Mit Journalismus im Internet lässt sich schwer Geld verdienen – ein Allgemeinplatz, den wir allzu gut bestätigen können. Gerne nehmen wir daher auf dem Reeperbahn Festival auf einem Panel zur Medienkrise teil, um dort mit Daniel Koch (“Intro”), Holger Stratmann (“Rock Hard”) und Vivien Mierzkalla (“Verstärker Medienmarketing”) über Finanzierungsschwierigkeiten und die Auswirkungen auf die Qualität von Musikjournalismus zu diskutieren. Vorab ein paar Takte zur Situation bei uns.
Festivalisten gibt es seit 2007. Seitdem feierten wir viele Erfolge, flogen immer mal wieder auf die Schnauze und haben dabei meistens zumindest ein bisschen was gelernt. Im Moment dagegen passiert hier ausgesprochen wenig. Das liegt wenig überraschend daran, dass die Finanzierung des Projekts, also im Idealfall so eine Finanzierung, dass diejenigen, die es machen, halbwegs un-prekär davon leben könnten, im gesamten Zeitraum unserer Existenz als Online-Magazin nicht so recht geklappt hat.
Gestartet als halb-privater Blog von Thomas, wuchs Festivalisten mit den Jahren zu einer festen Anlaufsstelle für Festivalbegeisterte, etablierte sich als Quelle auch für Verlags-Medien wie den “Rolling Stone” und wurde insgesamt zumindest den Zeitaufwand anbelangend zu einer Hauptbeschäftigung. Damit stellte sich die Frage der Finanzierung, wobei es immer nicht nur darum ging, ob es irgendwann langen könnte, um vernünftig davon leben zu können sondern auch, ob man die Form der Finanzierung vertreten kann, gegenüber sich selbst und gegenüber den Leserinnen und Lesern. Das war und ist stellenweise gar nicht so einfach zu beantworten.
Eine kleine Finanzierungsgeschichte
So war das lange Zeit lukrativste Standbein verbunden mit Ticketing-Branchenprimus Eventim, dem nicht nur gefühlt die halbe Veranstaltungsbranche Europas gehört sondern der auch immer mal wieder durch nicht allzu fanfreundliche Praktiken aufgefallen ist. Das Unternehmen jedenfalls beteiligte uns daran, wenn Menschen über unsere Affiliate-Links Tickets kauften. Datenschützer werden von diesem Modell zurecht wenig begeistert sein. Andere wissen, dass zwangsläufig weniger bei den Bands ankommen kann, je mehr als Teil der Verwertungskette mitverdienen wollen. Außerdem bedeutet das noch etwas anderes: Plötzlich hat man als Magazin ein finanzielles Interesse daran, dass möglichst viele Tickets für ein Festival oder Konzert verkauft werden. Am besten direkt, nachdem jemand den zugehörigen Artikel auf unserer Seite gelesen hat. Und wie war das nun mit der kritischen Distanz? Eventim stellte schließlich sein Abrechnungsmodell um, die Einnahmen brachen so weit ein, dass wir uns auch mit Blick auf den Geldbeutel guten Gewissens von dem Prinzip verabschieden konnten.
Die Frage nach der kritischen Distanz stellt sich aber auch dann, wenn Veranstaltungen über die man schreibt zugleich im Magazin gegen Entgelt beworben werden. Diese Abhängigkeit ist im Musikjournalismus nichts Neues. Zum Teil verschwimmen aber die Grenzen zwischen redaktionellen Inhalten und Werbung. Immer wieder gab es, von uns konsequent abgelehnte, Anfragen, die Werbung in unmarkierter Gestalt redaktioneller Berichterstattung anfragten. Kann man machen, wird von manchen Magazinen auch nachweislich gemacht, hat dann aber wenig mit aufrichtigem Journalismus zu tun.
Zwischenzeitlich suchten wir die Antwort bei einem externen Vermarkter, um uns nicht mehr selbst mit der Vergabe von Werbeplätzen beschäftigen zu müssen. Muss man dann auch wirklich nicht mehr, die Seite blinkt auch von selbst genug. Über die Zahl der Werbeblocker nutzenden User brauchen wir nicht sprechen. Aber wir verstehen das. Trotzdem folgen wütende Facebook-Kommentare bezüglich des angeblichen Verkaufs unserer Seele an den Raubtier-Kapitalismus.
