalbrenner, der seinen Krach grade auf die Converse-Stage loslässt zwar eher als Qual, die eigentliche Show entschädigt dafür aber mehrfach. Diesen Auftritt ein Konzert zu nennen wäre noch weit untertrieben. Springsteen feiert eine Messe mit 71.000 Jüngern und jeder von ihnen liegt ihm zu Füßen. Der Mann versprüht einfach eine Herzenswärme, sodass man den Eindruck hat, dass er jeden einzelnen Zuschauer auf dem gesamten Gelände umarmen möchte. Eine Mischung aus Gänsehaut und Party verbreitet sich im Publikum und mit dem schwindenden Licht steigt die Begeisterung. Die eigentlich angesetzten zwei Stunden Spielzeit reichen für den Boss nicht, sodass mal eben eine halbe Stunde überzogen wird. Wenn das jemand darf, dann er. Der alte Mann wirkt so überhaupt nicht alt und strahlt mehr Energie aus als ein defektes Kernkraftwerk, nur mit dem Unterschied, dass diese Energie absolut positiv ist. Eine solche Spielfreude und Lust an der Musik kann man nur ganz selten beobachten und so bringt jedes Grinsen von Springsteen ein Lächeln ins eigene Gesicht. Kurz gegen Ende der Show erinnere ich mich wieder an die Worte, die mir die italienischen Springsten-Hardcorefans mit auf den Weg gaben: „Deine erste Show vom Boss wird dein Leben verändern.“ Recht haben sie.
Besser hätte dieses Festival nicht enden können. Getränkt von Euphorie und mit einer Freudenträne im Auge stehe ich noch einige Minuten fassungslos vor der Mainstage bevor ich mich langsam auf dem Weg zum Campingplatz mache.
Pinkpop 2012, besser geht es kaum.