Es ist 23:12Uhr in der Sala Arena. Die letzten Töne des Krachers Four Simple Words sind grade verklungen. Ca. 400 verschwitzte Konzertbesucher haben ein dickes Grinsen im Gesicht. Frank Turner and The Sleeping Souls sind soeben mit einer Dampfwalze über Madrid gerollt.
Sala Arena. Das klingt erstmal groß. Während ich in Düsseldorf im Flugzeug sitze und auf den Abflug warte, gehen mir einige Gedanken durch den Kopf. Wie wird die Location sein? Wie wird das Publikum abgehen? Und ist das was ich hier mache eigentlich noch normal? Meine Gedanken werden unterbrochen als Helge Schneider das Flugzeug betritt. Ja, der echte. Zum Turner, Frank will der aber wohl nicht.
In Madrid nicht zu verhungern ist das Unterfangen mit dem ich mich zuerst in dieser Stadt beschäftige. Nicht ganz so leicht, da meine Spanischkenntnisse lediglich aus „Hola“, „Sí“, „No“, „Gracias“ und „Dos cervezas por favor“ bestehen.
Gegen 17:30Uhr am Club angekommen, warten bereits die ersten Fans vor der verschlossenen Tür. Freundlich aber bestimmt wird man gebeten, sich am richtigen Ende der Schlange anzustellen. Wir sind ja schließlich nicht in Deutschland hier. Anstehen können die Spanier scheinbar. Nachdem sich dann 2 ½ Stunden mit dem wärmenden Kaffee holen abgewechselt wird, denn auch in Madrid kann es im Winter kalt werden, öffnen sich die Türen und offenbaren den Club des Geschehens. Gut, unter Arena habe ich mir was anderes vorgestellt. Geschätzte 600 Personen fasst der Club, der heute gut gefüllt, allerdings nicht ausverkauft sein wird. Einen Bühnengraben gibt es nicht und die Bühnenverkabelung würde dem deutschen TÜV die Nackenhaare zu Berge stehen lassen. Dieser Club ist Punkrock vom allerfeinsten.
Während die Vorband die Bühne betritt, schlag ich mir die flache Hand vor die Stirn. Ernsthaft? Ihr tragt wirklich geschlossen als Band weiße Feinrippunterhemden? La Maravillosa Orquesta del Alcohol, oder kurz: La M.O.D.A. sehen vielleicht bescheuert aus, klingen aber so gut, dass ich nach den ersten 10 Takten begeistert bin. Ich trommle auf dem Bühnenrand, den ich dank des fehlenden Bühnengrabens direkt vor mir habe, enthusiastisch mit, während die Band ihren Sound, der wohl am besten als ein uneheliches Kind aus einer wilden Party zwischen Mumford and Sons, Madness und Flogging Molly zu beschreiben ist, von der Bühne hämmert.
Unbekannt scheinen sie hier jedenfalls nicht zu sein. Das Publikum tanzt und singt die Texte mit, sodass man meinen könnte, dass es sich bereits um den Hauptact des Abends handelt. 30 Minuten lang begeistern mich La M.O.D.A. und ich wäre von einer Zugabe wirklich nicht genervt. Etwas was sehr selten bei Supportbands vorkommt.
Es sieht schon fast ungewohnt aus, als Frank Turner mit seiner Band, den Sleeping Souls die Bühne betritt. Nachdem er im letzten Jahr einen Bandscheibenvorfall erlitt und somit nicht Gitarre spielen konnte, ist es doch schön ihn in diesem Jahr wieder mit der Gitarre um die Schultern zu sehen.
Das Set öffnet ebenfalls ungewohnt. Photosynthesis, ein Song, welcher meist eher am Ende des Konzerts anzusiedeln ist, markiert den Startpunkt des heutigen Abends. Madrid reagiert verhalten. Als „nett“ würde ich die Stimmung bisher beschreiben. Frank spielt, Publkum singt, alle fröhlich. Aber ein wenig mehr habe ich doch schon von der südländischen Mentalität erwartet. Und natürlich werde ich nicht enttäuscht. Die Spanier scheinen ein wenig Anlaufzeit zu brauchen. Aber erstmal wird die Stimmung bewusst herunter geschraubt. Mit Romantic Fatigue, Wisdom Teeth und To Take You Home haut Turner erstmal drei ruhige Nummern am Stück heraus. Alles drei Songs die sehr, sehr selten live gespielt werden. Umso mehr freue ich mich.
Kurz darauf ist jedoch die Zeit gekommen um die Gitarre an guitar tech Cahir weiter zu geben und jeden Quadratzentimeter der Bühne auszuquetschen. Nur noch mit Mikrofon in der Hand bewaffnet, stürmt Frank Turner über die Bühne, schmeißt sich ins Publikum, brüllt den ersten Reihen ins Gesicht und macht einem schon beinahe Angst. Angst, welche natürlich sofort verfliegt, sobald der sympathische Engländer mal wieder über das gesamte Gesicht grinst. Die Sala Arena wird zum Pulverfass und die Zündschnur immer kürzer. Von Song zu Song brodelt dieser Kessel immer mehr auf, erste, im Moshpit verlorene Schuhe fliegen auf die Bühne. Nur damit Frank Turner mit seiner Band den Spannungsbogen wieder entlasten kann. Als letzten Song vor der Zugabe sorgt Broken Piano für Gänsehautmomente.
Lange lässt sich der Gastgeber darauf allerdings auch nicht bitten, während ihn das Publikum für drei Songs zurück auf die Bühne brüllt. The Ballad Of Me And My Friends, I Still Believe und vor allem Four Simple Words bringen die Sala Arena nun endgültig zum explodieren. Die ersten Reihen liegen schon halb auf der Bühne während das Publikum es beinahe lauter als Frank Turner singt: „I want to dance!“
13 Stunden später setzen die Räder der Iberia Maschine von Madrid nach Düsseldorf wieder auf deutschem Boden auf. Mit tiefen Augenringen aber einem Grinsen im Gesicht schreite ich die Gangway entlang und summe es leise vor mich hin: „I want to dance.“