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Rock am Ring 2009: Abschied von alten Gesetzmässigkeiten in Sachen Ticketing

Thomas Peter

Festivalfficionado, Fotodude

Neurobiologe, Festivalliebhaber. Verdient seine Brötchen mit Webseitenkonsulting (Strategische Planung, Erstellung, Pflege) bei 70six.de.

tickets_rock-am-ringEs gibt Dinge, die sind an sich Naturgesetz und gelten gemeinhin als unumstösslich. Darunter fällt, dass Licht sich im Vakuum mit einer universellen Geschwindigkeit ausbreitet. Auch eine Chancenlosigkeit einer Gesine Schwan im direkten Duell gegen Horst Köhler fällt darunter. Bisher hielt man es auch für eisernes Gesetz, dass Rock am Ring Tickets nach dem Ausverkauf am Zweitmarkt 40-200% teurer verkauft werden können.

Doch davon ist zumindest in diesem Jahr nichts zu sehen. Im Gegenteil. Ausserhalb der Kernzeiten (11-20 Uhr) lassen sich auf ebay wahre Schnäppchen machen. Es ist in den vergangenen Tagen sogar vorgekommen, dass die 60-Euro-Marke angetestet wurde. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: 60 Euro! Selbst wenn man nur den Frühbuchertarif (125 Euro) zu Grunde legt also mehr als eine Halbierung des aufgedruckten Preises!

Durch die seltsame Ausverkauft-Strategie machten Verkäufer dieses Jahr bei ebay nur die ersten beiden Tage nach der Verkündung des Ausverkaufs richtig fette Beute. Man sah Preise von 250 Euro und mehr – wie man es eigentlich schon aus den Vorjahren gewohnt war. Einerseits verdammte man die elenden Abzocker, auf der anderen Seite hielt sich aber auch das Mitleid mit den Käufern in eng überschaubaren Grenzen.
Nach 2 Tagen war der Spuk dieses Jahr allerdings vorbei und die Preise begannen kontinuierlich zu bröckeln.

Beim Versuch der Erklärung dieses Phänomens kommt man nicht umhin die allgemeine Weltwirtschaftskrise zu erwähnen. Allerdings sollte man sich schnell von dem Gedanken verabschieden, der beobachtete Preisverfall hinge wirklich stark damit zusammen. Schliesslich beobachten Analytiker erstaunt ein Anstieg der Binnenwirtschaft. Der Deutsche gönnt sich in diesen (schlechten) Zeiten persönlich mehr. Es darf also als unwahrscheinlich gelten, dass die Leute ihre Tickets aus akuter Geldknappeit verkaufen.

Wie schauts mit anderen Faktoren aus?
Wir wissen es alle. Was Argo und MLK heuer auf die Beine gestellt haben, bleibt von den Namen her hinter den durch die letzten Jahre geschürten Erwartungen zurück. Ich will nicht abstreiten, dass wir alle durch die fetten Lineups der Vergangenheit etwas verwöhnt sind. Blickt man aber auf die grossen europäischen Festivals zeigt sich: Auch heuer wäre die Buchung von herausragenden Namen durchaus möglich gewesen, nur wurden sie von MLK eben einfach nicht berücksichtigt.
Genau dies scheint einigen Ticketkäufern gegen Ende der Bestätigungsphase klar geworden und sauer aufgestossen zu sein. Darum stossen viele nun trotz bereits gebuchtem Urlaub für das Rock am Ring-Wochenende in Massen einzelne Tickets ab.
Verstärkt wird der Trend sicher auch durch professionelle Abzocker und “Amateure”, die dieses Jahr -auf die jahrelange Gesetzmässigkeit vertrauend- einfachmal 1-2 Tickets mehr kauften um sie nach dem offiziellen Ausverkauf gewinnbringend zu verhökern. Diese Gruppe hat lange gewartet in der Hoffnung auf steigende Preise, muss nun aber dringend seine Kontingente abstossen um den Totalverlust zu vermeiden.

Aktuell laufen deshalb nicht weniger als 1622 Rock am Ring-bezogene Ticketauktionen und Festpreisangebote beim Internetauktionshaus. Je näher wir dem Festival kommen, desto mehr Auktionen werden registriert. Die mangelnde Attraktivität des Lineups zieht aber weniger Nachfrage nach sich. Konsequenter weise sinkt der Preis, der sich laut Marktregeln aus Angebot und Nachfrage ergibt. Wie tief er allerdings in den Keller geht, erstaunt dann doch.

Im Schnitt werden für die Tickets für Rock am Ring via Auktion etwa 87 Euro bezahlt. Wie bereits angesprochen, wurde bei vereinzelten Auktionen auch schon die 60-Euro-Marke geknackt. Es ist davon auszugehen, dass der mittlere Verkaufspreis bei ebay mit jedem Tag den Rock am Ring näher rückt weiter absinkt.
Wer noch ein Ticket braucht, sollte besonders bei Angeboten die früh morgens oder spät abends endeten die Augen offen halten.  Ein Wort der Warnung an alle Schnäppchenjäger: Im Hinterkopf sollte man bei ebay allem Schnäppchen zum Trotz auch immer die Bewertungen und die Anzahl der abgeschlossenen Auktionen eines Verkäufers haben!

Die aufkeimende Panikstimmung unter den Kartenverkäufern lässt sich auch an den Sofortkaufangeboten festmachen. Vereinzelt werden Sofortkäufe für 80 Euro angeboten in der Regel ist man mit maximal 105 Euro dabei. Immernoch 30 Euro günstiger als der Originalpreis…

Eine interessante Frage, die sich aus der aktuellen Situation ergibt ist die nach der Position MLKs zu dem Thema. Ein potentielles Ziel, nämlich der Blüte des Schwarzmarkts entgegenzutreten, konnte man heuer problemlos realisieren. Aber: Kann es sich Rock am Ring umgekehrt imagemässig leisten, dass Tickets in Massen zum halben Preis verkauft werden? Wird es die Festivalisten in ihrer Kaufentscheidung 2010 beeinflussen? Werden sie also ihre Tickets günstiger kaufen wollen und im nächsten Jahr auf ein ähnliches Zweitmarkt-Szenario spekulieren – was letztlich den Ausverkauf verzögert oder gar verhindert?

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