So war’s beim Prima Leben und Stereo

S-Bahn Richtung Freising, Samstag Nachmittag, auf dem Weg zum Prima Leben und Stereo. Die Flugzeuge kommen hier tief vorbei, der Flughafen München ist in unmittelbarer Nähe.

Es ist etwas über einen Monat her, dass die Münchner in einem Bürgerentscheid gegen die dritte Startbahn votierten – deutlich. Das Motiv dahinter: sich nicht unbegrenzt den wirtschaftlichen Interessen zu beugen. „Damit unser München lebenswert bleibt“, so das Motto der Gegner der Startbahn.

Beim Prima Leben und Stereo ist es ähnlich: Das Festival ist klein, gemütlich – und soll auch so bleiben. Ganz ohne Sponsoren kommt das PLUS zwar auch nicht aus. Aber immerhin halten sich die Werbebanner auf dem Festivalgelände dezent im Hintergrund. Das macht den Charme des Open Airs aus: Alles eingebettet im Grünen, rundum Maisfelder und Grünflächen; und nicht zuletzt: der Vöttinger Weiher als Teil des Hauptgeländes.

Die Gemütlichkeit ist auf dem Gelände überall präsent: Die freiwilligen Helfer – es sind mehrere Hundert – zeigen sich durch und durch gut gelaunt. Sie haben auch allen Grund dazu: Um die zehn Stunden arbeiten sie während des Festivals, dafür können sie das zweitägige Open Air umsonst besuchen, und werden noch dazu im Cateringzelt perfekt versorgt. Dort kommen Helfer, Journalisten und Bands zusammen.

Obwohl die Bands ihren ganz eigenen Bereich haben, sitzt der Abschlussact des Samstags, Fuck Art, Let’s Dance, im frei zugänglichen Teil des Zelts. So ergibt sich ein netter Dialog, inklusive Beantwortung jener Fragen, die unter den Nägeln brannten: „Warum eigentlich Fuck Art Let’s Dance?“ Fick die Kunst? Nene, es gehe um gekünsteltes Verhalten, beantwortet der Gitarrist. Die Frage sei eine der häufigsten in Interviews.

Noch kurz davor waren The Notwist in den abgetrennten Bereich gehuscht, um dort nach  ihres Konzertes weiterzumusizieren. Und Rüdi von den Sportfreunden Stiller, der am selben Abend mit Nina Sonnenberg als Teil des Phantom Orchesters seinen Auftritt gehabt hatte, marschierte nach seines Konzerts mitten ins Publikum, um The Notwist mitzuerleben. Gäbe es auf einem Highfield, wo die Sportfreunde dieses Jahr Headliner sind, so auch nicht.

Aber zurück zu The Notwist: Ohne Frage das Konzert des Festivals. Mit ihren Elektrofrikkeleien, mit denen sie einzelne Lieder in ekstasische Längen von 10 Minuten und mehr zogen, zeigten sie, warum sie  ihrer Experimentierfreude wegen zu den wichtigsten Independent Bands Deutschlands gehören. Und die Lieder dazwischen – ob „Pick Up The Phone“ am Anfang des Sets, der Klassiker „Chemicals“, „Boneless“ mittendrin oder eine zauberhafte Version von „Consequence“ am Ende – erinnerten daran, warum so viele Fans sie so gerne hören. Gerne wieder. Gilt für Zuschauer wie Band wohl gleichermaßen. The Notwist würden kein Festival spielen, das sie nicht persönlich schätzen.

Die Rückfahrt in der S-Bahn am nächsten Tag führt erneut am Freisinger Flughafen vorbei. Das ernüchternde Ergebnis nach dem Bürgerentscheid: Der Flughafen soll dennoch ausgebaut werden. Allem Engagement dagegen zum Trotz. Und diese Befürchtung gibt es auch beim PLUS: Dass es größer wird als bisher und kommerzieller – und so seinen ganz eigenen Charme verliert.

Die Gefahr ist da: Die Kosten, ein Festival zu veranstalten, steigen. Ticketpreise auch. Die Konkurrenz anderer Festivals wird größer. Es wird schwerer, ein attraktives Musikprogramm zusammenzustellen. Gegen diesen Trend kämpft der Prima leben und stereo e.V. Man will Festival-Oase bleiben. Recht so. Denn so wie jetzt, bist du wundervoll, liebes PLUS.

Die Mischung aus der einzigartigen Atmosphäre (vergleichweise wenige Gäste, freiwillige Helfer, Festivalgelände mitten im Grünen) und einem sorgsam ausgewählten LineUp, das jedes Jahr einige Künstler bereithält, die nicht überall spielen (zum Beispiel The Notwist) macht das Festival zu dem, was es ist: Zwei Tage Prima Leben und Stereo.

(Weitere Eindrücke in Form von Text und Bildern folgen in den nächsten Tagen.)

 

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Manuel Hofmann

Festivalaffiner Politikwissenschaftler.