Gegenüber unserem Magazin gab man sich seitens der Marek Lieberberg Konzertagentur am Dienstag noch zugeknöpft. Über die Zukunft von Marek Lieberberg und Sohn Andre könne man sich erst zum 1.1.2016 äussern. Dann wechseln die Herren die Büros und arbeiten fortan in führender Position für die Konkurrenz Live Nation.
In Auftrag des US-amerikanischen Medienunternehmens wird eine Deutsche Dependance eröffnet, die Festivals und Konzerte ausrichten soll. Ziel: Eine ähnlich dominante Rolle einzunehmen wie in Amerika oder England, wo Live Nation zu Wochenanfang durch den Kauf der MAMA Group zahlreiche weitere Festivals unter Kontrolle gebracht hat. Man scheint also europaweit einen massiven Expansionskurs einzuleiten.
Meine Frage an MLKs Pressebüro war, welche Rolle die Lieberbergs in der Zukunft von Rock am Ring und all den anderen MLK-Festivals spielen werden. Jetzt und über 2015 hinaus. Die Antwort fiel karg aus, wurde durch eine gestrige Presseerklärung allerdings interpretationsfähiger.
Mainz massiv unter Druck gesetzt
Marek und André Lieberberg arbeiten im Einvernehmen mit Klaus Peter Schulenberg, Vorstandsvorsitzender Eventim, bereits mit Nachdruck an Rock am Ring 2016, heisst es da. In den nächsten Sätzen allerdings wird diese Bestimmheit untergraben: “Voraussetzung für die erwartete Fortsetzung des Festivals auf dem Flugplatz Mendig ist nach deren gemeinsamer Auffassung, dass die Auflagen wirtschaftlich vertretbar sind und durch Konversionsmaßnahmen erhebliche Erleichterungen für die zukünftige Durchführung erreicht werden. Der Vorverkauf für Rock am Ring 2016 ist unter diesen Prämissen für September 2015 geplant.”
Heisst nichts anderes als: Liebes Land Rheinland-Pfalz, entweder ihr macht es für uns in Mendig billiger und besser, oder wir sind weg. Und zwar pronto, denn wir wollen in einem Monat mit dem Vorverkauf beginnen.
Ins Bild passt, dass sich die neuen Nürburgring-Eigner und Lieberbergs wieder angenähert haben sollen. Mehr noch. Nürburgring-Chef Schumacher hat jüngst eingestanden, es sei ein Fehler gewesen Rock am Ring ziehen zu lassen.
Könnte Rock am Ring also schon 2016 wieder an den Ring zurückziehen? Oder planen Lieberbergs mit der Location für ihren neuen Job bei Live Nation Concerts Germany? Und was würde dann im Falle eines Mendig-Ausstiegs mit Rock am Ring passieren?
Die Politik in Mainz könnte letztlich der schwarze Peter zugeschoben werden, wenn Rock am Ring 2016 überhaupt nicht stattfinden sollte. Es wäre für Marek und Andre eine feine Exit Strategie und der Scherbenhaufen bei der Konkurrenz würde den Start in den neuen Job erleichtern.
Das Lame Duck Szenario
Für den Aussenstehenden ist es eigentlich nicht einzusehen, warum sich Andre Lieberberg im Booking und Marek Lieberberg in der Organisation noch einmal bis Ende Dezember den Hintern aufreissen sollten, wo doch Rock am Ring im Juni 2016 schon ohne sie stattfindet.
Warum einen zukünftigen, direkten Konkurrenten mit einem guten Billing versorgen, wenn man spätestens 2017 selber auf dem Markt der Grossfestivals mitmischen will?
Und von der anderen Seite her betrachtet: Welcher Chef würde seinem leitenden Angestellten, dessen Wechsel zur Konkurrenz feststeht, eine solche Aufgabe anvertrauen?
Zu viele Fragezeichen
Eventim, der Eigner von MLK, hat verlauten lassen, man wolle sich zukünftig mehr aufs Ticketing und speziell das im Ausland fokussieren. Gleichzeitig sollen Rock am Ring und Rock im Park fortgeführt werden. 150000 Menschen zur Konkurrenz schicken wäre ja auch dämlich. Selbst wenn Festivals nicht die goldene Melkkuh sind, als die sie immer hingestellt werden.
Lieberbergs sind aus der Rock am Ring-Geschichte raus, spätestens am 1.1.2016. Das scheint klar, auch wenn es öffentlich anders kommuniziert wird: Möglicherweise werden ihre Aufgaben aber demnächst schon von einem Schattenkabinet bekleidet, das erst zum Jahresanfang vorgestellt wird.
Unklar ist, was mit dem restlichen MLK-Festivalportfolio passiert. Da wären das auf einen Tag abgespeckte RockNHeim, die Rock im Sektor Premiere und das überaus erfolgreiche Elektrofestival SonneMondSterne zu nennen.
Auch weiss niemand, ob Lieberbergs ihr Bandportfolio nicht zu grossen Teilen wird zu Live Nation transferieren können. Campino von den Toten Hosen kommt da sofort ins Gedächtnis. Er hatte sich beim Nürburgringabschied mit einem “Wo Marek Lieberberg hingeht, sind wir auch” klar positioniert.
Es gibt sicher ein Duzend renomierter, internationale Acts, die von Lieberbergs aufgebaut und gestützt wurden und diesem Beispiel folgen.
Die Frage ist auch: Wird Live Nation gleich 2016 versuchen neue Festivals aus dem Boden zu stampfen, oder gönnt man sich ein Jahr Planungsvorlauf und steigt dann 2017 massiv in den Markt ein?
Faktisch haben wir im Moment nur ein paar lose Puzzelteile, aus denen sich kein Gesamtbild zusammenbasteln lässt. Nur so viel ist sicher: Die Szene bleibt vor weiteren Umwälzungen nicht verschont. Der Winter dürfte interessant werden.
Major Wars können keinen kalt lassen
Noch ein Wort an alle Festivalromantiker, die -wie auf Facebook aufgeworfen- denken, man solle kleine Festivals unterstützen und die Majors doch ihre Kriege ausfechten lassen. Schon dieses Jahr hat der mit viel Geld unterfütterte Markteintritt der DEAG das Leben und Booking der Kleinen massiv erschwert.
Sollten DEAG und MLK am Ball bleiben und weiter soviel Geld in den Markt pumpen und mit Live Nation neben FKP Scorpio ein weiterer potenter Veranstalter auftreten, die Situation für die mittelgrossen und kleinen Festivals würde sich noch einmal massiv verschlechtern!