Ebenfalls neu ist die tägliche Excel-Übersicht zu den Einnahmen des vergangenen Tages. Die relevante Einheit, die fortan zählt, ist der Aufruf. Ein paar Centanteile pro Aufruf, fast so wie für Künstlerinnen und Künstler bei Spotify. 1000 eben solcher Aufrufe bringen schließlich X Euro, was schwankt, abhängig davon, ob beispielsweise musikbezogene Werbung geschaltet wird und welche User auf der Seite unterwegs sind. Datenschützer schütteln den Kopf. Und wir müssen uns plötzlich mit neuen Fragen beschäftigen, beispielsweise, ob wir eine Bildergalerie mit zehn Fotos auf zehn Einzelseiten verteilen wollen, was technisch unnötig ist und die User nervt aber eben in der Theorie auch das zehnfache der Einnahmen bringt. Täglicher Statistikwahnsinn. Suchmaschinenoptimierungssumpf. Und: „Ihr werdet nicht glauben, was auf diesem Festival UNGLAUBLICHES passiert ist“. Dass die große Story über große Festivals und Bands finanziell mehr bringt als der mit viel Liebe und Zeitaufwand geschriebene Nachbericht über ein Indie-Festival leuchtet wohl ein. Dass man aber irgendwann anfangen muss, Geld zu verdienen, um überhaupt in der gewünschten Regelmäßigkeit und Aktualität Stories schreiben zu können, ist die andere Seite der Geschichte.
Der tägliche Blick in die Einnahmen reichte schließlich von “ganz okay” bis “warum mache ich das hier eigentlich?” und mündete, schwer genervt davon, täglich nach Klicks jagen zu müssen, schließlich in einem “das kann es doch nicht gewesen sein”. Die in diesem Moment gefällte Entscheidung: Erst einmal Schluss mit der Vermarktung.
Und was jetzt?
„Strategische Neuausrichtung“. Um andere Dinge, die einem im Leben so beschäftigen können, kümmern. Der durch Leserinnen und Leser gestützte Finanzierungstraum blieb bisher, wer könnte es ahnen, ein Traum. Die bereitgestellte Möglichkeit, uns Spenden zukommen zu lassen, nutzten bisher zwei LeserInnen (Um so lauter möchten wir den beiden Danke sagen!). Gesamteinnahmen von 20 Euro. Sollen wir erwähnen, wie viel der Server in besagtem Zeitraum gekostet hat?
Weitermachen wollen wir, wie auch immer das aussehen mag, trotzdem. Weil wir glauben, dass es kantige Berichterstattung über den Festivalzirkus braucht. In Zeiten, in denen Unternehmen mit Millionen um sich schmeißen, um in den ohnehin stark umkämpften Festivalmarkt einzusteigen. In Zeiten, in denen es auf Großveranstaltungen angesichts von Unwettern und anderen Unwägbarkeiten schnell sehr ernst werden kann. In Zeiten, in denen die Grenzen zwischen redaktionellen Inhalten und Werbung immer mehr verschwimmen, wollen wir weiter berichten und werben für Festivals, die wir mögen – und nicht nur für solche, die uns dafür bezahlen.
Nun ist es auch klar, dass einem das Geld nicht zufliegen wird. Das ist in anderen Branchen auch nicht so. Das ist auch für Musiker und Musikerinnen nicht so, zumal am Anfang ihrer Karriere. In diesem Artikel haben wir aber gezeigt, dass es bei der Frage nach der Finanzierung niemals nur um die Finanzierung geht. Sondern darum, wie Blogs und Magazine in Zeiten von Social Media aussehen können. Wir freuen uns, auf dem Reeperbahn Festival und hier mit möglichst vielen Leuten darüber in Austausch treten zu können.
Was dazu zu sagen? Schreib uns!
Manuel Hofmann
manuel.hofmann@quirky-mendel.94-130-164-84.plesk.page
Thomas Peter
thomas.peter@quirky-mendel.94-130-164-84.plesk.page
Medienkrise 4.0. Schönen Gruß von Uber: Musikjournalismus war gestern
“Social Media sind die neuen Leitmedien und setzen dem Journalismus ebenso zu wie Uber den Taxifahrern. Die Auflagen- und Umsatzrückgänge etablierter Printmedien, von Tageszeitungen bis hinzu Musikmagazinen, fordern immer öfter ihren Tribut. Damit aber nicht genug, denn auch die Radioprogramme werden zunehmend eintöniger und Blogger verdienen mit ihren Blogs mittlerweile mehrheitlich genauso viel oder wenig wie Nachwuchskünstler an Tantiemen von Spotify & Co. erhalten. Hinzu kommt, dass Werbetreibende immer öfter ganz ungeniert meinen, Anzeigen samt wohlmeinender redaktioneller Berichterstattung zu buchen.”
Mit:
Daniel Koch, Editor In Chief , Intro, Deutschland
Vivien Mierzkalla, PR-Manager, Verstärker Medienmarketing, Deutschland
Thomas Peter, Managing Editor, quirky-mendel.94-130-164-84.plesk.page, Deutschland
Holger Stratmann, Managing Director, Rock Hard, Deutschland
Moderiert von:
Jan Hendrik Becker, Journalist, NDR, Deutschland
(Eine Diskussionsrunde auf dem Reeperbahn Festival 2016)